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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der zwey und zwantzigste Discurs/
verwandelt werden. Weil dergleichen natürliche Neigungen/ ohne ge-
gebene würckliche Ursach/ nicht würcken/ auch hingegen sich/ durch freund-
liche Begegnung/ gesagter massen/ gar wol lassen rectificiren.

Sonst muß ich bekennen/ daß mit besagten Häusern/ so wol vormals/
als noch/ viel aberglaubisches Wesens hiebey getrieben; zumal mit den so
genannten Talismannen/ deren wir etliche mal Meldung gethan. Aber
was für ein Element hat ehedessen der Aberglaube nicht/ zur Abgötterey/
gebraucht? solten wir darum den rechten Nutzen und Gebrauch der Ele-
menten verleugnen?

Forell. Jch weiß mich wol zu erinnern/ daß/ bey diesem unserem
Discurse/ der Talismannen unterschiedlich gedacht worden/ doch allemal
nur mit wenigem/ und beyfälliger Weise: und als ich wünschete/ der Herr
möchte in dieser Materi etwas weiter heraus gehen; wies er mich zur Ge-
dult/ bis zuvor etliche andre Fragen ausgeführet/ und gnugsam erörtert
seyn möchten. Wenn denn nun/ wie ich vermeine/ solches allbereit ge-
schehen; und jetzt abermal die Talismannen geregt werden; verhoffe ich/
der Herr werde seiner Zusage nicht vergessen.

Goldstern. Nein/ mir ist unvergessen/ daß ich gesagt/ ich wolte
mich/ bey den Worten deß Herrn D. Wirdigis/ finden lassen/ darinn der-
selbe uns erklärte/ was eigentlich das rechte Fundament der Talismannen
wäre. Das muß ich denn nun einmal/ im Wercke/ erscheinen lassen.

Was Ta-
lisman heis-
se und be-
deute?
Anfangs müssen wir die Bedeutung dieses Worts Talisman an-
sehen. Dasselbe soll Arabisch/ aber von dem Hebroeischem Wort Tselem,
wie etliche wollen/ entsprossen seyn/ und ein Bild/ oder Malzeichen/ oder
etwas dergleichen/ bedeuten. Solche Bilder werden/ in Gestalt eines
Menschen/ oder Thiers/ auf Steine oder Metall entweder gegossen/ oder
gegraben/ zu solcher Zeit/ da gewisse Sterne in ihrer Erhöhung sind/ oder
die obere Planeten ihre Zusammenkunfft halten; von denen sie solche
Würckungs-Kräffte und Tugenden empfahen sollen/ die man nicht ohne
Verwundrung hört erzehlen.

Die Erfindung solcher Bild-Zeichen wird dem Zoroaster zugerechnet:
welches alsofort ein Nachdencken gibt/ daß sie mehrentheils auf einen
aberglaubischen Zweck gerichtet/ auch selten sonder aberglaubische Cere-
monien formiret worden. Denn sie wurden niemals verfertiget/ man
richtete denn eine Bild-Seule dabey auf/ oder eine gegrabene Figur und
Ebenbild: welches Bild der Künstler gegen dem Horoscopo deß Zei-
chens/ und gegen dem Eintritt deß Planetens in ein gewisses Zeichen hin-
zustellen oder zu stechen pflag. Wenn das Zeichen deß Scorpions horo-
scopirte/ stach er die Figur eines Scorpions darauf/ wider die Scorpion-

Stiche.

Der zwey und zwantzigſte Diſcurs/
verwandelt werden. Weil dergleichen natuͤrliche Neigungen/ ohne ge-
gebene wuͤrckliche Urſach/ nicht wuͤrcken/ auch hingegen ſich/ durch freund-
liche Begegnung/ geſagter maſſen/ gar wol laſſen rectificiren.

Sonſt muß ich bekennen/ daß mit beſagten Haͤuſern/ ſo wol vormals/
als noch/ viel aberglaubiſches Weſens hiebey getrieben; zumal mit den ſo
genannten Taliſmannen/ deren wir etliche mal Meldung gethan. Aber
was fuͤr ein Element hat ehedeſſen der Aberglaube nicht/ zur Abgoͤtterey/
gebraucht? ſolten wir darum den rechten Nutzen und Gebrauch der Ele-
menten verleugnen?

Forell. Jch weiß mich wol zu erinnern/ daß/ bey dieſem unſerem
Diſcurſe/ der Taliſmannen unterſchiedlich gedacht worden/ doch allemal
nur mit wenigem/ und beyfaͤlliger Weiſe: und als ich wuͤnſchete/ der Herꝛ
moͤchte in dieſer Materi etwas weiter heraus gehen; wies er mich zur Ge-
dult/ bis zuvor etliche andre Fragen ausgefuͤhret/ und gnugſam eroͤrtert
ſeyn moͤchten. Wenn denn nun/ wie ich vermeine/ ſolches allbereit ge-
ſchehen; und jetzt abermal die Taliſmannen geregt werden; verhoffe ich/
der Herꝛ werde ſeiner Zuſage nicht vergeſſen.

Goldſtern. Nein/ mir iſt unvergeſſen/ daß ich geſagt/ ich wolte
mich/ bey den Worten deß Herꝛn D. Wirdigis/ finden laſſen/ darinn der-
ſelbe uns erklaͤrte/ was eigentlich das rechte Fundament der Taliſmannen
waͤre. Das muß ich denn nun einmal/ im Wercke/ erſcheinen laſſen.

