Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684.einer kaum erloschenen Feuers-Brunst/ wagt sich keiner noch/ mit seinen köstlichsten Sachen/ zu beharren; sondern besorgt eine noch glimmende Verborgenheit. Was kunte aber dem Käiser schätzbarer seyn/ als seine Gemahlin/ und kleiner junger Prinz/ Maximilian/ die damals bey ihm drinnen waren? Seine angeborne Frömmigkeit nemlich hatte ihm allen Argwohn/ aus dem Sinn geräumt: Und vielleicht hat er/ durch seine Gegenwart/ ihnen alle Scrupeln/ daß sie an seiner Gnade nicht mehr zu zweifeln hätten/ ausleeren wollen. Die Guten vermuten nicht leicht/ von andren/ was Böses. Doch gleichwol hat man sich/ für solchen Menschen/ die unlängst erst/ von einer Seuche/ aufgestanden/ behutsamst zu präserviren/ und für unlängst-befriedigten Aufrührern/ in acht zu nehmen; weil ihnen die vertriebene Mucken leichtlich wieder in den Kopff kommen. Solchen Personen/ sie mögen gleich unterthänig / oder von Stande seyn/ die einmal eidbrüchig worden/ ist man kein Vertrauen schuldig / sondern die Behutsamkeit/ welche an ihnen eine rechtschaffene Ubung findt. Es gehen aber / auch wol den allerklügsten Fürsten/ hierinn bisweilen die Augen zu: Und kan endlich auch wol ein fürsichtiger David/ durch gutes Vertrauen/ sich an einem Absolon oder Achitophel verirren. Unterdessen ward der lobwürdigste Käiser nicht allein aus-sondern auch inwendig bestürmt; dort durchs Geschütze; hier/ durch Mitleiden/ gegen bemeldten zarten Personen/ die ihm lieber/ als seine Augen/ und zu der Belagerung übel bequemt waren. Welche er gleichwol immerzu freundlich tröstete/ nicht allein durch Versicherung eines erwartenden ansehnlichen Entsatzes/ sondern auch seiner fleissigen Sorge/ für ihre nothwendige Verpflegung mit Brod/ und andrer Leibes-Nothdurfft: Obgleich von Lebens-Mitteln/ im Schloß/ ein schlechter Vorrath vorhanden war. Und wie fromm/ wie sanfft sonst dieser Herr von Gemüt war; ließ er doch anjetzo/ mitten in der Gefahr/ einen grossen Mut blicken/ und eine solche Resolution/ deren man sich/ zu einem so grossen Fürsten / nicht versehen hätte. Er rieff mit so lauter Stimme/ daß es die Feinde selbst leicht hören kunten: Dieses Scholß gebe ich nicht auf: Es soll eher mein Kirchhof und Grab-Stätte seyn. Und zu den Seinigen sagte ex/ der liebe GOtt im Himmel lebte ja noch/ welcher gewohnt wäre/ die Obrigkeit von ihrer Unterthanen Unbilligkeit/ zu erledigen; darum solten sie nur unerschrockens frisches Muts seyn/ beständig an ihm verharren/ und sich einem bessern Glück vorbehalten. Solche Hoffnung muste auch alle Mühseligkeit/ sowol der Gegenwehr/ als deß übrigen Zustandes/ erleichtern/ und das fast hungrige Tractament würzen/ oder vielmehr der Hunger selbst die beste Würze der noch vorhandenen geringen Speisen seyn. Ein gewisser alter Scribent/ welcher damals/ um den Käiser gewest/ beglaubt/ die Lebens-Mittel wären im Schloß genau zusammen gangen/ daß an Mehl und Fleisch/ grosser Mangel eingrissen/ und ein altes Mütterlein dem jungen Käiserlichen Prinzen/ Maximilian/ in dem Frauen-Zimmer/ eine feuchte Gersten zu essen fürgesetzt: Welche ungewohnte Speise der Prinz sich be- einer kaum erloschenen