Dinge, daß unser Eins nicht weiß, ob sie am Ende nicht gar vom Monde herunter gekommen sein könnte. Da ist die Rede von goldnen Schlös- sern, von kristallnen Dächern, und Gott weiß, wovon noch mehr. Was sie am deutlichsten er- zählte, war, sie sei mit ihrer Mutter auf dem großen See spatzieren gefahren, aus der Barke in's Wasser gefallen, und habe ihre Sinne erst hier unter den Bäumen wiedergefunden, wo ihr an dem lustigen Ufer recht behaglich zu Muthe geworden sei.
Nun hatten wir noch eine große Bedenk- lichkeit und Sorge auf dem Herzen. Daß wir an der lieben Ertrunknen Stelle die Gefundne behalten und auferziehn wollten, war freilich sehr bald ausgemacht; aber wer konnte nun wis- sen, ob das Kind getauft sei, oder nicht? Sie selber wußte darüber keine Auskunft zu geben. Daß sie eine Kreatur sei, zu Gottes Preis und Freude geschaffen, wisse sie wohl, antwortete sie uns mehrentheils, und was zu Gottes Preis und Freude gereiche, seie sie auch bereit, mit sich
Dinge, daß unſer Eins nicht weiß, ob ſie am Ende nicht gar vom Monde herunter gekommen ſein koͤnnte. Da iſt die Rede von goldnen Schloͤſ- ſern, von kriſtallnen Daͤchern, und Gott weiß, wovon noch mehr. Was ſie am deutlichſten er- zaͤhlte, war, ſie ſei mit ihrer Mutter auf dem großen See ſpatzieren gefahren, aus der Barke in’s Waſſer gefallen, und habe ihre Sinne erſt hier unter den Baͤumen wiedergefunden, wo ihr an dem luſtigen Ufer recht behaglich zu Muthe geworden ſei.
Nun hatten wir noch eine große Bedenk- lichkeit und Sorge auf dem Herzen. Daß wir an der lieben Ertrunknen Stelle die Gefundne behalten und auferziehn wollten, war freilich ſehr bald ausgemacht; aber wer konnte nun wiſ- ſen, ob das Kind getauft ſei, oder nicht? Sie ſelber wußte daruͤber keine Auskunft zu geben. Daß ſie eine Kreatur ſei, zu Gottes Preis und Freude geſchaffen, wiſſe ſie wohl, antwortete ſie uns mehrentheils, und was zu Gottes Preis und Freude gereiche, ſeie ſie auch bereit, mit ſich
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Dinge, daß unſer Eins nicht weiß, ob ſie am
Ende nicht gar vom Monde herunter gekommen
ſein koͤnnte. Da iſt die Rede von goldnen Schloͤſ-
ſern, von kriſtallnen Daͤchern, und Gott weiß,
wovon noch mehr. Was ſie am deutlichſten er-
zaͤhlte, war, ſie ſei mit ihrer Mutter auf dem
großen See ſpatzieren gefahren, aus der Barke
in’s Waſſer gefallen, und habe ihre Sinne erſt
hier unter den Baͤumen wiedergefunden, wo ihr
an dem luſtigen Ufer recht behaglich zu Muthe
geworden ſei.
Nun hatten wir noch eine große Bedenk-
lichkeit und Sorge auf dem Herzen. Daß wir
an der lieben Ertrunknen Stelle die Gefundne
behalten und auferziehn wollten, war freilich
ſehr bald ausgemacht; aber wer konnte nun wiſ-
ſen, ob das Kind getauft ſei, oder nicht? Sie
ſelber wußte daruͤber keine Auskunft zu geben.
Daß ſie eine Kreatur ſei, zu Gottes Preis und
Freude geſchaffen, wiſſe ſie wohl, antwortete ſie
uns mehrentheils, und was zu Gottes Preis
und Freude gereiche, ſeie ſie auch bereit, mit ſich
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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/38>, abgerufen am 16.07.2024.
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