es verstand? Oder hieß es, empfinden in jenem selig¬ sprechenden Sinne, den ich nicht verstand.
Ich brachte mich endlich mit Gewalt über den zweifelhaften Spruch zur Ruhe, und es war das das erste Mal, daß ich eine Entsagung geübt habe, die ich mir im späteren Leben zum Gesetz stellte. Ich han¬ delte nach meinem natürlichen Willen, mit welchem meine Erziehung, treu dem Wahrspruch unseres Hau¬ ses in Einklang stand und ich zweifelte nicht, daß es gut war, wenn ich "in Recht und Ehren" handelte.
Spät erst, in dem Alter, wo Andere graue Haare tragen, ist jener zweite Wahrspruch für das Leben in meiner Seele wieder aufgeklungen, und durch eine un¬ scheinbare Fügung der Schall des Räthsels mir zu einem Sinn geworden. Wohl bin ich heute noch keine von denen, die der Heiland schon hinnieden selig preist. Wenn wir aber eines Tages jenseit anfangen sollten, da, wo wir diesseit aufgehört, so getröste ich mich der Hoffnung, dem Vaterreiche um eine Wegstunde näher gerückt zu sein.
es verſtand? Oder hieß es, empfinden in jenem ſelig¬ ſprechenden Sinne, den ich nicht verſtand.
Ich brachte mich endlich mit Gewalt über den zweifelhaften Spruch zur Ruhe, und es war das das erſte Mal, daß ich eine Entſagung geübt habe, die ich mir im ſpäteren Leben zum Geſetz ſtellte. Ich han¬ delte nach meinem natürlichen Willen, mit welchem meine Erziehung, treu dem Wahrſpruch unſeres Hau¬ ſes in Einklang ſtand und ich zweifelte nicht, daß es gut war, wenn ich „in Recht und Ehren“ handelte.
Spät erſt, in dem Alter, wo Andere graue Haare tragen, iſt jener zweite Wahrſpruch für das Leben in meiner Seele wieder aufgeklungen, und durch eine un¬ ſcheinbare Fügung der Schall des Räthſels mir zu einem Sinn geworden. Wohl bin ich heute noch keine von denen, die der Heiland ſchon hinnieden ſelig preiſt. Wenn wir aber eines Tages jenſeit anfangen ſollten, da, wo wir dieſſeit aufgehört, ſo getröſte ich mich der Hoffnung, dem Vaterreiche um eine Wegſtunde näher gerückt zu ſein.
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es verſtand? Oder hieß es, empfinden in jenem ſelig¬
ſprechenden Sinne, den ich nicht verſtand.
Ich brachte mich endlich mit Gewalt über den
zweifelhaften Spruch zur Ruhe, und es war das das
erſte Mal, daß ich eine Entſagung geübt habe, die ich
mir im ſpäteren Leben zum Geſetz ſtellte. Ich han¬
delte nach meinem natürlichen Willen, mit welchem
meine Erziehung, treu dem Wahrſpruch unſeres Hau¬
ſes in Einklang ſtand und ich zweifelte nicht, daß es
gut war, wenn ich „in Recht und Ehren“ handelte.
Spät erſt, in dem Alter, wo Andere graue Haare
tragen, iſt jener zweite Wahrſpruch für das Leben in
meiner Seele wieder aufgeklungen, und durch eine un¬
ſcheinbare Fügung der Schall des Räthſels mir zu
einem Sinn geworden. Wohl bin ich heute noch keine
von denen, die der Heiland ſchon hinnieden ſelig preiſt.
Wenn wir aber eines Tages jenſeit anfangen ſollten,
da, wo wir dieſſeit aufgehört, ſo getröſte ich mich der
Hoffnung, dem Vaterreiche um eine Wegſtunde näher
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/118>, abgerufen am 16.02.2025.
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