Feuers-Brunst/ wagt sich keiner noch/ mit seinen köstlichsten Sachen/ zu beharren; sondern besorgt eine noch glimmende Verborgenheit. Was kunte aber dem Käiser schätzbarer seyn/ als seine Gemahlin/ und kleiner junger Prinz/ Maximilian/ die damals bey ihm drinnen waren? Seine angeborne Frömmigkeit nemlich hatte ihm allen Argwohn/ aus dem Sinn geräumt: Und vielleicht hat er/ durch seine Gegenwart/ ihnen alle Scrupeln/ daß sie an seiner Gnade nicht mehr zu zweifeln hätten/ ausleeren wollen. Die Guten vermuten nicht leicht/ von andren/ was Böses. Doch gleichwol hat man sich/ für solchen Menschen/ die unlängst erst/ von einer Seuche/ aufgestanden/ behutsamst zu präserviren/ und für unlängst-befriedigten Aufrührern/ in acht zu nehmen; weil ihnen die vertriebene Mucken leichtlich wieder in den Kopff kommen. Solchen Personen/ sie mögen gleich unterthänig / oder von Stande seyn/ die einmal eidbrüchig worden/ ist man kein Vertrauen schuldig / sondern die Behutsamkeit/ welche an ihnen eine rechtschaffene Ubung findt. Es gehen aber / auch wol den allerklügsten Fürsten/ hierinn bisweilen die Augen zu: Und kan endlich auch wol ein fürsichtiger David/ durch gutes Vertrauen/ sich an einem Absolon oder Achitophel verirren. Unterdessen ward der lobwürdigste Käiser nicht allein aus-sondern auch inwendig bestürmt; dort durchs Geschütze; hier/ durch Mitleiden/ gegen bemeldten zarten Personen/ die ihm lieber/ als seine Augen/ und zu der Belagerung übel bequemt waren. Welche er gleichwol immerzu freundlich tröstete/ nicht allein durch Versicherung eines erwartenden ansehnlichen Entsatzes/ sondern auch seiner fleissigen Sorge/ für ihre nothwendige Verpflegung mit Brod/ und andrer Leibes-Nothdurfft: Obgleich von Lebens-Mitteln/ im Schloß/ ein schlechter Vorrath vorhanden war. Und wie fromm/ wie sanfft sonst dieser Herr von Gemüt war; ließ er doch anjetzo/ mitten in der Gefahr/ einen grossen Mut blicken/ und eine solche Resolution/ deren man sich/ zu einem so grossen Fürsten / nicht versehen hätte. Er rieff mit so lauter Stimme/ daß es die Feinde selbst leicht hören kunten: Dieses Scholß gebe ich nicht auf: Es soll eher mein Kirchhof und Grab-Stätte seyn. Und zu den Seinigen sagte ex/ der liebe GOtt im Himmel lebte ja noch/ welcher gewohnt wäre/ die Obrigkeit von ihrer Unterthanen Unbilligkeit/ zu erledigen; darum solten sie nur unerschrockens frisches Muts seyn/ beständig an ihm verharren/ und sich einem bessern Glück vorbehalten. Solche Hoffnung muste auch alle Mühseligkeit/ sowol der Gegenwehr/ als deß übrigen Zustandes/ erleichtern/ und das fast hungrige Tractament würzen/ oder vielmehr der Hunger selbst die beste Würze der noch vorhandenen geringen Speisen seyn. Ein gewisser alter Scribent/ welcher damals/ um den Käiser gewest/ beglaubt/ die Lebens-Mittel wären im Schloß genau zusammen gangen/ daß an Mehl und Fleisch/ grosser Mangel eingrissen/ und ein altes Mütterlein dem jungen Käiserlichen Prinzen/ Maximilian/ in dem Frauen-Zimmer/ eine feuchte Gersten zu essen fürgesetzt: Welche ungewohnte Speise der Prinz sich be- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0047" n="39"/> einer kaum erloschenen Feuers-Brunst/ wagt