Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

Bild:
<< vorherige Seite

mein Liebling, wir ließen die thörichte Reise,
und kehrten nach Burg Ringstetten in Frieden
zurück? -- Aber Huldbrand murmelte feind-
seelig: also ein Gefangner soll ich sein auf mei-
ner eignen Burg? Und athmen nur können,
so lange der Brunnen zu ist? So wollt' ich,
daß die tolle Verwandtschaft. -- Da drückte
Undine schmeichelnd ihre schöne Hand auf seine
Lippen. Er schwieg auch, und hielt sich still, so
Manches, was ihm Undine früher gesagt hatte,
erwägend.

Indessen hatte Bertalda sich allerhand selt-
sam umschweifenden Gedanken überlassen. Sie
wußte Vieles von Undinens Herkommen und
doch nicht Alles, und vorzüglich war ihr der
furchtbare Kühleborn ein schreckliches, aber noch
immer ganz dunkles, Räthsel geblieben; so daß
sie nicht einmal seinen Namen ja vernommen
hatte. Ueber alle diese wunderlichen Dinge nach-
sinnend, knüpfte sie, ohne sich dessen recht bewußt
zu werden, ein goldnes Halsband los, welches
ihr Huldbrand auf einer der letzten Tagereisen

mein Liebling, wir ließen die thoͤrichte Reiſe,
und kehrten nach Burg Ringſtetten in Frieden
zuruͤck? — Aber Huldbrand murmelte feind-
ſeelig: alſo ein Gefangner ſoll ich ſein auf mei-
ner eignen Burg? Und athmen nur koͤnnen,
ſo lange der Brunnen zu iſt? So wollt’ ich,
daß die tolle Verwandtſchaft. — Da druͤckte
Undine ſchmeichelnd ihre ſchoͤne Hand auf ſeine
Lippen. Er ſchwieg auch, und hielt ſich ſtill, ſo
Manches, was ihm Undine fruͤher geſagt hatte,
erwaͤgend.

Indeſſen hatte Bertalda ſich allerhand ſelt-
ſam umſchweifenden Gedanken uͤberlaſſen. Sie
wußte Vieles von Undinens Herkommen und
doch nicht Alles, und vorzuͤglich war ihr der
furchtbare Kuͤhleborn ein ſchreckliches, aber noch
immer ganz dunkles, Raͤthſel geblieben; ſo daß
ſie nicht einmal ſeinen Namen ja vernommen
hatte. Ueber alle dieſe wunderlichen Dinge nach-
ſinnend, knuͤpfte ſie, ohne ſich deſſen recht bewußt
zu werden, ein goldnes Halsband los, welches
ihr Huldbrand auf einer der letzten Tagereiſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0172" n="158"/>
mein Liebling, wir ließen die tho&#x0364;richte Rei&#x017F;e,<lb/>
und kehrten nach Burg Ring&#x017F;tetten in Frieden<lb/>
zuru&#x0364;ck? &#x2014; Aber Huldbrand murmelte feind-<lb/>
&#x017F;eelig: al&#x017F;o ein Gefangner &#x017F;oll ich &#x017F;ein auf mei-<lb/>
ner eignen Burg? Und athmen nur ko&#x0364;nnen,<lb/>
&#x017F;o lange der Brunnen zu i&#x017F;t? So wollt&#x2019; ich,<lb/>
daß die tolle Verwandt&#x017F;chaft. &#x2014; Da dru&#x0364;ckte<lb/>
Undine &#x017F;chmeichelnd ihre &#x017F;cho&#x0364;ne Hand auf &#x017F;eine<lb/>
Lippen. Er &#x017F;chwieg auch, und hielt &#x017F;ich &#x017F;till, &#x017F;o<lb/>
Manches, was ihm Undine fru&#x0364;her ge&#x017F;agt hatte,<lb/>
erwa&#x0364;gend.</p><lb/>
          <p>Inde&#x017F;&#x017F;en hatte Bertalda &#x017F;ich allerhand &#x017F;elt-<lb/>
&#x017F;am um&#x017F;chweifenden Gedanken u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en. Sie<lb/>
wußte Vieles von Undinens Herkommen und<lb/>
doch nicht Alles, und vorzu&#x0364;glich war ihr der<lb/>
furchtbare Ku&#x0364;hleborn ein &#x017F;chreckliches, aber noch<lb/>
immer ganz dunkles, Ra&#x0364;th&#x017F;el geblieben; &#x017F;o daß<lb/>
&#x017F;ie nicht einmal &#x017F;einen Namen ja vernommen<lb/>
hatte. Ueber alle die&#x017F;e wunderlichen Dinge nach-<lb/>
&#x017F;innend, knu&#x0364;pfte &#x017F;ie, ohne &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en recht bewußt<lb/>
zu werden, ein goldnes Halsband los, welches<lb/>
ihr Huldbrand auf einer der letzten Tagerei&#x017F;en<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0172] mein Liebling, wir ließen die thoͤrichte Reiſe, und kehrten nach Burg Ringſtetten in Frieden zuruͤck? — Aber Huldbrand murmelte feind- ſeelig: alſo ein Gefangner ſoll ich ſein auf mei- ner eignen Burg? Und athmen nur koͤnnen, ſo lange der Brunnen zu iſt? So wollt’ ich, daß die tolle Verwandtſchaft. — Da druͤckte Undine ſchmeichelnd ihre ſchoͤne Hand auf ſeine Lippen. Er ſchwieg auch, und hielt ſich ſtill, ſo Manches, was ihm Undine fruͤher geſagt hatte, erwaͤgend. Indeſſen hatte Bertalda ſich allerhand ſelt- ſam umſchweifenden Gedanken uͤberlaſſen. Sie wußte Vieles von Undinens Herkommen und doch nicht Alles, und vorzuͤglich war ihr der furchtbare Kuͤhleborn ein ſchreckliches, aber noch immer ganz dunkles, Raͤthſel geblieben; ſo daß ſie nicht einmal ſeinen Namen ja vernommen hatte. Ueber alle dieſe wunderlichen Dinge nach- ſinnend, knuͤpfte ſie, ohne ſich deſſen recht bewußt zu werden, ein goldnes Halsband los, welches ihr Huldbrand auf einer der letzten Tagereiſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/172
Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/172>, abgerufen am 24.11.2024.