Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Von der Sonnen.
auf einen Rohr-Stab/ ja gar auf einen Strohhalm. Denn er hat/ mit
etlichen alten Kirchenvättern/ von den Gegen-Füssern/ nichts gewusst/
noch wissen wollen; sondern der Welt-Rundung widersprochen. Solte
derhalben sein Spruch wahr werden/ und die Sonne still stehen; würden
unsre Gegenwohner schlechte Freude haben/ und mit steter Nacht bedeckt
bleiben.

Winterschild. Nach dem Copernicanischem Satze/ hätten sie
ihres Scheins sich eben so wol dennoch zu getrösten/ gleichwie wir. Denn/
nach demselben/ bleibt die Sonne/ als gleichsam die Seele der Welt/ und
derselben rechter Mittel-Punct/ in dem Centro der gantzen Welt/ unbe-
weglich; und laufft hingegen die Erdkugel jährlich um die Sonne.

Goldstern. Nach dem Motu translationis, oder Lauffe von einemWelcher
Gestalt die
Sonne dem
Copernico
beweg- und
unbeweg-
lich.
Ort zum andren/ ist sie zwar/ in deß Copernici Gedancken/ unbeweglich:
aber nicht destoweniger hält er sie doch auch/ auf gewisse Art/ für beweg-
lich; nemlich/ daß sie in 25. 26. oder 27. Tagen ungefähr/ sich/ um ihre
Achs/ oder Spindel/ herumwerffe.

Schönwald. Dieses kommt mir gantz unglaublich für/ und der
Natur zuwidern/ daß ein so gantz feuriger Körper/ an seiner Stelle/ be-
harren/ hingegen die Erde/ so gar schwerer Eigenschafft/ in der Lufft so
schnell herumfliegen solte.

Goldstern. Darum/ und aus vielen andren wigtigen Ursachen
mehr/ wird/ von den meisten heutigen Stern-Gelehrten (etliche hochbe-
rühmte ausgenommen) dieser Satz verworffen/ und die Erde/ in ihrer
Ruhe/ mit unbeweglichen Gründen/ fest gestellet. Wiewol indessen
nicht zu leugnen/ daß/ durch solchen Copernicanischen Satz/ die Stern-
Wissenschafft viel ordentlicher und leichter/ als durch den Gegensatz/ zu
begreiffen stehe.

Schönwald. Sonst aber hält demnach der Herr dafür/ daß die
Sonne würcklich fortlauffe?

Goldstern. Daran zweiffle ich im geringsten nicht. WelcherDaß die
Sonne
nicht unbe-
weglich sey.
Mensch würde doch den grausamen Gewalt aushalten/ so die also plötz-
lich/ von der durchfahrenden Erdkugel/ zerrissene Lufft ihm anthäte/ zumal
bey rauher Winter-Zeit/ da sie gar trüb und dick ist? Daß ich vieler an-
dren ungereimten Erfolgungen geschweige.

Adlerhaupt. Nach dem ungleichem und hupffendem Lauffe (mo-
tu subsultorio) möchte solcher Gewalt der Lufft zu fürchten seyn; aber
nicht nach dem motu aequali oder gleich-ebnem und stracks für sich strei-
chendem.

Goldstern. Mit dieser Distinction/ wird solcher Einwurff nicht

abge-
L l l l l ij

Von der Sonnen.
auf einen Rohr-Stab/ ja gar auf einen Strohhalm. Denn er hat/ mit
etlichen alten Kirchenvaͤttern/ von den Gegen-Fuͤſſern/ nichts gewuſſt/
noch wiſſen wollen; ſondern der Welt-Rundung widerſprochen. Solte
derhalben ſein Spruch wahr werden/ und die Sonne ſtill ſtehen; wuͤrden
unſre Gegenwohner ſchlechte Freude haben/ und mit ſteter Nacht bedeckt
bleiben.

