allzulebendig das Glück, daß ihr im Herzen ge- liebter Freund sie aus der furchtbaren Einsam- keit erlöse, und das helle Leben in der befreunde- ten Burg so anmuthige Arme nach ihr aus- strecke. Sie folgte fast ohne Widerspruch, aber so ermattet, daß der Ritter froh war, sie bis zu seinem Rosse geleitet zu haben, welches er nun eilig losknüpfte, um die schöne Wandrerin hinaufzuheben, und es alsdann am Zügel sich durch die ungewissen Schatten der Thalgegend vorsichtig nachzuleiten.
Aber das Pferd war ganz verwildert durch Kühleborns tolle Erscheinung. Selbst der Rit- ter würde Mühe gebraucht haben, auf des bäu- menden, wildschnaubenden, Thieres Rücken zu springen; die zitternde Bertalda hinaufzuheben, war eine volle Unmöglichkeit. Man beschloß also, zu Fuße heimzukehren. Das Roß am Zü- gel nachzerrend, unterstützte der Ritter mit der andern Hand das schwankende Mägdlein. Ber- talda machte sich so stark, als möglich, um den furchtbaren Thalgrund schnell zu durchwandeln,
allzulebendig das Gluͤck, daß ihr im Herzen ge- liebter Freund ſie aus der furchtbaren Einſam- keit erloͤſe, und das helle Leben in der befreunde- ten Burg ſo anmuthige Arme nach ihr aus- ſtrecke. Sie folgte faſt ohne Widerſpruch, aber ſo ermattet, daß der Ritter froh war, ſie bis zu ſeinem Roſſe geleitet zu haben, welches er nun eilig losknuͤpfte, um die ſchoͤne Wandrerin hinaufzuheben, und es alsdann am Zuͤgel ſich durch die ungewiſſen Schatten der Thalgegend vorſichtig nachzuleiten.
Aber das Pferd war ganz verwildert durch Kuͤhleborns tolle Erſcheinung. Selbſt der Rit- ter wuͤrde Muͤhe gebraucht haben, auf des baͤu- menden, wildſchnaubenden, Thieres Ruͤcken zu ſpringen; die zitternde Bertalda hinaufzuheben, war eine volle Unmoͤglichkeit. Man beſchloß alſo, zu Fuße heimzukehren. Das Roß am Zuͤ- gel nachzerrend, unterſtuͤtzte der Ritter mit der andern Hand das ſchwankende Maͤgdlein. Ber- talda machte ſich ſo ſtark, als moͤglich, um den furchtbaren Thalgrund ſchnell zu durchwandeln,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0157"n="143"/>
allzulebendig das Gluͤck, daß ihr im Herzen ge-<lb/>
liebter Freund ſie aus der furchtbaren Einſam-<lb/>
keit erloͤſe, und das helle Leben in der befreunde-<lb/>
ten Burg ſo anmuthige Arme nach ihr aus-<lb/>ſtrecke. Sie folgte faſt ohne Widerſpruch, aber<lb/>ſo ermattet, daß der Ritter froh war, ſie bis<lb/>
zu ſeinem Roſſe geleitet zu haben, welches er<lb/>
nun eilig losknuͤpfte, um die ſchoͤne Wandrerin<lb/>
hinaufzuheben, und es alsdann am Zuͤgel ſich<lb/>
durch die ungewiſſen Schatten der Thalgegend<lb/>
vorſichtig nachzuleiten.</p><lb/><p>Aber das Pferd war ganz verwildert durch<lb/>
Kuͤhleborns tolle Erſcheinung. Selbſt der Rit-<lb/>
ter wuͤrde Muͤhe gebraucht haben, auf des baͤu-<lb/>
menden, wildſchnaubenden, Thieres Ruͤcken zu<lb/>ſpringen; die zitternde Bertalda hinaufzuheben,<lb/>
war eine volle Unmoͤglichkeit. Man beſchloß<lb/>
alſo, zu Fuße heimzukehren. Das Roß am Zuͤ-<lb/>
gel nachzerrend, unterſtuͤtzte der Ritter mit der<lb/>
andern Hand das ſchwankende Maͤgdlein. Ber-<lb/>
talda machte ſich ſo ſtark, als moͤglich, um den<lb/>
furchtbaren Thalgrund ſchnell zu durchwandeln,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[143/0157]
allzulebendig das Gluͤck, daß ihr im Herzen ge-
liebter Freund ſie aus der furchtbaren Einſam-
keit erloͤſe, und das helle Leben in der befreunde-
ten Burg ſo anmuthige Arme nach ihr aus-
ſtrecke. Sie folgte faſt ohne Widerſpruch, aber
ſo ermattet, daß der Ritter froh war, ſie bis
zu ſeinem Roſſe geleitet zu haben, welches er
nun eilig losknuͤpfte, um die ſchoͤne Wandrerin
hinaufzuheben, und es alsdann am Zuͤgel ſich
durch die ungewiſſen Schatten der Thalgegend
vorſichtig nachzuleiten.
Aber das Pferd war ganz verwildert durch
Kuͤhleborns tolle Erſcheinung. Selbſt der Rit-
ter wuͤrde Muͤhe gebraucht haben, auf des baͤu-
menden, wildſchnaubenden, Thieres Ruͤcken zu
ſpringen; die zitternde Bertalda hinaufzuheben,
war eine volle Unmoͤglichkeit. Man beſchloß
alſo, zu Fuße heimzukehren. Das Roß am Zuͤ-
gel nachzerrend, unterſtuͤtzte der Ritter mit der
andern Hand das ſchwankende Maͤgdlein. Ber-
talda machte ſich ſo ſtark, als moͤglich, um den
furchtbaren Thalgrund ſchnell zu durchwandeln,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/157>, abgerufen am 29.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.