Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.Der drey und zwantzigste Discurs/ (*) In ex-crementi- tio.(*) alsdenn erleschet. Und muß mit der Weise/ nach solchem Mißbrauch und Verderbung der Natur/ auch wol eine untödtliche Kranckheit tödt- lich werden. Solcher Meinung/ soll man das Lebens-Ende oder Sterben eines solchen Menschen nichtnach dem schlechter Dings angezeigtem Ziel/ welches die Sterne gewiesen/ sondern bedungener Weise/ mit einem Abse- hen auf sein eigenes Verhalten/ verstehen. Denn fürtreffliche Stern- deuter könnens vorher anzeigen/ wenn sie besagtes Moment wissen/ er werde aufs ein und achtzigste Jahr kommen: aber/ mit Bedinge rechter Masse/ in Essen/ Trincken/ und ehelicher Beywohnung. Denn (schreibt der Author) dazu sind sie nicht bestellt/ daß sie deß Menschen hüten sollen/ und beobachten/ ob er darinn zuviel thue. Zudem kan es auch wol der Artzt übersehen/ und solche Mittel ordnen/ die den Patienten verderben. Daß aber solches gar wol geschehen könne/ daß deß Artztes Unfleiß oder Unverstand den Krancken früher zur Erden schickt/ als der Sternkündi- (a) 6. Epid. s. 8.ger geweissagt/ bekräfftiget Hippocrates selbst. (a) Lässt sich also die Kunst noch keiner Unwarheit bezüchtigen. Schönwald. Deß Menschen Leben aber stehet in der Hand deß Goldstern. Der solches bezweiffelt/ glaubt nicht recht an GOtt. Schönwald. Recht! die Natur ist seine Dienerinn/ und unter Wie es zu König/
Der drey und zwantzigſte Discurs/ (*) In ex-crementi- tio.(*) alsdenn erleſchet. Und muß mit der Weiſe/ nach ſolchem Mißbrauch und Verderbung der Natur/ auch wol eine untoͤdtliche Kranckheit toͤdt- lich werden. Solcher Meinung/ ſoll man das Lebens-Ende oder Sterben eines ſolchen Menſchen nichtnach dem ſchlechter Dings angezeigtem Ziel/ welches die Sterne gewieſen/ ſondern bedungener Weiſe/ mit einem Abſe- hen auf ſein eigenes Verhalten/ verſtehen. Denn fuͤrtreffliche Stern- deuter koͤnnens vorher anzeigen/ wenn ſie beſagtes Moment wiſſen/ er werde aufs ein und achtzigſte Jahr kommen: aber/ mit Bedinge rechter Maſſe/ in Eſſen/ Trincken/ und ehelicher Beywohnung. Denn (ſchreibt der Author) dazu ſind ſie nicht beſtellt/ daß ſie deß Menſchen huͤten ſollen/ und beobachten/ ob er darinn zuviel thue. Zudem kan es auch wol der Artzt uͤberſehen/ und ſolche Mittel ordnen/ die den Patienten verderben. Daß aber ſolches gar wol geſchehen koͤnne/ daß deß Artztes Unfleiß oder Unverſtand den Krancken fruͤher zur Erden ſchickt/ als der Sternkuͤndi- (a) 6. Epid. ſ. 8.ger geweiſſagt/ bekraͤfftiget Hippocrates ſelbſt. (a) Laͤſſt ſich alſo die Kunſt noch keiner Unwarheit bezuͤchtigen. Schoͤnwald. Deß Menſchen Leben aber ſtehet in der Hand deß Goldſtern. Der ſolches bezweiffelt/ glaubt nicht recht an GOtt. Schoͤnwald. Recht! die Natur iſt ſeine Dienerinn/ und unter Wie es zu Koͤnig/
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Der drey und zwantzigſte Discurs/
(*) alsdenn erleſchet. Und muß mit der Weiſe/ nach ſolchem Mißbrauch
und Verderbung der Natur/ auch wol eine untoͤdtliche Kranckheit toͤdt-
lich werden. Solcher Meinung/ ſoll man das Lebens-Ende oder Sterben
eines ſolchen Menſchen nichtnach dem ſchlechter Dings angezeigtem Ziel/
welches die Sterne gewieſen/ ſondern bedungener Weiſe/ mit einem Abſe-
hen auf ſein eigenes Verhalten/ verſtehen. Denn fuͤrtreffliche Stern-
deuter koͤnnens vorher anzeigen/ wenn ſie beſagtes Moment wiſſen/ er
werde aufs ein und achtzigſte Jahr kommen: aber/ mit Bedinge rechter
Maſſe/ in Eſſen/ Trincken/ und ehelicher Beywohnung. Denn (ſchreibt
der Author) dazu ſind ſie nicht beſtellt/ daß ſie deß Menſchen huͤten ſollen/
und beobachten/ ob er darinn zuviel thue. Zudem kan es auch wol der
Artzt uͤberſehen/ und ſolche Mittel ordnen/ die den Patienten verderben.
