sein könne, deckte aber die Hände über die Au- gen, und sagte: mache mich nicht in meiner Todesstunde durch Schrecken toll. Wenn Du ein entsetzliches Antlitz hinter dem Schleier trägst, so lüfte ihn nicht, und richte mich, ohne daß ich Dich schaue. -- Ach, entgegnete die Wandrerin, willst Du mich denn nicht noch ein einziges mal sehn? Ich bin schön, wie als Du auf der See- spitze um mich warbst. -- O, wenn das wäre! seufzte Huldbrand; und wenn ich sterben dürfte an einem Kusse von Dir. -- Recht gern, mein Liebling, sagte sie. Und ihre Schleier schlug sie zurück, und himmlisch schön lächelte ihr hol- des Antlitz daraus hervor. Bebend vor Liebe und Todesnähe neigte sich der Ritter ihr entge- gen, sie küßte ihn mit einem himmlischen Kusse, aber sie ließ ihn nicht mehr los, sie drückte ihn inniger an sich, und weinte, als wolle sie ihre Seele fortweinen. Die Thränen drangen in des Ritters Augen, und wogten im lieblichen Wehe durch seine Brust, bis ihm endlich der Athem entging, und er aus den schönen Armen
ſein koͤnne, deckte aber die Haͤnde uͤber die Au- gen, und ſagte: mache mich nicht in meiner Todesſtunde durch Schrecken toll. Wenn Du ein entſetzliches Antlitz hinter dem Schleier traͤgſt, ſo luͤfte ihn nicht, und richte mich, ohne daß ich Dich ſchaue. — Ach, entgegnete die Wandrerin, willſt Du mich denn nicht noch ein einziges mal ſehn? Ich bin ſchoͤn, wie als Du auf der See- ſpitze um mich warbſt. — O, wenn das waͤre! ſeufzte Huldbrand; und wenn ich ſterben duͤrfte an einem Kuſſe von Dir. — Recht gern, mein Liebling, ſagte ſie. Und ihre Schleier ſchlug ſie zuruͤck, und himmliſch ſchoͤn laͤchelte ihr hol- des Antlitz daraus hervor. Bebend vor Liebe und Todesnaͤhe neigte ſich der Ritter ihr entge- gen, ſie kuͤßte ihn mit einem himmliſchen Kuſſe, aber ſie ließ ihn nicht mehr los, ſie druͤckte ihn inniger an ſich, und weinte, als wolle ſie ihre Seele fortweinen. Die Thraͤnen drangen in des Ritters Augen, und wogten im lieblichen Wehe durch ſeine Bruſt, bis ihm endlich der Athem entging, und er aus den ſchoͤnen Armen
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ſein koͤnne, deckte aber die Haͤnde uͤber die Au-
gen, und ſagte: mache mich nicht in meiner
Todesſtunde durch Schrecken toll. Wenn Du
ein entſetzliches Antlitz hinter dem Schleier traͤgſt,
ſo luͤfte ihn nicht, und richte mich, ohne daß ich
Dich ſchaue. — Ach, entgegnete die Wandrerin,
willſt Du mich denn nicht noch ein einziges mal
ſehn? Ich bin ſchoͤn, wie als Du auf der See-
ſpitze um mich warbſt. — O, wenn das waͤre!
ſeufzte Huldbrand; und wenn ich ſterben duͤrfte
an einem Kuſſe von Dir. — Recht gern, mein
Liebling, ſagte ſie. Und ihre Schleier ſchlug
ſie zuruͤck, und himmliſch ſchoͤn laͤchelte ihr hol-
des Antlitz daraus hervor. Bebend vor Liebe
und Todesnaͤhe neigte ſich der Ritter ihr entge-
gen, ſie kuͤßte ihn mit einem himmliſchen Kuſſe,
aber ſie ließ ihn nicht mehr los, ſie druͤckte ihn
inniger an ſich, und weinte, als wolle ſie ihre
Seele fortweinen. Die Thraͤnen drangen in
des Ritters Augen, und wogten im lieblichen
Wehe durch ſeine Bruſt, bis ihm endlich der
Athem entging, und er aus den ſchoͤnen Armen
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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/197>, abgerufen am 16.07.2024.
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