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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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Antlitz wehmüthig von dem Mädchen ab. Sie
aber ging schmeichelnd auf ihn zu, und sagte:
nein, hört doch erst ordentlich, eh' Ihr böse aus-
seht, denn Euer Böseaussehn thut mir weh und
Ihr müßt doch keiner Creatur weh thun, die
Euch ihrer Seits nichts zu Leide gethan hat.
Zeigt Euch nur duldsam gegen mich, und ich
will's Euch ordentlich sagen, wie ich's meine.

Man sah, sie stellte sich in Bereitschaft, et-
was recht ausführliches zu erzählen, aber plötz-
lich stockte sie, wie von einem innern Schauer
ergriffen, und brach in einen reichen Strom
der wehmüthigsten Thränen aus. Sie wußten
Alle nicht mehr, was sie recht aus ihr machen
sollten, und starrten sie in unterschiedlichen Be-
sorgnissen schweigend an. Da sagte sie endlich,
sich ihre Thränen abtrocknend, und den Priester
ernsthaft ansehend: es muß etwas Liebes, aber
auch etwas höchst Furchtbares, um eine Seele
sein. Um Gott, mein frommer Mann, wär'
es nicht besser, man würde ihrer nie theilhaf-
tig? -- Sie schwieg wieder still, wie auf Ant-

Antlitz wehmuͤthig von dem Maͤdchen ab. Sie
aber ging ſchmeichelnd auf ihn zu, und ſagte:
nein, hoͤrt doch erſt ordentlich, eh’ Ihr boͤſe aus-
ſeht, denn Euer Boͤſeausſehn thut mir weh und
Ihr muͤßt doch keiner Creatur weh thun, die
Euch ihrer Seits nichts zu Leide gethan hat.
Zeigt Euch nur duldſam gegen mich, und ich
will’s Euch ordentlich ſagen, wie ich’s meine.

Man ſah, ſie ſtellte ſich in Bereitſchaft, et-
was recht ausfuͤhrliches zu erzaͤhlen, aber ploͤtz-
lich ſtockte ſie, wie von einem innern Schauer
ergriffen, und brach in einen reichen Strom
der wehmuͤthigſten Thraͤnen aus. Sie wußten
Alle nicht mehr, was ſie recht aus ihr machen
ſollten, und ſtarrten ſie in unterſchiedlichen Be-
ſorgniſſen ſchweigend an. Da ſagte ſie endlich,
ſich ihre Thraͤnen abtrocknend, und den Prieſter
ernſthaft anſehend: es muß etwas Liebes, aber
auch etwas hoͤchſt Furchtbares, um eine Seele
ſein. Um Gott, mein frommer Mann, waͤr’
es nicht beſſer, man wuͤrde ihrer nie theilhaf-
tig? — Sie ſchwieg wieder ſtill, wie auf Ant-

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[73/0087] Antlitz wehmuͤthig von dem Maͤdchen ab. Sie aber ging ſchmeichelnd auf ihn zu, und ſagte: nein, hoͤrt doch erſt ordentlich, eh’ Ihr boͤſe aus- ſeht, denn Euer Boͤſeausſehn thut mir weh und Ihr muͤßt doch keiner Creatur weh thun, die Euch ihrer Seits nichts zu Leide gethan hat. Zeigt Euch nur duldſam gegen mich, und ich will’s Euch ordentlich ſagen, wie ich’s meine. Man ſah, ſie ſtellte ſich in Bereitſchaft, et- was recht ausfuͤhrliches zu erzaͤhlen, aber ploͤtz- lich ſtockte ſie, wie von einem innern Schauer ergriffen, und brach in einen reichen Strom der wehmuͤthigſten Thraͤnen aus. Sie wußten Alle nicht mehr, was ſie recht aus ihr machen ſollten, und ſtarrten ſie in unterſchiedlichen Be- ſorgniſſen ſchweigend an. Da ſagte ſie endlich, ſich ihre Thraͤnen abtrocknend, und den Prieſter ernſthaft anſehend: es muß etwas Liebes, aber auch etwas hoͤchſt Furchtbares, um eine Seele ſein. Um Gott, mein frommer Mann, waͤr’ es nicht beſſer, man wuͤrde ihrer nie theilhaf- tig? — Sie ſchwieg wieder ſtill, wie auf Ant-

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/87>, abgerufen am 24.11.2024.