wollte sie über ihr Weinen ausschelten. Da nahm sie sich zusammen, und sah ihn vornehm und gebietend an, daß er fast davor erschrack. Wenn ich hier auch unter den Wassern wohne, sagte sie, so hab' ich doch meine Seele mit herunter gebracht. Und darum darf ich wohl weinen, wenn Du auch gar nicht errathen kannst, was solche Thränen sind. Auch die sind seelig, wie alles seelig ist, dem, in welchem treue Seele lebt. -- Er schüttelte ungläubig mit dem Kopfe, und sagte nach einigem Besinnen: und doch, Nichte, seid Ihr unsere Elementar-Gesetzen un- terworfen, und doch müßt Ihr ihn richtend um's Leben bringen, dafern er sich wieder verehlicht, und Euch untreu wird. -- Er ist noch bis diese Stunde ein Wittwer, sagte Undine, und hat mich aus traurigem Herzen lieb. -- Zugleich ist er aber auch ein Bräutigam, lachte Kühle- born höhnisch, und laßt nur erst ein paar Tage hingehn, dann ist die priesterliche Einseegnung erfolgt, und dann müßt Ihr doch zu des Zwei- weibrigen Tode hinauf. -- Ich kam ja nicht,
wollte ſie uͤber ihr Weinen ausſchelten. Da nahm ſie ſich zuſammen, und ſah ihn vornehm und gebietend an, daß er faſt davor erſchrack. Wenn ich hier auch unter den Waſſern wohne, ſagte ſie, ſo hab’ ich doch meine Seele mit herunter gebracht. Und darum darf ich wohl weinen, wenn Du auch gar nicht errathen kannſt, was ſolche Thraͤnen ſind. Auch die ſind ſeelig, wie alles ſeelig iſt, dem, in welchem treue Seele lebt. — Er ſchuͤttelte unglaͤubig mit dem Kopfe, und ſagte nach einigem Beſinnen: und doch, Nichte, ſeid Ihr unſere Elementar-Geſetzen un- terworfen, und doch muͤßt Ihr ihn richtend um’s Leben bringen, dafern er ſich wieder verehlicht, und Euch untreu wird. — Er iſt noch bis dieſe Stunde ein Wittwer, ſagte Undine, und hat mich aus traurigem Herzen lieb. — Zugleich iſt er aber auch ein Braͤutigam, lachte Kuͤhle- born hoͤhniſch, und laßt nur erſt ein paar Tage hingehn, dann iſt die prieſterliche Einſeegnung erfolgt, und dann muͤßt Ihr doch zu des Zwei- weibrigen Tode hinauf. — Ich kam ja nicht,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0187"n="173"/>
wollte ſie uͤber ihr Weinen ausſchelten. Da nahm<lb/>ſie ſich zuſammen, und ſah ihn vornehm und<lb/>
gebietend an, daß er faſt davor erſchrack. Wenn<lb/>
ich hier auch unter den Waſſern wohne, ſagte<lb/>ſie, ſo hab’ ich doch meine Seele mit herunter<lb/>
gebracht. Und darum darf ich wohl weinen,<lb/>
wenn Du auch gar nicht errathen kannſt, was<lb/>ſolche Thraͤnen ſind. Auch die ſind ſeelig, wie<lb/>
alles ſeelig iſt, dem, in welchem treue Seele<lb/>
lebt. — Er ſchuͤttelte unglaͤubig mit dem <choice><sic>Kopſe</sic><corr>Kopfe</corr></choice>,<lb/>
und ſagte nach einigem Beſinnen: und doch,<lb/>
Nichte, ſeid Ihr unſere Elementar-Geſetzen un-<lb/>
terworfen, und doch muͤßt Ihr ihn richtend um’s<lb/>
Leben bringen, dafern er ſich wieder verehlicht,<lb/>
und Euch untreu wird. — Er iſt noch bis dieſe<lb/>
Stunde ein Wittwer, ſagte Undine, und hat<lb/>
mich aus traurigem Herzen lieb. — Zugleich<lb/>
iſt er aber auch ein Braͤutigam, lachte Kuͤhle-<lb/>
born hoͤhniſch, und laßt nur erſt ein paar Tage<lb/>
hingehn, dann iſt die prieſterliche Einſeegnung<lb/>
erfolgt, und dann muͤßt Ihr doch zu des Zwei-<lb/>
weibrigen Tode hinauf. — Ich kam ja nicht,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[173/0187]
wollte ſie uͤber ihr Weinen ausſchelten. Da nahm
ſie ſich zuſammen, und ſah ihn vornehm und
gebietend an, daß er faſt davor erſchrack. Wenn
ich hier auch unter den Waſſern wohne, ſagte
ſie, ſo hab’ ich doch meine Seele mit herunter
gebracht. Und darum darf ich wohl weinen,
wenn Du auch gar nicht errathen kannſt, was
ſolche Thraͤnen ſind. Auch die ſind ſeelig, wie
alles ſeelig iſt, dem, in welchem treue Seele
lebt. — Er ſchuͤttelte unglaͤubig mit dem Kopfe,
und ſagte nach einigem Beſinnen: und doch,
Nichte, ſeid Ihr unſere Elementar-Geſetzen un-
terworfen, und doch muͤßt Ihr ihn richtend um’s
Leben bringen, dafern er ſich wieder verehlicht,
und Euch untreu wird. — Er iſt noch bis dieſe
Stunde ein Wittwer, ſagte Undine, und hat
mich aus traurigem Herzen lieb. — Zugleich
iſt er aber auch ein Braͤutigam, lachte Kuͤhle-
born hoͤhniſch, und laßt nur erſt ein paar Tage
hingehn, dann iſt die prieſterliche Einſeegnung
erfolgt, und dann muͤßt Ihr doch zu des Zwei-
weibrigen Tode hinauf. — Ich kam ja nicht,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/187>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.