bunte Muscheln, und was die alte Welt des also Schönen besaß, daß die heutige nicht mehr sich dran zu freuen würdig ist, das überzogen die Fluthen mit ihren heimlichen Silberschleiern, und unten prangen nun die edlen Denkmale, hoch und ernst, und anmuthig bethaut vom lie- benden Gewässer, das aus ihnen schöne Moos- blumen und kränzende Schilfbüschel hervorlockt. Die aber dorten wohnen, sind gar hold und lieblich anzuschauen, meist schöner, als die Men- schen sind. Manch einem Fischer ward es schon so gut, ein zartes Wasserweib zu belauschen, wie sie über die Fluthen hervorstieg und sang. Der erzählte dann von ihrer Schöne weiter, und sol- che wundersame Frauen werden von den Men- schen Undinen genannt. Du aber siehst jetzt wirklich eine Undine, lieber Freund.
Der Ritter wollte sich einreden, seiner schö- nen Frau sei irgend eine ihrer seltsamen Lau- nen wach geworden, und sie finde ihre Lust da- ran, ihn mit bunt erdachten Geschichten zu nek- ken. Aber so sehr er sich dies auch vorsagte,
bunte Muſcheln, und was die alte Welt des alſo Schoͤnen beſaß, daß die heutige nicht mehr ſich dran zu freuen wuͤrdig iſt, das uͤberzogen die Fluthen mit ihren heimlichen Silberſchleiern, und unten prangen nun die edlen Denkmale, hoch und ernſt, und anmuthig bethaut vom lie- benden Gewaͤſſer, das aus ihnen ſchoͤne Moos- blumen und kraͤnzende Schilfbuͤſchel hervorlockt. Die aber dorten wohnen, ſind gar hold und lieblich anzuſchauen, meiſt ſchoͤner, als die Men- ſchen ſind. Manch einem Fiſcher ward es ſchon ſo gut, ein zartes Waſſerweib zu belauſchen, wie ſie uͤber die Fluthen hervorſtieg und ſang. Der erzaͤhlte dann von ihrer Schoͤne weiter, und ſol- che wunderſame Frauen werden von den Men- ſchen Undinen genannt. Du aber ſiehſt jetzt wirklich eine Undine, lieber Freund.
Der Ritter wollte ſich einreden, ſeiner ſchoͤ- nen Frau ſei irgend eine ihrer ſeltſamen Lau- nen wach geworden, und ſie finde ihre Luſt da- ran, ihn mit bunt erdachten Geſchichten zu nek- ken. Aber ſo ſehr er ſich dies auch vorſagte,
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bunte Muſcheln, und was die alte Welt des
alſo Schoͤnen beſaß, daß die heutige nicht mehr
ſich dran zu freuen wuͤrdig iſt, das uͤberzogen
die Fluthen mit ihren heimlichen Silberſchleiern,
und unten prangen nun die edlen Denkmale,
hoch und ernſt, und anmuthig bethaut vom lie-
benden Gewaͤſſer, das aus ihnen ſchoͤne Moos-
blumen und kraͤnzende Schilfbuͤſchel hervorlockt.
Die aber dorten wohnen, ſind gar hold und
lieblich anzuſchauen, meiſt ſchoͤner, als die Men-
ſchen ſind. Manch einem Fiſcher ward es ſchon
ſo gut, ein zartes Waſſerweib zu belauſchen, wie
ſie uͤber die Fluthen hervorſtieg und ſang. Der
erzaͤhlte dann von ihrer Schoͤne weiter, und ſol-
che wunderſame Frauen werden von den Men-
ſchen Undinen genannt. Du aber ſiehſt jetzt
wirklich eine Undine, lieber Freund.
Der Ritter wollte ſich einreden, ſeiner ſchoͤ-
nen Frau ſei irgend eine ihrer ſeltſamen Lau-
nen wach geworden, und ſie finde ihre Luſt da-
ran, ihn mit bunt erdachten Geſchichten zu nek-
ken. Aber ſo ſehr er ſich dies auch vorſagte,
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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/98>, abgerufen am 16.02.2025.
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