Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

Darauf kommt zuletzt, Alles zusammen-
genommen, ein verständiger Rath zurück.
Allein der Begriff solcher freiwilligen Ent-
behrung muß doch erst festgestellt werden,
ehe irgend eine Hoffnung darauf zu bauen,
oder ein Nutzen davon abzusehen ist.

Sollte wirklich durch eine geistige
Hungerkur
das erschlaffte Empfindungs-
vermögen, sollen die abgestumpften Geschmacks-
nerven, die Schwungräder innerer Umtriebe,
auf sich selbst zurückgeführt, in Ruhe gesetzt,
allmählig erneuet und gekräftiget werden?
Oder sollen Mäßigkeit und Vereinfachung
der Nahrungsstoffe den Sinnen Zeit lassen,
sich in dem Genusse des Einzelnen zu er-
weitern und zu erheben? Jst es die Unthä-
tigkeit oder die bestimmte Uebung der Kräfte,
welche diesen Elastizität, Dehnbarkeit, Con-
centrizität verleihet? Es stimmt zuverlässig
ein Jeder um so eher für das Letztere, als
die Meisten mit mir überzeugt sind, der Mensch
könne am hellen Tage die wache Natur nicht
zu willkührlichem Schlafe zwingen, ohne mit
sich oder Andern Komödie zu spielen.

Darauf kommt zuletzt, Alles zuſammen-
genommen, ein verſtaͤndiger Rath zuruͤck.
Allein der Begriff ſolcher freiwilligen Ent-
behrung muß doch erſt feſtgeſtellt werden,
ehe irgend eine Hoffnung darauf zu bauen,
oder ein Nutzen davon abzuſehen iſt.

Sollte wirklich durch eine geiſtige
Hungerkur
das erſchlaffte Empfindungs-
vermoͤgen, ſollen die abgeſtumpften Geſchmacks-
nerven, die Schwungraͤder innerer Umtriebe,
auf ſich ſelbſt zuruͤckgefuͤhrt, in Ruhe geſetzt,
allmaͤhlig erneuet und gekraͤftiget werden?
Oder ſollen Maͤßigkeit und Vereinfachung
der Nahrungsſtoffe den Sinnen Zeit laſſen,
ſich in dem Genuſſe des Einzelnen zu er-
weitern und zu erheben? Jſt es die Unthaͤ-
tigkeit oder die beſtimmte Uebung der Kraͤfte,
welche dieſen Elaſtizitaͤt, Dehnbarkeit, Con-
centrizitaͤt verleihet? Es ſtimmt zuverlaͤſſig
ein Jeder um ſo eher fuͤr das Letztere, als
die Meiſten mit mir uͤberzeugt ſind, der Menſch
koͤnne am hellen Tage die wache Natur nicht
zu willkuͤhrlichem Schlafe zwingen, ohne mit
ſich oder Andern Komoͤdie zu ſpielen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0062" n="58"/>
          <p>Darauf kommt zuletzt, Alles zu&#x017F;ammen-<lb/>
genommen, ein ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger Rath zuru&#x0364;ck.<lb/>
Allein der Begriff &#x017F;olcher freiwilligen Ent-<lb/>
behrung muß doch er&#x017F;t fe&#x017F;tge&#x017F;tellt werden,<lb/>
ehe irgend eine Hoffnung darauf zu bauen,<lb/>
oder ein Nutzen davon abzu&#x017F;ehen i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Sollte wirklich durch eine <hi rendition="#g">gei&#x017F;tige<lb/>
Hungerkur</hi> das er&#x017F;chlaffte Empfindungs-<lb/>
vermo&#x0364;gen, &#x017F;ollen die abge&#x017F;tumpften Ge&#x017F;chmacks-<lb/>
nerven, die Schwungra&#x0364;der innerer Umtriebe,<lb/>
auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zuru&#x0364;ckgefu&#x0364;hrt, in Ruhe ge&#x017F;etzt,<lb/>
allma&#x0364;hlig erneuet und gekra&#x0364;ftiget werden?<lb/>
Oder &#x017F;ollen Ma&#x0364;ßigkeit und Vereinfachung<lb/>
der Nahrungs&#x017F;toffe den Sinnen Zeit la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ich in dem Genu&#x017F;&#x017F;e des Einzelnen zu er-<lb/>
weitern und zu erheben? J&#x017F;t es die Untha&#x0364;-<lb/>
tigkeit oder die be&#x017F;timmte Uebung der Kra&#x0364;fte,<lb/>
welche die&#x017F;en Ela&#x017F;tizita&#x0364;t, Dehnbarkeit, Con-<lb/>
centrizita&#x0364;t verleihet? Es &#x017F;timmt zuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig<lb/>
ein Jeder um &#x017F;o eher fu&#x0364;r das Letztere, als<lb/>
die Mei&#x017F;ten mit mir u&#x0364;berzeugt &#x017F;ind, der Men&#x017F;ch<lb/>
ko&#x0364;nne am hellen Tage die wache Natur nicht<lb/>
zu willku&#x0364;hrlichem Schlafe zwingen, ohne mit<lb/>
&#x017F;ich oder Andern Komo&#x0364;die zu &#x017F;pielen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0062] Darauf kommt zuletzt, Alles zuſammen- genommen, ein verſtaͤndiger Rath zuruͤck. Allein der Begriff ſolcher freiwilligen Ent- behrung muß doch erſt feſtgeſtellt werden, ehe irgend eine Hoffnung darauf zu bauen, oder ein Nutzen davon abzuſehen iſt. Sollte wirklich durch eine geiſtige Hungerkur das erſchlaffte Empfindungs- vermoͤgen, ſollen die abgeſtumpften Geſchmacks- nerven, die Schwungraͤder innerer Umtriebe, auf ſich ſelbſt zuruͤckgefuͤhrt, in Ruhe geſetzt, allmaͤhlig erneuet und gekraͤftiget werden? Oder ſollen Maͤßigkeit und Vereinfachung der Nahrungsſtoffe den Sinnen Zeit laſſen, ſich in dem Genuſſe des Einzelnen zu er- weitern und zu erheben? Jſt es die Unthaͤ- tigkeit oder die beſtimmte Uebung der Kraͤfte, welche dieſen Elaſtizitaͤt, Dehnbarkeit, Con- centrizitaͤt verleihet? Es ſtimmt zuverlaͤſſig ein Jeder um ſo eher fuͤr das Letztere, als die Meiſten mit mir uͤberzeugt ſind, der Menſch koͤnne am hellen Tage die wache Natur nicht zu willkuͤhrlichem Schlafe zwingen, ohne mit ſich oder Andern Komoͤdie zu ſpielen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/62
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/62>, abgerufen am 26.11.2024.