Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

Bild:
<< vorherige Seite

gingen, Bertalda aber von der andern Seite
erbleichend nach ihren Zimmern eilte.

Die Stunde des Abendessens kam heran,
und Bertalda ließ sich vergeblich erwarten. Man
schickte nach ihr; da fand der Kämmerling ihre
Gemächer leer, und brachte nur ein versiegeltes
Blatt, an den Ritter überschrieben, mit zurück.
Dieser öffnete es bestürzt, und las.

Ich fühle mit Beschämung, wie ich nur
eine arme Fischersdirne bin. Daß ich es auf
Augenblicke vergaß, will ich in der ärmlichen
Hütte meiner Aeltern büßen. Lebt wohl mit
Eurer schönen Frau!

Undine war von Herzen betrübt. Sie bat
Huldbranden inbrünstig, der entflohenen Freun-
dinn nachzueilen, und sie wieder mit zurück zu
bringen. Ach, sie hatte nicht nöthig zu treiben!
Seine Neigung für Bertalden brach wieder hef-
tig hervor. Er eilte im ganzen Schloß umher,
fragend, ob Niemand gesehn habe, welches We-
ges die schöne Flüchtige gegangen sei. Er konn-
te nichts erfahren, und saß schon im Burghofe

gingen, Bertalda aber von der andern Seite
erbleichend nach ihren Zimmern eilte.

Die Stunde des Abendeſſens kam heran,
und Bertalda ließ ſich vergeblich erwarten. Man
ſchickte nach ihr; da fand der Kaͤmmerling ihre
Gemaͤcher leer, und brachte nur ein verſiegeltes
Blatt, an den Ritter uͤberſchrieben, mit zuruͤck.
Dieſer oͤffnete es beſtuͤrzt, und las.

Ich fuͤhle mit Beſchaͤmung, wie ich nur
eine arme Fiſchersdirne bin. Daß ich es auf
Augenblicke vergaß, will ich in der aͤrmlichen
Huͤtte meiner Aeltern buͤßen. Lebt wohl mit
Eurer ſchoͤnen Frau!

Undine war von Herzen betruͤbt. Sie bat
Huldbranden inbruͤnſtig, der entflohenen Freun-
dinn nachzueilen, und ſie wieder mit zuruͤck zu
bringen. Ach, ſie hatte nicht noͤthig zu treiben!
Seine Neigung fuͤr Bertalden brach wieder hef-
tig hervor. Er eilte im ganzen Schloß umher,
fragend, ob Niemand geſehn habe, welches We-
ges die ſchoͤne Fluͤchtige gegangen ſei. Er konn-
te nichts erfahren, und ſaß ſchon im Burghofe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0150" n="136"/>
gingen, Bertalda aber von der andern Seite<lb/>
erbleichend nach ihren Zimmern eilte.</p><lb/>
          <p>Die Stunde des Abende&#x017F;&#x017F;ens kam heran,<lb/>
und Bertalda ließ &#x017F;ich vergeblich erwarten. Man<lb/>
&#x017F;chickte nach ihr; da fand der Ka&#x0364;mmerling ihre<lb/>
Gema&#x0364;cher leer, und brachte nur ein ver&#x017F;iegeltes<lb/>
Blatt, an den Ritter u&#x0364;ber&#x017F;chrieben, mit zuru&#x0364;ck.<lb/>
Die&#x017F;er o&#x0364;ffnete es be&#x017F;tu&#x0364;rzt, und las.</p><lb/>
          <p>Ich fu&#x0364;hle mit Be&#x017F;cha&#x0364;mung, wie ich nur<lb/>
eine arme Fi&#x017F;chersdirne bin. Daß ich es auf<lb/>
Augenblicke vergaß, will ich in der a&#x0364;rmlichen<lb/>
Hu&#x0364;tte meiner Aeltern bu&#x0364;ßen. Lebt wohl mit<lb/>
Eurer &#x017F;cho&#x0364;nen Frau!</p><lb/>
          <p>Undine war von Herzen betru&#x0364;bt. Sie bat<lb/>
Huldbranden inbru&#x0364;n&#x017F;tig, der entflohenen Freun-<lb/>
dinn nachzueilen, und &#x017F;ie wieder mit zuru&#x0364;ck zu<lb/>
bringen. Ach, &#x017F;ie hatte nicht no&#x0364;thig zu treiben!<lb/>
Seine Neigung fu&#x0364;r Bertalden brach wieder hef-<lb/>
tig hervor. Er eilte im ganzen Schloß umher,<lb/>
fragend, ob Niemand ge&#x017F;ehn habe, welches We-<lb/>
ges die &#x017F;cho&#x0364;ne Flu&#x0364;chtige gegangen &#x017F;ei. Er konn-<lb/>
te nichts erfahren, und &#x017F;&#x017F;chon im Burghofe<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0150] gingen, Bertalda aber von der andern Seite erbleichend nach ihren Zimmern eilte. Die Stunde des Abendeſſens kam heran, und Bertalda ließ ſich vergeblich erwarten. Man ſchickte nach ihr; da fand der Kaͤmmerling ihre Gemaͤcher leer, und brachte nur ein verſiegeltes Blatt, an den Ritter uͤberſchrieben, mit zuruͤck. Dieſer oͤffnete es beſtuͤrzt, und las. Ich fuͤhle mit Beſchaͤmung, wie ich nur eine arme Fiſchersdirne bin. Daß ich es auf Augenblicke vergaß, will ich in der aͤrmlichen Huͤtte meiner Aeltern buͤßen. Lebt wohl mit Eurer ſchoͤnen Frau! Undine war von Herzen betruͤbt. Sie bat Huldbranden inbruͤnſtig, der entflohenen Freun- dinn nachzueilen, und ſie wieder mit zuruͤck zu bringen. Ach, ſie hatte nicht noͤthig zu treiben! Seine Neigung fuͤr Bertalden brach wieder hef- tig hervor. Er eilte im ganzen Schloß umher, fragend, ob Niemand geſehn habe, welches We- ges die ſchoͤne Fluͤchtige gegangen ſei. Er konn- te nichts erfahren, und ſaß ſchon im Burghofe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/150
Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/150>, abgerufen am 27.11.2024.