liegt vor uns ein breiter See, und mit sinken- dem Abende in den wunderlichen Wald zurück zu reiten, davor bewahre mich der liebe Gott! -- Wir wollen nicht allzuviel davon reden, sagte der Fischer, und führte seinen Gast in die Hütte.
Drinnen saß bei dem Heerde, von welchem aus ein spärliches Feuer die dämmernde, rein- liche, Stube erhellte, auf einem großen Stuhle, des Fischers betagte Frau; beim Eintritte des vornehmen Gastes stand sie freundlich grüßend auf, setzte sich aber an ihren Ehrenplatz wieder hin, ohne diesen dem Fremdling anzubieten, wo- bei der Fischer lächelnd sagte: Ihr müßt es ihr nicht verübeln, junger Herr, daß sie Euch den bequemsten Stuhl im Hause nicht abtritt; das ist so Sitte bei armen Leuten, daß der den Alten ganz ausschließlich gehört. -- Ei, Mann, sagte die Frau mit ruhigem Lächeln, wo denkst Du auch hin? Unser Gast wird doch zu den Christenmenschen gehören, und wie könnte es alsdann dem lieben jungen Blut ein-
liegt vor uns ein breiter See, und mit ſinken- dem Abende in den wunderlichen Wald zuruͤck zu reiten, davor bewahre mich der liebe Gott! — Wir wollen nicht allzuviel davon reden, ſagte der Fiſcher, und fuͤhrte ſeinen Gaſt in die Huͤtte.
Drinnen ſaß bei dem Heerde, von welchem aus ein ſpaͤrliches Feuer die daͤmmernde, rein- liche, Stube erhellte, auf einem großen Stuhle, des Fiſchers betagte Frau; beim Eintritte des vornehmen Gaſtes ſtand ſie freundlich gruͤßend auf, ſetzte ſich aber an ihren Ehrenplatz wieder hin, ohne dieſen dem Fremdling anzubieten, wo- bei der Fiſcher laͤchelnd ſagte: Ihr muͤßt es ihr nicht veruͤbeln, junger Herr, daß ſie Euch den bequemſten Stuhl im Hauſe nicht abtritt; das iſt ſo Sitte bei armen Leuten, daß der den Alten ganz ausſchließlich gehoͤrt. — Ei, Mann, ſagte die Frau mit ruhigem Laͤcheln, wo denkſt Du auch hin? Unſer Gaſt wird doch zu den Chriſtenmenſchen gehoͤren, und wie koͤnnte es alsdann dem lieben jungen Blut ein-
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liegt vor uns ein breiter See, und mit ſinken-
dem Abende in den wunderlichen Wald zuruͤck
zu reiten, davor bewahre mich der liebe Gott! —
Wir wollen nicht allzuviel davon reden, ſagte
der Fiſcher, und fuͤhrte ſeinen Gaſt in die
Huͤtte.
Drinnen ſaß bei dem Heerde, von welchem
aus ein ſpaͤrliches Feuer die daͤmmernde, rein-
liche, Stube erhellte, auf einem großen Stuhle,
des Fiſchers betagte Frau; beim Eintritte des
vornehmen Gaſtes ſtand ſie freundlich gruͤßend
auf, ſetzte ſich aber an ihren Ehrenplatz wieder
hin, ohne dieſen dem Fremdling anzubieten, wo-
bei der Fiſcher laͤchelnd ſagte: Ihr muͤßt es
ihr nicht veruͤbeln, junger Herr, daß ſie Euch
den bequemſten Stuhl im Hauſe nicht abtritt;
das iſt ſo Sitte bei armen Leuten, daß der
den Alten ganz ausſchließlich gehoͤrt. — Ei,
Mann, ſagte die Frau mit ruhigem Laͤcheln,
wo denkſt Du auch hin? Unſer Gaſt wird
doch zu den Chriſtenmenſchen gehoͤren, und wie
koͤnnte es alsdann dem lieben jungen Blut ein-
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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/22>, abgerufen am 16.07.2024.
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