Räuspern und keine tadelnde Rede. So oft die Braut ihres Lieblings Unzufriedenheit merk- te, -- und das geschah einigemal, -- ward sie freilich stiller, setzte sich neben ihn, streichelte ihn, flüsterte ihm lächelnd etwas in das Ohr, und glättete so die aufsteigenden Falten seiner Stirn. Aber gleich darauf riß sie irgend ein toller Ein- fall wieder in das gaukelnde Treiben hinein, und es ging nur ärger, als zuvor. Da sagte der Priester sehr ernsthaft und sehr freundlich: mein anmuthiges junges Mägdlein, man kann Euch zwar nicht ohne Ergötzen ansehn, aber denkt darauf, Eure Seele beizeiten so zu stim- men, daß sie immer die Harmonie zu der Seele Eures angetrauten Bräutigams anklingen las- se. -- Seele! lachte ihn Undine an; das klingt recht hübsch, und mag auch für die mehrsten Leute eine gar erbauliche und nutzreiche Regel sein. Aber wenn nun Eins gar keine Seele hat, bitt' Euch, was soll es denn da stimmen? Und so geht es mir. -- Der Priester schwieg tiefverletzt, im frommen Zürnen, und kehrte sein
Raͤuspern und keine tadelnde Rede. So oft die Braut ihres Lieblings Unzufriedenheit merk- te, — und das geſchah einigemal, — ward ſie freilich ſtiller, ſetzte ſich neben ihn, ſtreichelte ihn, fluͤſterte ihm laͤchelnd etwas in das Ohr, und glaͤttete ſo die aufſteigenden Falten ſeiner Stirn. Aber gleich darauf riß ſie irgend ein toller Ein- fall wieder in das gaukelnde Treiben hinein, und es ging nur aͤrger, als zuvor. Da ſagte der Prieſter ſehr ernſthaft und ſehr freundlich: mein anmuthiges junges Maͤgdlein, man kann Euch zwar nicht ohne Ergoͤtzen anſehn, aber denkt darauf, Eure Seele beizeiten ſo zu ſtim- men, daß ſie immer die Harmonie zu der Seele Eures angetrauten Braͤutigams anklingen laſ- ſe. — Seele! lachte ihn Undine an; das klingt recht huͤbſch, und mag auch fuͤr die mehrſten Leute eine gar erbauliche und nutzreiche Regel ſein. Aber wenn nun Eins gar keine Seele hat, bitt’ Euch, was ſoll es denn da ſtimmen? Und ſo geht es mir. — Der Prieſter ſchwieg tiefverletzt, im frommen Zuͤrnen, und kehrte ſein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0086"n="72"/>
Raͤuspern und keine tadelnde Rede. So oft<lb/>
die Braut ihres Lieblings Unzufriedenheit merk-<lb/>
te, — und das geſchah einigemal, — ward ſie<lb/>
freilich ſtiller, ſetzte ſich neben ihn, ſtreichelte ihn,<lb/>
fluͤſterte ihm laͤchelnd etwas in das Ohr, und<lb/>
glaͤttete ſo die aufſteigenden Falten ſeiner Stirn.<lb/>
Aber gleich darauf riß ſie irgend ein toller Ein-<lb/>
fall wieder in das gaukelnde Treiben hinein,<lb/>
und es ging nur aͤrger, als zuvor. Da ſagte<lb/>
der Prieſter ſehr ernſthaft und ſehr freundlich:<lb/>
mein anmuthiges junges Maͤgdlein, man kann<lb/>
Euch zwar nicht ohne Ergoͤtzen anſehn, aber<lb/>
denkt darauf, Eure Seele beizeiten ſo zu ſtim-<lb/>
men, daß ſie immer die Harmonie zu der Seele<lb/>
Eures angetrauten Braͤutigams anklingen laſ-<lb/>ſe. — Seele! lachte ihn Undine an; das klingt<lb/>
recht huͤbſch, und mag auch fuͤr die mehrſten<lb/>
Leute eine gar erbauliche und nutzreiche Regel<lb/>ſein. Aber wenn nun Eins gar keine Seele<lb/>
hat, bitt’ Euch, was ſoll es denn da ſtimmen?<lb/>
Und ſo geht es mir. — Der Prieſter ſchwieg<lb/>
tiefverletzt, im frommen Zuͤrnen, und kehrte ſein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[72/0086]
Raͤuspern und keine tadelnde Rede. So oft
die Braut ihres Lieblings Unzufriedenheit merk-
te, — und das geſchah einigemal, — ward ſie
freilich ſtiller, ſetzte ſich neben ihn, ſtreichelte ihn,
fluͤſterte ihm laͤchelnd etwas in das Ohr, und
glaͤttete ſo die aufſteigenden Falten ſeiner Stirn.
Aber gleich darauf riß ſie irgend ein toller Ein-
fall wieder in das gaukelnde Treiben hinein,
und es ging nur aͤrger, als zuvor. Da ſagte
der Prieſter ſehr ernſthaft und ſehr freundlich:
mein anmuthiges junges Maͤgdlein, man kann
Euch zwar nicht ohne Ergoͤtzen anſehn, aber
denkt darauf, Eure Seele beizeiten ſo zu ſtim-
men, daß ſie immer die Harmonie zu der Seele
Eures angetrauten Braͤutigams anklingen laſ-
ſe. — Seele! lachte ihn Undine an; das klingt
recht huͤbſch, und mag auch fuͤr die mehrſten
Leute eine gar erbauliche und nutzreiche Regel
ſein. Aber wenn nun Eins gar keine Seele
hat, bitt’ Euch, was ſoll es denn da ſtimmen?
Und ſo geht es mir. — Der Prieſter ſchwieg
tiefverletzt, im frommen Zuͤrnen, und kehrte ſein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/86>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.