ein Streben verriethe! Allein das Für und Wider heutiger Meinungen gehört eben so zu den übrigen Ephemeren der Zeit, als ihre Erzeuger, die Gedanken, dem letzten und neuesten Buche entnommen. Die hitzige Eil, mit welcher sie einander durchkreuzen, ist nicht Drang des Vorwärtswollens, sondern Unruhe, da fortzukommen, wo man lange genug gestanden hat. Und wie man durch lebhaft vibrirende Gebehrden bei Kindern und Greisen fälschlich auf große, geistige Bele- bung schließt, so täuscht uns der streit- süchtige Enthusiasmus des Momentes, der nur darum streitet, um vor sich selbst Recht zu haben. Wenn im Gegentheil der Enthu- siasmus der Begeisterung geräuschlos kämpft, und lieber ein ganzes Leben voll Ausdauer und Arbeit daran setzt, als unnütze Worte zu verlieren.
Man kann es so wenig sich als Andern abläugnen, daß bei dem Uebermaaß belletri- stischer Werke eine Uebernossenheit eingetreten ist, welche immer stärkere Reizmittel fordert. Da nun die iritative, wie jede andre Kraft
ein Streben verriethe! Allein das Fuͤr und Wider heutiger Meinungen gehoͤrt eben ſo zu den uͤbrigen Ephemeren der Zeit, als ihre Erzeuger, die Gedanken, dem letzten und neueſten Buche entnommen. Die hitzige Eil, mit welcher ſie einander durchkreuzen, iſt nicht Drang des Vorwaͤrtswollens, ſondern Unruhe, da fortzukommen, wo man lange genug geſtanden hat. Und wie man durch lebhaft vibrirende Gebehrden bei Kindern und Greiſen faͤlſchlich auf große, geiſtige Bele- bung ſchließt, ſo taͤuſcht uns der ſtreit- ſuͤchtige Enthuſiasmus des Momentes, der nur darum ſtreitet, um vor ſich ſelbſt Recht zu haben. Wenn im Gegentheil der Enthu- ſiasmus der Begeiſterung geraͤuſchlos kaͤmpft, und lieber ein ganzes Leben voll Ausdauer und Arbeit daran ſetzt, als unnuͤtze Worte zu verlieren.
Man kann es ſo wenig ſich als Andern ablaͤugnen, daß bei dem Uebermaaß belletri- ſtiſcher Werke eine Uebernoſſenheit eingetreten iſt, welche immer ſtaͤrkere Reizmittel fordert. Da nun die iritative, wie jede andre Kraft
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ein Streben verriethe! Allein das Fuͤr und
Wider heutiger Meinungen gehoͤrt eben ſo
zu den uͤbrigen Ephemeren der Zeit, als ihre
Erzeuger, die Gedanken, dem letzten und
neueſten Buche entnommen. Die hitzige Eil,
mit welcher ſie einander durchkreuzen, iſt
nicht Drang des Vorwaͤrtswollens, ſondern
Unruhe, da fortzukommen, wo man lange
genug geſtanden hat. Und wie man durch
lebhaft vibrirende Gebehrden bei Kindern und
Greiſen faͤlſchlich auf große, geiſtige Bele-
bung ſchließt, ſo taͤuſcht uns der ſtreit-
ſuͤchtige Enthuſiasmus des Momentes, der
nur darum ſtreitet, um vor ſich ſelbſt Recht
zu haben. Wenn im Gegentheil der Enthu-
ſiasmus der Begeiſterung geraͤuſchlos kaͤmpft,
und lieber ein ganzes Leben voll Ausdauer
und Arbeit daran ſetzt, als unnuͤtze Worte
zu verlieren.
Man kann es ſo wenig ſich als Andern
ablaͤugnen, daß bei dem Uebermaaß belletri-
ſtiſcher Werke eine Uebernoſſenheit eingetreten
iſt, welche immer ſtaͤrkere Reizmittel fordert.
Da nun die iritative, wie jede andre Kraft
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/57>, abgerufen am 26.11.2024.
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