Was Ta-
liſman heiſ-
ſe und be-
deute?
Anfangs muͤſſen wir die Bedeutung dieſes Worts Taliſman an-
ſehen. Daſſelbe ſoll Arabiſch/ aber von dem Hebrœiſchem Wort Tſelem,
wie etliche wollen/ entſproſſen ſeyn/ und ein Bild/ oder Malzeichen/ oder
etwas dergleichen/ bedeuten. Solche Bilder werden/ in Geſtalt eines
Menſchen/ oder Thiers/ auf Steine oder Metall entweder gegoſſen/ oder
gegraben/ zu ſolcher Zeit/ da gewiſſe Sterne in ihrer Erhoͤhung ſind/ oder
die obere Planeten ihre Zuſammenkunfft halten; von denen ſie ſolche
Wuͤrckungs-Kraͤffte und Tugenden empfahen ſollen/ die man nicht ohne
Verwundrung hoͤrt erzehlen.

Die Erfindung ſolcher Bild-Zeichen wird dem Zoroaſter zugerechnet:
welches alſofort ein Nachdencken gibt/ daß ſie mehrentheils auf einen
aberglaubiſchen Zweck gerichtet/ auch ſelten ſonder aberglaubiſche Cere-
monien formiret worden. Denn ſie wurden niemals verfertiget/ man
richtete denn eine Bild-Seule dabey auf/ oder eine gegrabene Figur und
Ebenbild: welches Bild der Kuͤnſtler gegen dem Horoſcopo deß Zei-
chens/ und gegen dem Eintritt deß Planetens in ein gewiſſes Zeichen hin-
zuſtellen oder zu ſtechen pflag. Wenn das Zeichen deß Scorpions horo-
ſcopirte/ ſtach er die Figur eines Scorpions darauf/ wider die Scorpion-

Stiche.
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[1414/1492] Der zwey und zwantzigſte Diſcurs/ verwandelt werden. Weil dergleichen natuͤrliche Neigungen/ ohne ge- gebene wuͤrckliche Urſach/ nicht wuͤrcken/ auch hingegen ſich/ durch freund- liche Begegnung/ geſagter maſſen/ gar wol laſſen rectificiren. Sonſt muß ich bekennen/ daß mit beſagten Haͤuſern/ ſo wol vormals/ als noch/ viel aberglaubiſches Weſens hiebey getrieben; zumal mit den ſo genannten Taliſmannen/ deren wir etliche mal Meldung gethan. Aber was fuͤr ein Element hat ehedeſſen der Aberglaube nicht/ zur Abgoͤtterey/ gebraucht? ſolten wir darum den rechten Nutzen und Gebrauch der Ele- menten verleugnen? Forell. Jch weiß mich wol zu erinnern/ daß/ bey dieſem unſerem Diſcurſe/ der Taliſmannen unterſchiedlich gedacht worden/ doch allemal nur mit wenigem/ und beyfaͤlliger Weiſe: und als ich wuͤnſchete/ der Herꝛ moͤchte in dieſer Materi etwas weiter heraus gehen; wies er mich zur Ge- dult/ bis zuvor etliche andre Fragen ausgefuͤhret/ und gnugſam eroͤrtert ſeyn moͤchten. Wenn denn nun/ wie ich vermeine/ ſolches allbereit ge- ſchehen; und jetzt abermal die Taliſmannen geregt werden; verhoffe ich/ der Herꝛ werde ſeiner Zuſage nicht vergeſſen. Goldſtern. Nein/ mir iſt unvergeſſen/ daß ich geſagt/ ich wolte mich/ bey den Worten deß Herꝛn D. Wirdigis/ finden laſſen/ darinn der- ſelbe uns erklaͤrte/ was eigentlich das rechte Fundament der Taliſmannen waͤre. Das muß ich denn nun einmal/ im Wercke/ erſcheinen laſſen. Anfangs muͤſſen wir die Bedeutung dieſes Worts Taliſman an- ſehen. Daſſelbe ſoll Arabiſch/ aber von dem Hebrœiſchem Wort Tſelem, wie etliche wollen/ entſproſſen ſeyn/ und ein Bild/ oder Malzeichen/ oder etwas dergleichen/ bedeuten. Solche Bilder werden/ in Geſtalt eines Menſchen/ oder Thiers/ auf Steine oder Metall entweder gegoſſen/ oder gegraben/ zu ſolcher Zeit/ da gewiſſe Sterne in ihrer Erhoͤhung ſind/ oder die obere Planeten ihre Zuſammenkunfft halten; von denen ſie ſolche Wuͤrckungs-Kraͤffte und Tugenden empfahen ſollen/ die man nicht ohne Verwundrung hoͤrt erzehlen. Was Ta- liſman heiſ- ſe und be- deute? Die Erfindung ſolcher Bild-Zeichen wird dem Zoroaſter zugerechnet: welches alſofort ein Nachdencken gibt/ daß ſie mehrentheils auf einen aberglaubiſchen Zweck gerichtet/ auch ſelten ſonder aberglaubiſche Cere- monien formiret worden. Denn ſie wurden niemals verfertiget/ man richtete denn eine Bild-Seule dabey auf/ oder eine gegrabene Figur und Ebenbild: welches Bild der Kuͤnſtler gegen dem Horoſcopo deß Zei- chens/ und gegen dem Eintritt deß Planetens in ein gewiſſes Zeichen hin- zuſtellen oder zu ſtechen pflag. Wenn das Zeichen deß Scorpions horo- ſcopirte/ ſtach er die Figur eines Scorpions darauf/ wider die Scorpion- Stiche.

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 1414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/1492>, abgerufen am 23.12.2024.