leibhaftige Dorl, schwebte gleich einer Libelle im Shawltanz, der Krone der Kunst, den Raum auf und nieder, jetzt den Kopf hinter dem Nesselstreifen verber¬ gend, dann plötzlich schelmisch hinter seinen Falten hervorlugend, sich hebend und neigend und biegend, eine flüssige Welle vom Scheitel zur Zeh. Der Mu¬ sikant in der Fensternische seufzte zwischen den zärtli¬ chen Weisen, die er seiner Geige entlockte; die Part¬ nerin in grünem Rasch hatte Strapaze und Ingrimm vergessen, und der Lehrmeister klatschte Beifall mit künstlerischem Entzücken.
"Die wird Furore machen!" rief er eines Abends, als das Dreiblatt der Familie wieder allein bei ein¬ ander war.
"Furore, wo?" fragte die Kunstrichterin mit je¬ nem Ton, den ihr Eheherr die Weisheit Salomonis zu nennen pflegte.
"Denkst Du sie im Corps de Ballet unterzubrin¬ gen, Eberhard?"
"Schade, Schade!" seufzte der Papa. Frau Adelheid aber fuhr fort:
"Der Ballsaal ist der Jungfer Müllerin ver¬ schlossen, und für das Publikum des Tanzbodens würde weniger gut besser sein, meine ich."
leibhaftige Dorl, ſchwebte gleich einer Libelle im Shawltanz, der Krone der Kunſt, den Raum auf und nieder, jetzt den Kopf hinter dem Neſſelſtreifen verber¬ gend, dann plötzlich ſchelmiſch hinter ſeinen Falten hervorlugend, ſich hebend und neigend und biegend, eine flüſſige Welle vom Scheitel zur Zeh. Der Mu¬ ſikant in der Fenſterniſche ſeufzte zwiſchen den zärtli¬ chen Weiſen, die er ſeiner Geige entlockte; die Part¬ nerin in grünem Raſch hatte Strapaze und Ingrimm vergeſſen, und der Lehrmeiſter klatſchte Beifall mit künſtleriſchem Entzücken.
„Die wird Furore machen!“ rief er eines Abends, als das Dreiblatt der Familie wieder allein bei ein¬ ander war.
„Furore, wo?“ fragte die Kunſtrichterin mit je¬ nem Ton, den ihr Eheherr die Weisheit Salomonis zu nennen pflegte.
„Denkſt Du ſie im Corps de Ballet unterzubrin¬ gen, Eberhard?“
„Schade, Schade!“ ſeufzte der Papa. Frau Adelheid aber fuhr fort:
„Der Ballſaal iſt der Jungfer Müllerin ver¬ ſchloſſen, und für das Publikum des Tanzbodens würde weniger gut beſſer ſein, meine ich.“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0111"n="104"/>
leibhaftige Dorl, ſchwebte gleich einer Libelle im<lb/>
Shawltanz, der Krone der Kunſt, den Raum auf und<lb/>
nieder, jetzt den Kopf hinter dem Neſſelſtreifen verber¬<lb/>
gend, dann plötzlich ſchelmiſch hinter ſeinen Falten<lb/>
hervorlugend, ſich hebend und neigend und biegend,<lb/>
eine flüſſige Welle vom Scheitel zur Zeh. Der Mu¬<lb/>ſikant in der Fenſterniſche ſeufzte zwiſchen den zärtli¬<lb/>
chen Weiſen, die er ſeiner Geige entlockte; die Part¬<lb/>
nerin in grünem Raſch hatte Strapaze und Ingrimm<lb/>
vergeſſen, und der Lehrmeiſter klatſchte Beifall mit<lb/>
künſtleriſchem Entzücken.</p><lb/><p>„<hirendition="#g">Die</hi> wird Furore machen!“ rief er eines Abends,<lb/>
als das Dreiblatt der Familie wieder allein bei ein¬<lb/>
ander war.</p><lb/><p>„Furore, wo?“ fragte die Kunſtrichterin mit je¬<lb/>
nem Ton, den ihr Eheherr die Weisheit Salomonis<lb/>
zu nennen pflegte.</p><lb/><p>„Denkſt Du ſie im Corps de Ballet unterzubrin¬<lb/>
gen, Eberhard?“</p><lb/><p>„Schade, Schade!“ſeufzte der Papa. Frau<lb/>
Adelheid aber fuhr fort:</p><lb/><p>„Der Ballſaal iſt der Jungfer Müllerin ver¬<lb/>ſchloſſen, und für das Publikum des Tanzbodens<lb/>
würde weniger gut beſſer ſein, meine ich.“<lb/></p></div></body></text></TEI>
[104/0111]
leibhaftige Dorl, ſchwebte gleich einer Libelle im
Shawltanz, der Krone der Kunſt, den Raum auf und
nieder, jetzt den Kopf hinter dem Neſſelſtreifen verber¬
gend, dann plötzlich ſchelmiſch hinter ſeinen Falten
hervorlugend, ſich hebend und neigend und biegend,
eine flüſſige Welle vom Scheitel zur Zeh. Der Mu¬
ſikant in der Fenſterniſche ſeufzte zwiſchen den zärtli¬
chen Weiſen, die er ſeiner Geige entlockte; die Part¬
nerin in grünem Raſch hatte Strapaze und Ingrimm
vergeſſen, und der Lehrmeiſter klatſchte Beifall mit
künſtleriſchem Entzücken.
„Die wird Furore machen!“ rief er eines Abends,
als das Dreiblatt der Familie wieder allein bei ein¬
ander war.
„Furore, wo?“ fragte die Kunſtrichterin mit je¬
nem Ton, den ihr Eheherr die Weisheit Salomonis
zu nennen pflegte.
„Denkſt Du ſie im Corps de Ballet unterzubrin¬
gen, Eberhard?“
„Schade, Schade!“ ſeufzte der Papa. Frau
Adelheid aber fuhr fort:
„Der Ballſaal iſt der Jungfer Müllerin ver¬
ſchloſſen, und für das Publikum des Tanzbodens
würde weniger gut beſſer ſein, meine ich.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/111>, abgerufen am 31.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.