Goldfischlein und andre hübsche Kinder der Na- tur ja gleichfalls sind. Aber Alles will höher, als es steht. So wollte mein Vater, der ein mächtiger Wasserfürst im mittelländischen Meere ist, seine einzige Tochter solle einer Seele theil- haftig werden, und müsse sie darüber auch viele Leiden der beseelten Leute bestehn. Eine Seele aber kann unsres Gleichen nur durch den innig- sten Verein der Liebe mit Einem Eures Ge- schlechtes gewinnen. Nun bin ich beseelt, Dir dank' ich die Seele, o Du unaussprechlich Ge- liebter, und Dir werd' ich es danken, wenn Du mich nicht mein ganzes Leben hindurch elend machst. Denn was soll aus mir werden, wenn Du mich scheuest und mich verstößest? Durch Trug aber mogt' ich Dich nicht behalten. Und willst Du mich verstoßen, so thu' es nun, so geh' allein an's Ufer zurück. Ich tauche mich in die- sen Bach, der mein Oheim ist, und hier im Walde sein wunderliches Einsiedlerleben, von den übrigen Freunden entfernet, führt. Er ist aber mächtig, und vielen großen Strömen werth und
Goldfiſchlein und andre huͤbſche Kinder der Na- tur ja gleichfalls ſind. Aber Alles will hoͤher, als es ſteht. So wollte mein Vater, der ein maͤchtiger Waſſerfuͤrſt im mittellaͤndiſchen Meere iſt, ſeine einzige Tochter ſolle einer Seele theil- haftig werden, und muͤſſe ſie daruͤber auch viele Leiden der beſeelten Leute beſtehn. Eine Seele aber kann unſres Gleichen nur durch den innig- ſten Verein der Liebe mit Einem Eures Ge- ſchlechtes gewinnen. Nun bin ich beſeelt, Dir dank’ ich die Seele, o Du unausſprechlich Ge- liebter, und Dir werd’ ich es danken, wenn Du mich nicht mein ganzes Leben hindurch elend machſt. Denn was ſoll aus mir werden, wenn Du mich ſcheueſt und mich verſtoͤßeſt? Durch Trug aber mogt’ ich Dich nicht behalten. Und willſt Du mich verſtoßen, ſo thu’ es nun, ſo geh’ allein an’s Ufer zuruͤck. Ich tauche mich in die- ſen Bach, der mein Oheim iſt, und hier im Walde ſein wunderliches Einſiedlerleben, von den uͤbrigen Freunden entfernet, fuͤhrt. Er iſt aber maͤchtig, und vielen großen Stroͤmen werth und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0100"n="86"/>
Goldfiſchlein und andre huͤbſche Kinder der Na-<lb/>
tur ja gleichfalls ſind. Aber Alles will hoͤher,<lb/>
als es ſteht. So wollte mein Vater, der ein<lb/>
maͤchtiger Waſſerfuͤrſt im mittellaͤndiſchen Meere<lb/>
iſt, ſeine einzige Tochter ſolle einer Seele theil-<lb/>
haftig werden, und muͤſſe ſie daruͤber auch viele<lb/>
Leiden der beſeelten Leute beſtehn. Eine Seele<lb/>
aber kann unſres Gleichen nur durch den innig-<lb/>ſten Verein der Liebe mit Einem Eures Ge-<lb/>ſchlechtes gewinnen. Nun bin ich beſeelt, Dir<lb/>
dank’ ich die Seele, o Du unausſprechlich Ge-<lb/>
liebter, und Dir werd’ ich es danken, wenn<lb/>
Du mich nicht mein ganzes Leben hindurch elend<lb/>
machſt. Denn was ſoll aus mir werden, wenn<lb/>
Du mich ſcheueſt und mich verſtoͤßeſt? Durch<lb/>
Trug aber mogt’ ich Dich nicht behalten. Und<lb/>
willſt Du mich verſtoßen, ſo thu’ es nun, ſo geh’<lb/>
allein an’s Ufer zuruͤck. Ich tauche mich in die-<lb/>ſen Bach, der mein Oheim iſt, und hier im<lb/>
Walde ſein wunderliches Einſiedlerleben, von den<lb/>
uͤbrigen Freunden entfernet, fuͤhrt. Er iſt aber<lb/>
maͤchtig, und vielen großen Stroͤmen werth und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[86/0100]
Goldfiſchlein und andre huͤbſche Kinder der Na-
tur ja gleichfalls ſind. Aber Alles will hoͤher,
als es ſteht. So wollte mein Vater, der ein
maͤchtiger Waſſerfuͤrſt im mittellaͤndiſchen Meere
iſt, ſeine einzige Tochter ſolle einer Seele theil-
haftig werden, und muͤſſe ſie daruͤber auch viele
Leiden der beſeelten Leute beſtehn. Eine Seele
aber kann unſres Gleichen nur durch den innig-
ſten Verein der Liebe mit Einem Eures Ge-
ſchlechtes gewinnen. Nun bin ich beſeelt, Dir
dank’ ich die Seele, o Du unausſprechlich Ge-
liebter, und Dir werd’ ich es danken, wenn
Du mich nicht mein ganzes Leben hindurch elend
machſt. Denn was ſoll aus mir werden, wenn
Du mich ſcheueſt und mich verſtoͤßeſt? Durch
Trug aber mogt’ ich Dich nicht behalten. Und
willſt Du mich verſtoßen, ſo thu’ es nun, ſo geh’
allein an’s Ufer zuruͤck. Ich tauche mich in die-
ſen Bach, der mein Oheim iſt, und hier im
Walde ſein wunderliches Einſiedlerleben, von den
uͤbrigen Freunden entfernet, fuͤhrt. Er iſt aber
maͤchtig, und vielen großen Stroͤmen werth und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/100>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.