Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.Der drey und zwantzigste Discurs/ Goldstern. Die Geburt deß Menschen begreifft zwar auch wol inn
Der drey und zwantzigſte Discurs/ Goldſtern. Die Geburt deß Menſchen begreifft zwar auch wol inn
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f1630" n="1552"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der drey und zwantzigſte Discurs/</hi> </fw><lb/> <p><hi rendition="#fr">Goldſtern.</hi> Die Geburt deß Menſchen begreifft zwar auch wol<lb/> die gantze Zeit/ darinn er/ im Durchgange wuͤrcklich begriffen; hauptſaͤch-<lb/> lich aber diejenige/ darinn er voͤllig zur Welt kommt. Kein Kopff/ keine<lb/> Hand/ oder Fuß/ ſondern der gantze Menſch wird geboren. Und diejeni-<lb/> ge Zeit/ darinn er voͤllig zur Welt gelangt/ iſt eigentlich ſeine rechte Ge-<lb/> burts-Zeit. Sonſt erkuͤhne ich mich keiner voͤlligen Entſcheidung/ ob<lb/> ſolche Scheidung von Mutterleibe/ oder die Zeit der Empfaͤngniß hiebey<lb/> am meiſten zu betrachten ſey; als lange die Sternkuͤndiger ſich darum<lb/><note place="left">Daß auch<lb/> die Zeit der<lb/> Empfaͤng-<lb/> niß nicht<lb/> aus der acht<lb/> zu laſſen.</note>noch nicht recht vergleichen. Wiewol dennoch/ zu Beurtheilung der<lb/> Staͤrcke oder Schwachheiten der Natur/ etliche die Zeit der Empſaͤngniß<lb/> (aufs wenigſte den Tag derſelben) ſtarck in Betrachtung ziehen; nem-<lb/> lich/ ob nicht boͤſe Planeten/ in den Cardinal-Zeichen der Eltern/ oder deß<lb/> Gebornen ſelbſt/ oder deroſelben ſtarcke <hi rendition="#aq">Conſtellationes</hi> mit den <hi rendition="#aq">Lumi-<lb/> minaribus</hi> (oder groſſen Liechtern) vorhanden. Wozu/ vor andren/ der<lb/> ſelige Mathematicus/ Herꝛ <hi rendition="#fr">Abdias Treu/</hi> rathen will/ und dabey an-<lb/> deutet/ daß ihm/ an denen/ welche einen angebornen Gebrechen gehabt/<lb/> ſtumm/ lahm/ oder unſinnig geweſen/ faſt ſtaͤrckere Urſachen bey der Con-<lb/> ception-Zeit (nur bey nahe geſucht) fuͤrgekommen/ als eben bey der Ge-<lb/> burt: auch daß man die fuͤrnemſte Zeiten der Frucht-Veraͤnderung und<lb/> Bildung/ oder Bewegungen/ nebenſt denen alsdenn einfallenden Conſtel-<lb/> lationen/ erwege. Das Urtheil vom Temperament ſucht er auch fuͤr-<lb/> nemlich von dem Gange deß Monds: ob derſelbe im Ab- oder Zuneh-<lb/> men: in welchem Stuͤck er/ durch die Exempel/ ſich befugt achtet/ zu glau-<lb/> ben/ deſſen Gang thue faſt mehr bey der Empfaͤngniß/ als Geburt: Her-<lb/><note place="left">Beantwor-<lb/> tung obiger<lb/> Einwuͤrffe.</note>nach/ auf was fuͤr Planeten er gehe. Unterdeſſen kan man leichter der<lb/> obigen Frage begegnen/ ſo man die Geburts-Zeit allein dißfalls will an-<lb/> nehmen. Denn der Horoſcopus gehet keinen Theil allein/ ſondern den<lb/> gantzen Menſchen an; iſt alſo die Geburts-Stellung weder nach Arm/<lb/> noch Beinen; ſondern auf den gantzen Menſchen zu richten zumal weil<lb/> nicht dieſes oder jenes Glied/ ſondern der gantze menſchliche Leib die aſtra-<lb/> liſche ſubtile Geiſterlein/ vermittelſt der Lufft in ſich trinckt. Daß die<lb/> Zwillinge einander gleich oder ungleich ſehen/ ligt eben nicht am Geſtirn.<lb/> Denn man laͤſſt gerne zu/ daß darinnen die naͤhere Urſachen leicht einen<lb/> Unterſcheid machen koͤnnen. Wer begreiffen kan/ warum/ an einem eini-<lb/> gen Kinde/ etwas befindlich/ womit es dem Vatter/ und etwas/ womit es<lb/> ſeiner Mutter gleicht: der wird auch leicht errahten/ was unter Zwillin-<lb/> gen koͤnne einen Unterſcheid der Geſtalt verurſachen. Meinet aber Sal-<lb/> maſius eine Minut/ oder auch nur halbe Minut/ trage hiebey nichts aus?<lb/> Jch ſchaͤtze/ es koͤnne groſſen Unterſcheid machen; aber daß dennoch hier-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">inn</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [1552/1630]
