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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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Diese Gesinnung des alten Fischers, und
die Einsamkeit, die den Ritter aus allen Sälen
und Gängen der verödeten Burg schauerlich
nach Bertaldens Abreise zu erfassen drohte,
brachten zum Ausbruch, was früher entschlum-
mert und in dem Gram über Undinen ganz ver-
gessen war: die Neigung Huldbrands für die
schöne Bertalda. Der Fischer hatte vieles gegen
die vorgeschlagne Heirath einzuwenden. Undine
war dem alten Manne sehr lieb gewesen, und
er meinte, man wisse ja noch kaum, ob die
liebe Verschwundne recht eigentlich todt sei.
Liege aber ihr Leichnam wirklich starr und kalt
auf dem Grunde der Donau, oder treibe mit
den Fluthen in's Weltmeer hinaus, so habe
Bertalda an ihrem Tode mit Schuld, und nicht
gezieme es ihr, an den Platz der armen Ver-
drängten zu treten. Aber auch den Ritter hatte
der Fischer sehr lieb; die Bitten der Tochter,
die um vieles sanfter und ergebner geworden
war, wie auch ihre Thränen um Undinen kamen
dazu, und er mußte wohl endlich seine Einwilli-

Dieſe Geſinnung des alten Fiſchers, und
die Einſamkeit, die den Ritter aus allen Saͤlen
und Gaͤngen der veroͤdeten Burg ſchauerlich
nach Bertaldens Abreiſe zu erfaſſen drohte,
brachten zum Ausbruch, was fruͤher entſchlum-
mert und in dem Gram uͤber Undinen ganz ver-
geſſen war: die Neigung Huldbrands fuͤr die
ſchoͤne Bertalda. Der Fiſcher hatte vieles gegen
die vorgeſchlagne Heirath einzuwenden. Undine
war dem alten Manne ſehr lieb geweſen, und
er meinte, man wiſſe ja noch kaum, ob die
liebe Verſchwundne recht eigentlich todt ſei.
Liege aber ihr Leichnam wirklich ſtarr und kalt
auf dem Grunde der Donau, oder treibe mit
den Fluthen in’s Weltmeer hinaus, ſo habe
Bertalda an ihrem Tode mit Schuld, und nicht
gezieme es ihr, an den Platz der armen Ver-
draͤngten zu treten. Aber auch den Ritter hatte
der Fiſcher ſehr lieb; die Bitten der Tochter,
die um vieles ſanfter und ergebner geworden
war, wie auch ihre Thraͤnen um Undinen kamen
dazu, und er mußte wohl endlich ſeine Einwilli-

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[166/0180] Dieſe Geſinnung des alten Fiſchers, und die Einſamkeit, die den Ritter aus allen Saͤlen und Gaͤngen der veroͤdeten Burg ſchauerlich nach Bertaldens Abreiſe zu erfaſſen drohte, brachten zum Ausbruch, was fruͤher entſchlum- mert und in dem Gram uͤber Undinen ganz ver- geſſen war: die Neigung Huldbrands fuͤr die ſchoͤne Bertalda. Der Fiſcher hatte vieles gegen die vorgeſchlagne Heirath einzuwenden. Undine war dem alten Manne ſehr lieb geweſen, und er meinte, man wiſſe ja noch kaum, ob die liebe Verſchwundne recht eigentlich todt ſei. Liege aber ihr Leichnam wirklich ſtarr und kalt auf dem Grunde der Donau, oder treibe mit den Fluthen in’s Weltmeer hinaus, ſo habe Bertalda an ihrem Tode mit Schuld, und nicht gezieme es ihr, an den Platz der armen Ver- draͤngten zu treten. Aber auch den Ritter hatte der Fiſcher ſehr lieb; die Bitten der Tochter, die um vieles ſanfter und ergebner geworden war, wie auch ihre Thraͤnen um Undinen kamen dazu, und er mußte wohl endlich ſeine Einwilli-

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/180>, abgerufen am 04.12.2024.