Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.sie ihre brennende Lippen auf die Hand der Baronin drückte. Diese küßte ihr die Stirn, und sah sie, mit einer Art von wehmüthigen Beklemmung, an dem Nachtlicht vorüber durch das Zimmer gehn. Am folgenden Morgen ließ der Herzog keinen aus der Gesellschaft lange ruhen. Er war heftig, ja ungestüm, und konnte es nicht dulden, daß man lange über einen Entschluß sann, oder die Entscheidung gar von sich wegschob. Die Baronin aber trauete sich selbst nicht recht in Dingen, die in einem sächlich oder persönlichen Verhältniß zu nahe auf sie zutraten, ihr Blick ward alsdann leicht befangen, es ging ihr, wie solchen Augenkranken, die nur in gewisser Entfernung eine helle Unterscheidung und Uebersicht gewinnen. Sie sagte daher dem Herzog: Niemand wird so geblendet, so leicht bestochen, als ich wenn Mehreres zusammentritt; verschone mich also mit jedem, was einer Auswahl unter Vielem ähnlich sieht. Ich bin entweder ganz Gefühl, oder ganz Ueberlegung. Die Letztere allein läßt es zu nichts kommen, das Erstere reißt mich fort. Ist einmal ein Unglück geschehn, so weiß ich mich schnell zu finden, weil ich, zurücksehend, die Ursach bald entdecke, soll ich dies aber umgehn, so verwickele ich mich in den Wegen die umherlaufen. Es ist einmal meine Art so. sie ihre brennende Lippen auf die Hand der Baronin drückte. Diese küßte ihr die Stirn, und sah sie, mit einer Art von wehmüthigen Beklemmung, an dem Nachtlicht vorüber durch das Zimmer gehn. Am folgenden Morgen ließ der Herzog keinen aus der Gesellschaft lange ruhen. Er war heftig, ja ungestüm, und konnte es nicht dulden, daß man lange über einen Entschluß sann, oder die Entscheidung gar von sich wegschob. Die Baronin aber trauete sich selbst nicht recht in Dingen, die in einem sächlich oder persönlichen Verhältniß zu nahe auf sie zutraten, ihr Blick ward alsdann leicht befangen, es ging ihr, wie solchen Augenkranken, die nur in gewisser Entfernung eine helle Unterscheidung und Uebersicht gewinnen. Sie sagte daher dem Herzog: Niemand wird so geblendet, so leicht bestochen, als ich wenn Mehreres zusammentritt; verschone mich also mit jedem, was einer Auswahl unter Vielem ähnlich sieht. Ich bin entweder ganz Gefühl, oder ganz Ueberlegung. Die Letztere allein läßt es zu nichts kommen, das Erstere reißt mich fort. Ist einmal ein Unglück geschehn, so weiß ich mich schnell zu finden, weil ich, zurücksehend, die Ursach bald entdecke, soll ich dies aber umgehn, so verwickele ich mich in den Wegen die umherlaufen. Es ist einmal meine Art so. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0120" n="113"/> sie ihre brennende Lippen auf die Hand der Baronin drückte. Diese küßte ihr die Stirn, und sah sie, mit einer Art von wehmüthigen Beklemmung, an dem Nachtlicht vorüber durch das Zimmer gehn.</p> <p>Am folgenden Morgen ließ der Herzog keinen aus der Gesellschaft lange ruhen. Er war heftig, ja ungestüm, und konnte es nicht dulden, daß man lange über einen Entschluß sann, oder die Entscheidung gar von sich wegschob. Die Baronin aber trauete sich selbst nicht recht in Dingen, die in einem sächlich oder persönlichen Verhältniß zu nahe auf sie zutraten, ihr Blick ward alsdann leicht befangen, es ging ihr, wie solchen Augenkranken, die nur in gewisser Entfernung eine helle Unterscheidung und Uebersicht gewinnen. Sie sagte daher dem Herzog: Niemand wird so geblendet, so leicht bestochen, als ich wenn Mehreres zusammentritt; verschone mich also mit jedem, was einer Auswahl unter Vielem ähnlich sieht. Ich bin entweder ganz Gefühl, oder ganz Ueberlegung. Die Letztere allein läßt es zu nichts kommen, das Erstere reißt mich fort. Ist einmal ein Unglück geschehn, so weiß ich mich schnell zu finden, weil ich, zurücksehend, die Ursach bald entdecke, soll ich dies aber umgehn, so verwickele ich mich in den Wegen die umherlaufen. Es ist einmal meine Art so. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [113/0120]
sie ihre brennende Lippen auf die Hand der Baronin drückte. Diese küßte ihr die Stirn, und sah sie, mit einer Art von wehmüthigen Beklemmung, an dem Nachtlicht vorüber durch das Zimmer gehn.
Am folgenden Morgen ließ der Herzog keinen aus der Gesellschaft lange ruhen. Er war heftig, ja ungestüm, und konnte es nicht dulden, daß man lange über einen Entschluß sann, oder die Entscheidung gar von sich wegschob. Die Baronin aber trauete sich selbst nicht recht in Dingen, die in einem sächlich oder persönlichen Verhältniß zu nahe auf sie zutraten, ihr Blick ward alsdann leicht befangen, es ging ihr, wie solchen Augenkranken, die nur in gewisser Entfernung eine helle Unterscheidung und Uebersicht gewinnen. Sie sagte daher dem Herzog: Niemand wird so geblendet, so leicht bestochen, als ich wenn Mehreres zusammentritt; verschone mich also mit jedem, was einer Auswahl unter Vielem ähnlich sieht. Ich bin entweder ganz Gefühl, oder ganz Ueberlegung. Die Letztere allein läßt es zu nichts kommen, das Erstere reißt mich fort. Ist einmal ein Unglück geschehn, so weiß ich mich schnell zu finden, weil ich, zurücksehend, die Ursach bald entdecke, soll ich dies aber umgehn, so verwickele ich mich in den Wegen die umherlaufen. Es ist einmal meine Art so.
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/120>, abgerufen am 16.02.2025. |