Winterſchild. Nach dem Copernicaniſchem Satze/ haͤtten ſie
ihres Scheins ſich eben ſo wol dennoch zu getroͤſten/ gleichwie wir. Denn/
nach demſelben/ bleibt die Sonne/ als gleichſam die Seele der Welt/ und
derſelben rechter Mittel-Punct/ in dem Centro der gantzen Welt/ unbe-
weglich; und laufft hingegen die Erdkugel jaͤhrlich um die Sonne.

Goldſtern. Nach dem Motu translationis, oder Lauffe von einemWelcher
Geſtalt die
Sonne dem
Copernico
beweg- und
unbeweg-
lich.
Ort zum andren/ iſt ſie zwar/ in deß Copernici Gedancken/ unbeweglich:
aber nicht deſtoweniger haͤlt er ſie doch auch/ auf gewiſſe Art/ fuͤr beweg-
lich; nemlich/ daß ſie in 25. 26. oder 27. Tagen ungefaͤhr/ ſich/ um ihre
Achs/ oder Spindel/ herumwerffe.

Schoͤnwald. Dieſes kommt mir gantz unglaublich fuͤr/ und der
Natur zuwidern/ daß ein ſo gantz feuriger Koͤrper/ an ſeiner Stelle/ be-
harren/ hingegen die Erde/ ſo gar ſchwerer Eigenſchafft/ in der Lufft ſo
ſchnell herumfliegen ſolte.

Goldſtern. Darum/ und aus vielen andren wigtigen Urſachen
mehr/ wird/ von den meiſten heutigen Stern-Gelehrten (etliche hochbe-
ruͤhmte ausgenommen) dieſer Satz verworffen/ und die Erde/ in ihrer
Ruhe/ mit unbeweglichen Gruͤnden/ feſt geſtellet. Wiewol indeſſen
nicht zu leugnen/ daß/ durch ſolchen Copernicaniſchen Satz/ die Stern-
Wiſſenſchafft viel ordentlicher und leichter/ als durch den Gegenſatz/ zu
begreiffen ſtehe.

Schoͤnwald. Sonſt aber haͤlt demnach der Herꝛ dafuͤr/ daß die
Sonne wuͤrcklich fortlauffe?

Goldſtern. Daran zweiffle ich im geringſten nicht. WelcherDaß die
Sonne
nicht unbe-
weglich ſey.
Menſch wuͤrde doch den grauſamen Gewalt aushalten/ ſo die alſo ploͤtz-
lich/ von der durchfahrenden Erdkugel/ zerriſſene Lufft ihm anthaͤte/ zumal
bey rauher Winter-Zeit/ da ſie gar truͤb und dick iſt? Daß ich vieler an-
dren ungereimten Erfolgungen geſchweige.

Adlerhaupt. Nach dem ungleichem und hupffendem Lauffe (mo-
tu ſubſultorio) moͤchte ſolcher Gewalt der Lufft zu fuͤrchten ſeyn; aber
nicht nach dem motu æquali oder gleich-ebnem und ſtracks fuͤr ſich ſtrei-
chendem.