Daß aber ſolches gar wol geſchehen koͤnne/ daß deß Artztes Unfleiß oder
Unverſtand den Krancken fruͤher zur Erden ſchickt/ als der Sternkuͤndi-
ger geweiſſagt/ bekraͤfftiget Hippocrates ſelbſt. (a) Laͤſſt ſich alſo die Kunſt
noch keiner Unwarheit bezuͤchtigen.
(*) In ex-
crementi-
tio.
(a) 6. Epid.
ſ. 8.
Schoͤnwald. Deß Menſchen Leben aber ſtehet in der Hand deß
HErꝛn/ die alles aͤndern/ und alſo auch den Stern-Schluß aufheben
kan.
Goldſtern. Der ſolches bezweiffelt/ glaubt nicht recht an GOtt.
Gott kan den gantzen Lauff der Natur wenden/ auch wider denſelben uns
friſten. Die Sterne machen auch keinen Schluß/ ſondern manche Ver-
mutung.
Schoͤnwald. Recht! die Natur iſt ſeine Dienerinn/ und unter
ihrem Herꝛn. Das erfuhr der fromme Koͤnig Hiskias: deſſen Gebet den
Natur-Lauff zuruͤcktrieb/ und der Sonnen einen gewaltigen Ruͤcktritt
verurſachte. GOtt reiſſt aber/ noch heutiges Tages/ manchen/ dem der
Artzt allbereit auſſenbleibt/ dem Tode unter dem Streich hinweg; wendet
bisweilen deß Richters Hertz ploͤtzlich zur Gnade/ indem der Hencker den
Verurtheilten von der Leiter ſtoſſen will. Etliche/ die in Tod-aͤhnlicher
Ohnmacht gelegen/ ſeynd aus Graͤbern und Leich-Truhen wieder hervor-
gezogen. Wie mag der Nativitaͤt-Steller wiſſen/ ob nicht dieſer oder
jener ebenſowol die anſetzende Todes-Gefahr/ durch einen glaͤubigen
Seufftzer/ abtreiben/ und Erlaͤngerung ſeines Lebens erlangen werde?
Goldſtern. Das wird alles ausgeſetzt. Man redet hie/ von dem
Lauff der Natur/ und was derſelbe/ in der obern Welt/ gebe zu vermuten.
Der Natur nach/ war die Uhr dem Koͤnige Hiskia ausgelauffen; nicht
aber der Goͤttlichen Allmacht/ und ewigen Verſehung nach. Haͤtte Gott
den natuͤrlichen Urſachen ihren Lauff gelaſſen/ waͤre es damals/ um den
Koͤnig/
Wie es zu
verſtehen/
daß Hiskia
ſterben ſol-
len/ und
doch nicht
geſtorben.
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