sich keiner noch/ mit seinen köstlichsten Sachen/ zu beharren; sondern besorgt eine noch glimmende Verborgenheit. Was kunte aber dem Käiser schätzbarer seyn/ als seine Gemahlin/ und kleiner junger Prinz/ Maximilian/ die damals bey ihm drinnen waren? Seine angeborne Frömmigkeit nemlich hatte ihm allen Argwohn/ aus dem Sinn geräumt: Und vielleicht hat er/ durch seine Gegenwart/ ihnen alle Scrupeln/ daß sie an seiner Gnade nicht mehr zu zweifeln hätten/ ausleeren wollen. Die Guten vermuten nicht leicht/ von andren/ was Böses. Doch gleichwol hat man sich/ für solchen Menschen/ die unlängst erst/ von einer Seuche/ aufgestanden/ behutsamst zu präserviren/ und für unlängst-befriedigten Aufrührern/ in acht zu nehmen; weil ihnen die vertriebene Mucken leichtlich wieder in den Kopff kommen. Solchen Personen/ sie mögen gleich unterthänig / oder von Stande seyn/ die einmal eidbrüchig worden/ ist man kein Vertrauen schuldig / sondern die Behutsamkeit/ welche an ihnen eine rechtschaffene Ubung findt. Es gehen aber / auch wol den allerklügsten Fürsten/ hierinn bisweilen die Augen zu: Und kan endlich auch wol ein fürsichtiger David/ durch gutes Vertrauen/ sich an einem Absolon oder Achitophel verirren.</p> <p>Unterdessen ward der lobwürdigste Käiser nicht allein aus-sondern auch inwendig bestürmt; dort durchs Geschütze; hier/ durch Mitleiden/ gegen bemeldten zarten Personen/ die ihm lieber/ als seine Augen/ und zu der Belagerung übel bequemt waren. Welche er gleichwol immerzu freundlich tröstete/ nicht allein durch Versicherung eines erwartenden ansehnlichen Entsatzes/ sondern auch seiner fleissigen Sorge/ für ihre nothwendige Verpflegung mit Brod/ und andrer Leibes-Nothdurfft: Obgleich von Lebens-Mitteln/ im Schloß/ ein schlechter Vorrath vorhanden war. Und wie fromm/ wie sanfft sonst dieser Herr von Gemüt war; ließ er doch anjetzo/ mitten in der Gefahr/ einen grossen Mut blicken/ und eine solche Resolution/ deren man sich/ zu einem so grossen Fürsten / nicht versehen hätte. Er rieff mit so lauter Stimme/ daß es die Feinde selbst leicht hören kunten: Dieses Scholß gebe ich nicht auf: Es soll eher mein Kirchhof und Grab-Stätte seyn. Und zu den Seinigen sagte ex/ der liebe GOtt im Himmel lebte ja noch/ welcher gewohnt wäre/ die Obrigkeit von ihrer Unterthanen Unbilligkeit/ zu erledigen; darum solten sie nur unerschrockens frisches Muts seyn/ beständig an ihm verharren/ und sich einem bessern Glück vorbehalten.</p> <p>Solche Hoffnung muste auch alle Mühseligkeit/ sowol der Gegenwehr/ als deß übrigen Zustandes/ erleichtern/ und das fast hungrige Tractament würzen/ oder vielmehr der Hunger selbst die beste Würze der noch vorhandenen geringen Speisen seyn. Ein gewisser alter Scribent/ welcher damals/ um den Käiser gewest/ beglaubt/ die Lebens-Mittel wären im Schloß genau zusammen gangen/ daß an Mehl und Fleisch/ grosser Mangel eingrissen/ und ein altes Mütterlein dem jungen Käiserlichen Prinzen/ Maximilian/ in dem Frauen-Zimmer/ eine feuchte Gersten zu essen fürgesetzt: Welche ungewohnte Speise der Prinz sich be- </p> </div> </body> </text> </TEI> [39/0047]
