auch nicht im Friedensstande unseres sächsischen Va¬ terlandes. Ich erfreue mich gütiger Empfehlungen. Meine Vorkehrungen sind getroffen. Ich gehe nach Preußen. In wenigen Wochen vielleicht stehe ich auf einem Felde, wo Wunden geschlagen werden und Wun¬ den geheilt werden müssen."
Ihr wißt, wir schrieben anno neunzig, und in Preußen herrschte seit siebenundzwanzig Jahren so gut wie Friede. Allerdings hatte ich meinen Vater mit seinen Kameraden von einer "Verhedderung" zwischen dem Kaiser und König in Sachen der Großtürken dis¬ curiren hören; Keiner aber wurde aus diesem Wirr¬ warr klug, und Keiner dachte an Ernst in einem weit¬ abgelegenen Gebiet, wo man für den Preußen nichts Verdauliches zu schlucken sah. Siegmund Faber konnte daher wohl eine verwunderte Miene bemerken, mit welcher ich seine Witterung von Blut und Leichen be¬ antwortete.
"König Friedrich Wilhelm," so fuhr er ohne Auf¬ enthalt fort, "ist zu der Armee nach Schlesien abge¬ gangen. Dort treffe ich auch das Regiment Weimar, an dessen durchlauchtigen Chef ich von Jena aus re¬ commandirt bin. Wetter, welche sich thürmen, wie die in Ost und West, klären sich nicht. Verzöge sich's
auch nicht im Friedensſtande unſeres ſächſiſchen Va¬ terlandes. Ich erfreue mich gütiger Empfehlungen. Meine Vorkehrungen ſind getroffen. Ich gehe nach Preußen. In wenigen Wochen vielleicht ſtehe ich auf einem Felde, wo Wunden geſchlagen werden und Wun¬ den geheilt werden müſſen.“
Ihr wißt, wir ſchrieben anno neunzig, und in Preußen herrſchte ſeit ſiebenundzwanzig Jahren ſo gut wie Friede. Allerdings hatte ich meinen Vater mit ſeinen Kameraden von einer „Verhedderung“ zwiſchen dem Kaiſer und König in Sachen der Großtürken dis¬ curiren hören; Keiner aber wurde aus dieſem Wirr¬ warr klug, und Keiner dachte an Ernſt in einem weit¬ abgelegenen Gebiet, wo man für den Preußen nichts Verdauliches zu ſchlucken ſah. Siegmund Faber konnte daher wohl eine verwunderte Miene bemerken, mit welcher ich ſeine Witterung von Blut und Leichen be¬ antwortete.
„König Friedrich Wilhelm,“ ſo fuhr er ohne Auf¬ enthalt fort, „iſt zu der Armee nach Schleſien abge¬ gangen. Dort treffe ich auch das Regiment Weimar, an deſſen durchlauchtigen Chef ich von Jena aus re¬ commandirt bin. Wetter, welche ſich thürmen, wie die in Oſt und Weſt, klären ſich nicht. Verzöge ſich's
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auch nicht im Friedensſtande unſeres ſächſiſchen Va¬
terlandes. Ich erfreue mich gütiger Empfehlungen.
Meine Vorkehrungen ſind getroffen. Ich gehe nach
Preußen. In wenigen Wochen vielleicht ſtehe ich auf
einem Felde, wo Wunden geſchlagen werden und Wun¬
den geheilt werden müſſen.“
Ihr wißt, wir ſchrieben anno neunzig, und in
Preußen herrſchte ſeit ſiebenundzwanzig Jahren ſo gut
wie Friede. Allerdings hatte ich meinen Vater mit
ſeinen Kameraden von einer „Verhedderung“ zwiſchen
dem Kaiſer und König in Sachen der Großtürken dis¬
curiren hören; Keiner aber wurde aus dieſem Wirr¬
warr klug, und Keiner dachte an Ernſt in einem weit¬
abgelegenen Gebiet, wo man für den Preußen nichts
Verdauliches zu ſchlucken ſah. Siegmund Faber konnte
daher wohl eine verwunderte Miene bemerken, mit
welcher ich ſeine Witterung von Blut und Leichen be¬
antwortete.
„König Friedrich Wilhelm,“ ſo fuhr er ohne Auf¬
enthalt fort, „iſt zu der Armee nach Schleſien abge¬
gangen. Dort treffe ich auch das Regiment Weimar,
an deſſen durchlauchtigen Chef ich von Jena aus re¬
commandirt bin. Wetter, welche ſich thürmen, wie
die in Oſt und Weſt, klären ſich nicht. Verzöge ſich's
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/139>, abgerufen am 31.07.2024.
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