Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.Erwarten aufs höchste gespannt war. Endlich schlug die Stunde. Der Zug brach auf nach der Kapelle, die, voll gepfropft von Menschen, der scheidenden Himmelsbraut noch ein letztesmal das Bild der bunten Welt vor die Sinne führte. Diese schwankte in sichtlicher Bewegung zu den Stufen des Altars. Ein drückender Dunst zitterte durch das Gebäude und schien mit den reinen Klängen der Orgel und den hallenden Menschenstimmen zu ringen. Ich weiß selbst nicht, wie mir so bange und beklommen ward, noch weniger, wie es kam, daß Antonie, von der Hand ihrer Aufseherin losgemacht, zu mir hintrat. Sie sah mit scharfem Blick auf die Novize, und als diese niederkniete und sich anschickte, ihr Gelübbde abzulegen, die Musik schwieg, und kein Athemzug aus der dichten Volksmenge gehört ward, schlang Antonie beide Arme über die Brust, und sank wie todt zu meinen Füßen. Ich hob sie erschrocken auf, richtete ihr den Kopf in die Höhe, sie hatte beide Augen geschlossen und vollkommen das Ansehn einer Schlafenden. Wie ist Dir Kind? fragte ich leise, den Andern kaum hörbar, aber sie sagte, langsam und sehr deutlich, mit einer Stimme, die aus keiner Menschenbrust, nicht über Menschenlippen zu kommen schien, tief wie aus dem hohlen Innern einer Maschine: heißt ihr, das Bildniß wegwerfen, das Erwarten aufs höchste gespannt war. Endlich schlug die Stunde. Der Zug brach auf nach der Kapelle, die, voll gepfropft von Menschen, der scheidenden Himmelsbraut noch ein letztesmal das Bild der bunten Welt vor die Sinne führte. Diese schwankte in sichtlicher Bewegung zu den Stufen des Altars. Ein drückender Dunst zitterte durch das Gebäude und schien mit den reinen Klängen der Orgel und den hallenden Menschenstimmen zu ringen. Ich weiß selbst nicht, wie mir so bange und beklommen ward, noch weniger, wie es kam, daß Antonie, von der Hand ihrer Aufseherin losgemacht, zu mir hintrat. Sie sah mit scharfem Blick auf die Novize, und als diese niederkniete und sich anschickte, ihr Gelübbde abzulegen, die Musik schwieg, und kein Athemzug aus der dichten Volksmenge gehört ward, schlang Antonie beide Arme über die Brust, und sank wie todt zu meinen Füßen. Ich hob sie erschrocken auf, richtete ihr den Kopf in die Höhe, sie hatte beide Augen geschlossen und vollkommen das Ansehn einer Schlafenden. Wie ist Dir Kind? fragte ich leise, den Andern kaum hörbar, aber sie sagte, langsam und sehr deutlich, mit einer Stimme, die aus keiner Menschenbrust, nicht über Menschenlippen zu kommen schien, tief wie aus dem hohlen Innern einer Maschine: heißt ihr, das Bildniß wegwerfen, das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0047" n="40"/> Erwarten aufs höchste gespannt war. Endlich schlug die Stunde. Der Zug brach auf nach der Kapelle, die, voll gepfropft von Menschen, der scheidenden Himmelsbraut noch ein letztesmal das Bild der bunten Welt vor die Sinne führte. Diese schwankte in sichtlicher Bewegung zu den Stufen des Altars. Ein drückender Dunst zitterte durch das Gebäude und schien mit den reinen Klängen der Orgel und den hallenden Menschenstimmen zu ringen. Ich weiß selbst nicht, wie mir so bange und beklommen ward, noch weniger, wie es kam, daß Antonie, von der Hand ihrer Aufseherin losgemacht, zu mir hintrat. Sie sah mit scharfem Blick auf die Novize, und als diese niederkniete und sich anschickte, ihr Gelübbde abzulegen, die Musik schwieg, und kein Athemzug aus der dichten Volksmenge gehört ward, schlang Antonie beide Arme über die Brust, und sank wie todt zu meinen Füßen. Ich hob sie erschrocken auf, richtete ihr den Kopf in die Höhe, sie hatte beide Augen geschlossen und vollkommen das Ansehn einer Schlafenden. Wie ist Dir Kind? fragte ich leise, den Andern kaum hörbar, aber sie sagte, langsam und sehr deutlich, mit einer Stimme, die aus keiner Menschenbrust, nicht über Menschenlippen zu kommen schien, tief wie aus dem hohlen Innern einer Maschine: heißt ihr, das Bildniß wegwerfen, das </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0047]
Erwarten aufs höchste gespannt war. Endlich schlug die Stunde. Der Zug brach auf nach der Kapelle, die, voll gepfropft von Menschen, der scheidenden Himmelsbraut noch ein letztesmal das Bild der bunten Welt vor die Sinne führte. Diese schwankte in sichtlicher Bewegung zu den Stufen des Altars. Ein drückender Dunst zitterte durch das Gebäude und schien mit den reinen Klängen der Orgel und den hallenden Menschenstimmen zu ringen. Ich weiß selbst nicht, wie mir so bange und beklommen ward, noch weniger, wie es kam, daß Antonie, von der Hand ihrer Aufseherin losgemacht, zu mir hintrat. Sie sah mit scharfem Blick auf die Novize, und als diese niederkniete und sich anschickte, ihr Gelübbde abzulegen, die Musik schwieg, und kein Athemzug aus der dichten Volksmenge gehört ward, schlang Antonie beide Arme über die Brust, und sank wie todt zu meinen Füßen. Ich hob sie erschrocken auf, richtete ihr den Kopf in die Höhe, sie hatte beide Augen geschlossen und vollkommen das Ansehn einer Schlafenden. Wie ist Dir Kind? fragte ich leise, den Andern kaum hörbar, aber sie sagte, langsam und sehr deutlich, mit einer Stimme, die aus keiner Menschenbrust, nicht über Menschenlippen zu kommen schien, tief wie aus dem hohlen Innern einer Maschine: heißt ihr, das Bildniß wegwerfen, das
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/47>, abgerufen am 16.02.2025. |