ihm ruhte. Dann drückte er einen leichten Kuß auf die rosigen Lippen, und schlief wieder ein, um von neuen Schrecken erweckt zu werden. Nachdem er sich nun alles dieses recht im vollen Wachen überlegt hatte, schalt er sich selbst über jedweden Zweifel aus, der ihn an seiner schönen Frau hatte irre machen können. Er bat ihr auch sein Unrecht mit klaren Worten ab, sie aber reichte ihm nur die schöne Hand, seufzte aus tiefem Herzen, und blieb still. Aber ein unendlich inniger Blick aus ihren Augen, wie er ihn noch nie gesehn hatte, ließ ihm keinen Zweifel, daß Undine von keinem Unwillen ge- gen ihn wisse. Er stand dann heiter auf, und ging zu den Hausgenossen in das gemeinsame Zimmer vor. Die Dreie saßen mit besorglichen Mienen um den Heerd, ohne daß sich Einer getraut hätte, seine Worte laut werden zu la- ßen. Es sahe aus, als bete der Priester in seinem Innern um Abwendung alles Uebels. Da man nun aber den jungen Ehemann so ver- gnügt hervorgehn sah, glätteten sich auch die
ihm ruhte. Dann druͤckte er einen leichten Kuß auf die roſigen Lippen, und ſchlief wieder ein, um von neuen Schrecken erweckt zu werden. Nachdem er ſich nun alles dieſes recht im vollen Wachen uͤberlegt hatte, ſchalt er ſich ſelbſt uͤber jedweden Zweifel aus, der ihn an ſeiner ſchoͤnen Frau hatte irre machen koͤnnen. Er bat ihr auch ſein Unrecht mit klaren Worten ab, ſie aber reichte ihm nur die ſchoͤne Hand, ſeufzte aus tiefem Herzen, und blieb ſtill. Aber ein unendlich inniger Blick aus ihren Augen, wie er ihn noch nie geſehn hatte, ließ ihm keinen Zweifel, daß Undine von keinem Unwillen ge- gen ihn wiſſe. Er ſtand dann heiter auf, und ging zu den Hausgenoſſen in das gemeinſame Zimmer vor. Die Dreie ſaßen mit beſorglichen Mienen um den Heerd, ohne daß ſich Einer getraut haͤtte, ſeine Worte laut werden zu la- ßen. Es ſahe aus, als bete der Prieſter in ſeinem Innern um Abwendung alles Uebels. Da man nun aber den jungen Ehemann ſo ver- gnuͤgt hervorgehn ſah, glaͤtteten ſich auch die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0092"n="78"/>
ihm ruhte. Dann druͤckte er einen leichten Kuß<lb/>
auf die roſigen Lippen, und ſchlief wieder ein,<lb/>
um von neuen Schrecken erweckt zu werden.<lb/>
Nachdem er ſich nun alles dieſes recht im vollen<lb/>
Wachen uͤberlegt hatte, ſchalt er ſich ſelbſt uͤber<lb/>
jedweden Zweifel aus, der ihn an ſeiner ſchoͤnen<lb/>
Frau hatte irre machen koͤnnen. Er bat ihr<lb/>
auch ſein Unrecht mit klaren Worten ab, ſie<lb/>
aber reichte ihm nur die ſchoͤne Hand, ſeufzte<lb/>
aus tiefem Herzen, und blieb ſtill. Aber ein<lb/>
unendlich inniger Blick aus ihren Augen, wie<lb/>
er ihn noch nie geſehn hatte, ließ ihm keinen<lb/>
Zweifel, daß Undine von keinem Unwillen ge-<lb/>
gen ihn wiſſe. Er ſtand dann heiter auf, und<lb/>
ging zu den Hausgenoſſen in das gemeinſame<lb/>
Zimmer vor. Die Dreie ſaßen mit beſorglichen<lb/>
Mienen um den Heerd, ohne daß ſich Einer<lb/>
getraut haͤtte, ſeine Worte laut werden zu la-<lb/>
ßen. Es ſahe aus, als bete der Prieſter in<lb/>ſeinem Innern um Abwendung alles Uebels.<lb/>
Da man nun aber den jungen Ehemann ſo ver-<lb/>
gnuͤgt hervorgehn ſah, glaͤtteten ſich auch die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[78/0092]
ihm ruhte. Dann druͤckte er einen leichten Kuß
auf die roſigen Lippen, und ſchlief wieder ein,
um von neuen Schrecken erweckt zu werden.
Nachdem er ſich nun alles dieſes recht im vollen
Wachen uͤberlegt hatte, ſchalt er ſich ſelbſt uͤber
jedweden Zweifel aus, der ihn an ſeiner ſchoͤnen
Frau hatte irre machen koͤnnen. Er bat ihr
auch ſein Unrecht mit klaren Worten ab, ſie
aber reichte ihm nur die ſchoͤne Hand, ſeufzte
aus tiefem Herzen, und blieb ſtill. Aber ein
unendlich inniger Blick aus ihren Augen, wie
er ihn noch nie geſehn hatte, ließ ihm keinen
Zweifel, daß Undine von keinem Unwillen ge-
gen ihn wiſſe. Er ſtand dann heiter auf, und
ging zu den Hausgenoſſen in das gemeinſame
Zimmer vor. Die Dreie ſaßen mit beſorglichen
Mienen um den Heerd, ohne daß ſich Einer
getraut haͤtte, ſeine Worte laut werden zu la-
ßen. Es ſahe aus, als bete der Prieſter in
ſeinem Innern um Abwendung alles Uebels.
Da man nun aber den jungen Ehemann ſo ver-
gnuͤgt hervorgehn ſah, glaͤtteten ſich auch die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/92>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.