Goldſtern. Mit dieſer Diſtinction/ wird ſolcher Einwurff nicht

abge-
L l l l l ij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0869" n="819"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Sonnen.</hi></fw><lb/>
auf einen Rohr-Stab/ ja gar auf einen Strohhalm. Denn er hat/ mit<lb/>
etlichen alten Kirchenva&#x0364;ttern/ von den Gegen-Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern/ nichts gewu&#x017F;&#x017F;t/<lb/>
noch wi&#x017F;&#x017F;en wollen; &#x017F;ondern der Welt-Rundung wider&#x017F;prochen. Solte<lb/>
derhalben &#x017F;ein Spruch wahr werden/ und die Sonne &#x017F;till &#x017F;tehen; wu&#x0364;rden<lb/>
un&#x017F;re Gegenwohner &#x017F;chlechte Freude haben/ und mit &#x017F;teter Nacht bedeckt<lb/>
bleiben.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Winter&#x017F;child.</hi> Nach dem Copernicani&#x017F;chem Satze/ ha&#x0364;tten &#x017F;ie<lb/>
ihres Scheins &#x017F;ich eben &#x017F;o wol dennoch zu getro&#x0364;&#x017F;ten/ gleichwie wir. Denn/<lb/>
nach dem&#x017F;elben/ bleibt die Sonne/ als gleich&#x017F;am die Seele der Welt/ und<lb/>
der&#x017F;elben rechter Mittel-Punct/ in dem Centro der gantzen Welt/ unbe-<lb/>
weglich; und laufft hingegen die Erdkugel ja&#x0364;hrlich um die Sonne.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Gold&#x017F;tern.</hi> Nach dem <hi rendition="#aq">Motu translationis,</hi> oder Lauffe von einem<note place="right">Welcher<lb/>
Ge&#x017F;talt die<lb/>
Sonne dem<lb/>
Copernico<lb/>
beweg- und<lb/>
unbeweg-<lb/>
lich.</note><lb/>
Ort zum andren/ i&#x017F;t &#x017F;ie zwar/ in deß Copernici Gedancken/ unbeweglich:<lb/>
aber nicht de&#x017F;toweniger ha&#x0364;lt er &#x017F;ie doch auch/ auf gewi&#x017F;&#x017F;e Art/ fu&#x0364;r beweg-<lb/>
lich; nemlich/ daß &#x017F;ie in 25. 26. oder 27. Tagen ungefa&#x0364;hr/ &#x017F;ich/ um ihre<lb/>
Achs/ oder Spindel/ herumwerffe.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Scho&#x0364;nwald.</hi> Die&#x017F;es kommt mir gantz unglaublich fu&#x0364;r/ und der<lb/>
Natur zuwidern/ daß ein &#x017F;o gantz feuriger Ko&#x0364;rper/ an &#x017F;einer Stelle/ be-<lb/>
harren/ hingegen die Erde/ &#x017F;o gar &#x017F;chwerer Eigen&#x017F;chafft/ in der Lufft &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chnell herumfliegen &#x017F;olte.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Gold&#x017F;tern.</hi> Darum/ und aus vielen andren wigtigen Ur&#x017F;achen<lb/>
mehr/ wird/ von den mei&#x017F;ten heutigen Stern-Gelehrten (etliche hochbe-<lb/>
ru&#x0364;hmte ausgenommen) die&#x017F;er Satz verworffen/ und die Erde/ in ihrer<lb/>
Ruhe/ mit unbeweglichen Gru&#x0364;nden/ fe&#x017F;t ge&#x017F;tellet. Wiewol inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nicht zu leugnen/ daß/ durch &#x017F;olchen Copernicani&#x017F;chen Satz/ die Stern-<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft viel ordentlicher und leichter/ als durch den Gegen&#x017F;atz/ zu<lb/>
begreiffen &#x017F;tehe.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Scho&#x0364;nwald.</hi> Son&#x017F;t aber ha&#x0364;lt demnach der Her&#xA75B; dafu&#x0364;r/ daß die<lb/>
Sonne wu&#x0364;rcklich fortlauffe?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Gold&#x017F;tern.</hi> Daran zweiffle ich im gering&#x017F;ten nicht. Welcher<note place="right">Daß die<lb/>
Sonne<lb/>
nicht unbe-<lb/>
weglich &#x017F;ey.</note><lb/>
Men&#x017F;ch wu&#x0364;rde doch den grau&#x017F;amen Gewalt aushalten/ &#x017F;o die al&#x017F;o plo&#x0364;tz-<lb/>
lich/ von der durchfahrenden Erdkugel/ zerri&#x017F;&#x017F;ene Lufft ihm antha&#x0364;te/ zumal<lb/>
