Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.wir sie noch in den Frühmetten umherschleichend, oder sie gesellte sich im Schlafe zu uns, und fand jedesmal ihren Platz an meiner Seite. Erweckten wir sie, so war ihr von allem dem keine Erinnerung geblieben, und sie schien unsern Worten sogar keinen Glauben beizumessen. Da ihre Gesundheit indeß durch diese Naturunordnung litt, so war ich genöthigt, dem Rath erfahrner Aerzte gemäß, zu strengen Züchtigungen meine Zuflucht zu nehmen, und ich heilte sie auch wirklich von diesem krankhaften Schlaf, der ihr oftmals die heftigsten Uebel zuzog. Doch scheint die, einmal in ihren Grundfesten anders gebildete Organisation, stets einen eigenthümlichen Gang zu gehn! Antonie fällt zu Zeiten, am Tage, in jenen dem Nachtwandel ähnlichen Zustand; welchen noch kein Arzt recht verstand, ihn entweder zu hoch, außer der Sphäre medicinischer Erkenntniß, oder zu tief, in die Classe gemeiner Verstellungskunst, hinabsetzend. Wie wenig letzteres nun hier der Fall ist, bewies schon sehr frühe ein Vorfall, der mir stets unvergeßlich bleiben wird. Eine junge Novize sollte ihr Gelübde ablegen. Der Tag war festgesetzt. Die Heiligkeit, wie der äußere Schein der Feier, zog Fromme und Neugierige herbei, ganz ungewohntes Leben regte sich um die Kinder, deren Gemüth durch Hin- und Wieder-Reden, Vorkehrungen und wir sie noch in den Frühmetten umherschleichend, oder sie gesellte sich im Schlafe zu uns, und fand jedesmal ihren Platz an meiner Seite. Erweckten wir sie, so war ihr von allem dem keine Erinnerung geblieben, und sie schien unsern Worten sogar keinen Glauben beizumessen. Da ihre Gesundheit indeß durch diese Naturunordnung litt, so war ich genöthigt, dem Rath erfahrner Aerzte gemäß, zu strengen Züchtigungen meine Zuflucht zu nehmen, und ich heilte sie auch wirklich von diesem krankhaften Schlaf, der ihr oftmals die heftigsten Uebel zuzog. Doch scheint die, einmal in ihren Grundfesten anders gebildete Organisation, stets einen eigenthümlichen Gang zu gehn! Antonie fällt zu Zeiten, am Tage, in jenen dem Nachtwandel ähnlichen Zustand; welchen noch kein Arzt recht verstand, ihn entweder zu hoch, außer der Sphäre medicinischer Erkenntniß, oder zu tief, in die Classe gemeiner Verstellungskunst, hinabsetzend. Wie wenig letzteres nun hier der Fall ist, bewies schon sehr frühe ein Vorfall, der mir stets unvergeßlich bleiben wird. Eine junge Novize sollte ihr Gelübde ablegen. Der Tag war festgesetzt. Die Heiligkeit, wie der äußere Schein der Feier, zog Fromme und Neugierige herbei, ganz ungewohntes Leben regte sich um die Kinder, deren Gemüth durch Hin- und Wieder-Reden, Vorkehrungen und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0046" n="39"/> wir sie noch in den Frühmetten umherschleichend, oder sie gesellte sich im Schlafe zu uns, und fand jedesmal ihren Platz an meiner Seite. Erweckten wir sie, so war ihr von allem dem keine Erinnerung geblieben, und sie schien unsern Worten sogar keinen Glauben beizumessen. Da ihre Gesundheit indeß durch diese Naturunordnung litt, so war ich genöthigt, dem Rath erfahrner Aerzte gemäß, zu strengen Züchtigungen meine Zuflucht zu nehmen, und ich heilte sie auch wirklich von diesem krankhaften Schlaf, der ihr oftmals die heftigsten Uebel zuzog. Doch scheint die, einmal in ihren Grundfesten anders gebildete Organisation, stets einen eigenthümlichen Gang zu gehn! Antonie fällt zu Zeiten, am Tage, in jenen dem Nachtwandel ähnlichen Zustand; welchen noch kein Arzt recht verstand, ihn entweder zu hoch, außer der Sphäre medicinischer Erkenntniß, oder zu tief, in die Classe gemeiner Verstellungskunst, hinabsetzend. Wie wenig letzteres nun hier der Fall ist, bewies schon sehr frühe ein Vorfall, der mir stets unvergeßlich bleiben wird. Eine junge Novize sollte ihr Gelübde ablegen. Der Tag war festgesetzt. Die Heiligkeit, wie der äußere Schein der Feier, zog Fromme und Neugierige herbei, ganz ungewohntes Leben regte sich um die Kinder, deren Gemüth durch Hin- und Wieder-Reden, Vorkehrungen und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0046]
wir sie noch in den Frühmetten umherschleichend, oder sie gesellte sich im Schlafe zu uns, und fand jedesmal ihren Platz an meiner Seite. Erweckten wir sie, so war ihr von allem dem keine Erinnerung geblieben, und sie schien unsern Worten sogar keinen Glauben beizumessen. Da ihre Gesundheit indeß durch diese Naturunordnung litt, so war ich genöthigt, dem Rath erfahrner Aerzte gemäß, zu strengen Züchtigungen meine Zuflucht zu nehmen, und ich heilte sie auch wirklich von diesem krankhaften Schlaf, der ihr oftmals die heftigsten Uebel zuzog. Doch scheint die, einmal in ihren Grundfesten anders gebildete Organisation, stets einen eigenthümlichen Gang zu gehn! Antonie fällt zu Zeiten, am Tage, in jenen dem Nachtwandel ähnlichen Zustand; welchen noch kein Arzt recht verstand, ihn entweder zu hoch, außer der Sphäre medicinischer Erkenntniß, oder zu tief, in die Classe gemeiner Verstellungskunst, hinabsetzend. Wie wenig letzteres nun hier der Fall ist, bewies schon sehr frühe ein Vorfall, der mir stets unvergeßlich bleiben wird. Eine junge Novize sollte ihr Gelübde ablegen. Der Tag war festgesetzt. Die Heiligkeit, wie der äußere Schein der Feier, zog Fromme und Neugierige herbei, ganz ungewohntes Leben regte sich um die Kinder, deren Gemüth durch Hin- und Wieder-Reden, Vorkehrungen und
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/46>, abgerufen am 16.02.2025. |