einer kaum erloschenen Feuers-Brunst/ wagt sich keiner noch/ mit seinen köstlichsten Sachen/ zu beharren; sondern besorgt eine noch glimmende Verborgenheit. Was kunte aber dem Käiser schätzbarer seyn/ als seine Gemahlin/ und kleiner junger Prinz/ Maximilian/ die damals bey ihm drinnen waren? Seine angeborne Frömmigkeit nemlich hatte ihm allen Argwohn/ aus dem Sinn geräumt: Und vielleicht hat er/ durch seine Gegenwart/ ihnen alle Scrupeln/ daß sie an seiner Gnade nicht mehr zu zweifeln hätten/ ausleeren wollen. Die Guten vermuten nicht leicht/ von andren/ was Böses. Doch gleichwol hat man sich/ für solchen Menschen/ die unlängst erst/ von einer Seuche/ aufgestanden/ behutsamst zu präserviren/ und für unlängst-befriedigten Aufrührern/ in acht zu nehmen; weil ihnen die vertriebene Mucken leichtlich wieder in den Kopff kommen. Solchen Personen/ sie mögen gleich unterthänig / oder von Stande seyn/ die einmal eidbrüchig worden/ ist man kein Vertrauen schuldig / sondern die Behutsamkeit/ welche an ihnen eine rechtschaffene Ubung findt. Es gehen aber / auch wol den allerklügsten Fürsten/ hierinn bisweilen die Augen zu: Und kan endlich auch wol ein fürsichtiger David/ durch gutes Vertrauen/ sich an einem Absolon oder Achitophel verirren.
Unterdessen ward der lobwürdigste Käiser nicht allein aus-sondern auch inwendig bestürmt; dort durchs Geschütze; hier/ durch Mitleiden/ gegen bemeldten zarten Personen/ die ihm lieber/ als seine Augen/ und zu der Belagerung übel bequemt waren. Welche er gleichwol immerzu freundlich tröstete/ nicht allein durch Versicherung eines erwartenden ansehnlichen Entsatzes/ sondern auch seiner fleissigen Sorge/ für ihre nothwendige Verpflegung mit Brod/ und andrer Leibes-Nothdurfft: Obgleich von Lebens-Mitteln/ im Schloß/ ein schlechter Vorrath vorhanden war. Und wie fromm/ wie sanfft sonst dieser Herr von Gemüt war; ließ er doch anjetzo/ mitten in der Gefahr/ einen grossen Mut blicken/ und eine solche Resolution/ deren man sich/ zu einem so grossen Fürsten / nicht versehen hätte. Er rieff mit so lauter Stimme/ daß es die Feinde selbst leicht hören kunten: Dieses Scholß gebe ich nicht auf: Es soll eher mein Kirchhof und Grab-Stätte seyn. Und zu den Seinigen sagte ex/ der liebe GOtt im Himmel lebte ja noch/ welcher gewohnt wäre/ die Obrigkeit von ihrer Unterthanen Unbilligkeit/ zu erledigen; darum solten sie nur unerschrockens frisches Muts seyn/ beständig an ihm verharren/ und sich einem bessern Glück vorbehalten.
Solche Hoffnung muste auch alle Mühseligkeit/ sowol der Gegenwehr/ als deß übrigen Zustandes/ erleichtern/ und das fast hungrige Tractament würzen/ oder vielmehr der Hunger selbst die beste Würze der noch vorhandenen geringen Speisen seyn. Ein gewisser alter Scribent/ welcher damals/ um den Käiser gewest/ beglaubt/ die Lebens-Mittel wären im Schloß genau zusammen gangen/ daß an Mehl und Fleisch/ grosser Mangel eingrissen/ und ein altes Mütterlein dem jungen Käiserlichen Prinzen/ Maximilian/ in dem Frauen-Zimmer/ eine feuchte Gersten zu essen fürgesetzt: Welche ungewohnte Speise der Prinz sich be-
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Zitationshilfe: | Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/47>, abgerufen am 16.07.2024. |