bey rauher Winter-Zeit/ da &#x017F;ie gar tru&#x0364;b und dick i&#x017F;t? Daß ich vieler an-<lb/>
dren ungereimten Erfolgungen ge&#x017F;chweige.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Adlerhaupt.</hi> Nach dem ungleichem und hupffendem Lauffe <hi rendition="#aq">(mo-<lb/>
tu &#x017F;ub&#x017F;ultorio)</hi> mo&#x0364;chte &#x017F;olcher Gewalt der Lufft zu fu&#x0364;rchten &#x017F;eyn; aber<lb/>
nicht nach dem <hi rendition="#aq">motu æquali</hi> oder gleich-ebnem und &#x017F;tracks fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;trei-<lb/>
chendem.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Gold&#x017F;tern.</hi> Mit die&#x017F;er Di&#x017F;tinction/ wird &#x017F;olcher Einwurff nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L l l l l ij</fw><fw place="bottom" type="catch">abge-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[819/0869] Von der Sonnen. auf einen Rohr-Stab/ ja gar auf einen Strohhalm. Denn er hat/ mit etlichen alten Kirchenvaͤttern/ von den Gegen-Fuͤſſern/ nichts gewuſſt/ noch wiſſen wollen; ſondern der Welt-Rundung widerſprochen. Solte derhalben ſein Spruch wahr werden/ und die Sonne ſtill ſtehen; wuͤrden unſre Gegenwohner ſchlechte Freude haben/ und mit ſteter Nacht bedeckt bleiben. Winterſchild. Nach dem Copernicaniſchem Satze/ haͤtten ſie ihres Scheins ſich eben ſo wol dennoch zu getroͤſten/ gleichwie wir. Denn/ nach demſelben/ bleibt die Sonne/ als gleichſam die Seele der Welt/ und derſelben rechter Mittel-Punct/ in dem Centro der gantzen Welt/ unbe- weglich; und laufft hingegen die Erdkugel jaͤhrlich um die Sonne. Goldſtern. Nach dem Motu translationis, oder Lauffe von einem Ort zum andren/ iſt ſie zwar/ in deß Copernici Gedancken/ unbeweglich: aber nicht deſtoweniger haͤlt er ſie doch auch/ auf gewiſſe Art/ fuͤr beweg- lich; nemlich/ daß ſie in 25. 26. oder 27. Tagen ungefaͤhr/ ſich/ um ihre Achs/ oder Spindel/ herumwerffe. Welcher Geſtalt die Sonne dem Copernico beweg- und unbeweg- lich. Schoͤnwald. Dieſes kommt mir gantz unglaublich fuͤr/ und der Natur zuwidern/ daß ein ſo gantz feuriger Koͤrper/ an ſeiner Stelle/ be- harren/ hingegen die Erde/ ſo gar ſchwerer Eigenſchafft/ in der Lufft ſo ſchnell herumfliegen ſolte. Goldſtern. Darum/ und aus vielen andren wigtigen Urſachen mehr/ wird/ von den meiſten heutigen Stern-Gelehrten (etliche hochbe- ruͤhmte ausgenommen) dieſer Satz verworffen/ und die Erde/ in ihrer Ruhe/ mit unbeweglichen Gruͤnden/ feſt geſtellet. Wiewol indeſſen nicht zu leugnen/ daß/ durch ſolchen Copernicaniſchen Satz/ die Stern- Wiſſenſchafft viel ordentlicher und leichter/ als durch den Gegenſatz/ zu begreiffen ſtehe. Schoͤnwald. Sonſt aber haͤlt demnach der Herꝛ dafuͤr/ daß die Sonne wuͤrcklich fortlauffe? Goldſtern. Daran zweiffle ich im geringſten nicht. Welcher Menſch wuͤrde doch den grauſamen Gewalt aushalten/ ſo die alſo ploͤtz- lich/ von der durchfahrenden Erdkugel/ zerriſſene Lufft ihm anthaͤte/ zumal bey rauher Winter-Zeit/ da ſie gar truͤb und dick iſt? Daß ich vieler an- dren ungereimten Erfolgungen geſchweige. Daß die Sonne nicht unbe- weglich ſey. Adlerhaupt. Nach dem ungleichem und hupffendem Lauffe (mo- tu ſubſultorio) moͤchte ſolcher Gewalt der Lufft zu fuͤrchten ſeyn; aber nicht nach dem motu æquali oder gleich-ebnem und ſtracks fuͤr ſich ſtrei- chendem. Goldſtern. Mit dieſer Diſtinction/ wird ſolcher Einwurff nicht abge- L l l l l ij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/869
Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 819. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/869>, abgerufen am 28.07.2024.