Der drey und zwantzigſte Discurs/
Goldſtern. Die Geburt deß Menſchen begreifft zwar auch wol
die gantze Zeit/ darinn er/ im Durchgange wuͤrcklich begriffen; hauptſaͤch-
lich aber diejenige/ darinn er voͤllig zur Welt kommt. Kein Kopff/ keine
Hand/ oder Fuß/ ſondern der gantze Menſch wird geboren. Und diejeni-
ge Zeit/ darinn er voͤllig zur Welt gelangt/ iſt eigentlich ſeine rechte Ge-
burts-Zeit. Sonſt erkuͤhne ich mich keiner voͤlligen Entſcheidung/ ob
ſolche Scheidung von Mutterleibe/ oder die Zeit der Empfaͤngniß hiebey
am meiſten zu betrachten ſey; als lange die Sternkuͤndiger ſich darum
noch nicht recht vergleichen. Wiewol dennoch/ zu Beurtheilung der
Staͤrcke oder Schwachheiten der Natur/ etliche die Zeit der Empſaͤngniß
(aufs wenigſte den Tag derſelben) ſtarck in Betrachtung ziehen; nem-
lich/ ob nicht boͤſe Planeten/ in den Cardinal-Zeichen der Eltern/ oder deß
Gebornen ſelbſt/ oder deroſelben ſtarcke Conſtellationes mit den Lumi-
minaribus (oder groſſen Liechtern) vorhanden. Wozu/ vor andren/ der
ſelige Mathematicus/ Herꝛ Abdias Treu/ rathen will/ und dabey an-
deutet/ daß ihm/ an denen/ welche einen angebornen Gebrechen gehabt/
ſtumm/ lahm/ oder unſinnig geweſen/ faſt ſtaͤrckere Urſachen bey der Con-
ception-Zeit (nur bey nahe geſucht) fuͤrgekommen/ als eben bey der Ge-
burt: auch daß man die fuͤrnemſte Zeiten der Frucht-Veraͤnderung und
Bildung/ oder Bewegungen/ nebenſt denen alsdenn einfallenden Conſtel-
lationen/ erwege. Das Urtheil vom Temperament ſucht er auch fuͤr-
nemlich von dem Gange deß Monds: ob derſelbe im Ab- oder Zuneh-
men: in welchem Stuͤck er/ durch die Exempel/ ſich befugt achtet/ zu glau-
ben/ deſſen Gang thue faſt mehr bey der Empfaͤngniß/ als Geburt: Her-
nach/ auf was fuͤr Planeten er gehe. Unterdeſſen kan man leichter der
obigen Frage begegnen/ ſo man die Geburts-Zeit allein dißfalls will an-
nehmen. Denn der Horoſcopus gehet keinen Theil allein/ ſondern den
gantzen Menſchen an; iſt alſo die Geburts-Stellung weder nach Arm/
noch Beinen; ſondern auf den gantzen Menſchen zu richten zumal weil
nicht dieſes oder jenes Glied/ ſondern der gantze menſchliche Leib die aſtra-
liſche ſubtile Geiſterlein/ vermittelſt der Lufft in ſich trinckt. Daß die
Zwillinge einander gleich oder ungleich ſehen/ ligt eben nicht am Geſtirn.
Denn man laͤſſt gerne zu/ daß darinnen die naͤhere Urſachen leicht einen
Unterſcheid machen koͤnnen. Wer begreiffen kan/ warum/ an einem eini-
gen Kinde/ etwas befindlich/ womit es dem Vatter/ und etwas/ womit es
ſeiner Mutter gleicht: der wird auch leicht errahten/ was unter Zwillin-
gen koͤnne einen Unterſcheid der Geſtalt verurſachen. Meinet aber Sal-
maſius eine Minut/ oder auch nur halbe Minut/ trage hiebey nichts aus?
Jch ſchaͤtze/ es koͤnne groſſen Unterſcheid machen; aber daß dennoch hier-
inn
Daß auch
die Zeit der
Empfaͤng-
niß nicht
aus der acht
zu laſſen.
Beantwor-
tung obiger
Einwuͤrffe.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |