Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

das Recht, ihn mehr in Anspruch zu neh-
men, als die Pflicht. Jetzt will man von
Allem die Bedeutung wissen; bis auf die
Neigung des Kopfes oder der Knie fragt
man: "warum gerade das?" Es hängt
hiermit, wie mit jedem, was in der Zeit
entsteht, und eine Gewalt über die Gemüther
übt, vielerlei zusammen. Ueberdem ist es
einmal da! es kann nicht weggewischt und
weggezweifelt werden. Gleichwohl dürfte
vielleicht die herrschende Richtung selbst gerade
zu dem zurückführen, von wo sie sich zu
entfernen strebt. Sind die Gesetze gegensei-
tiger Verbindlichkeiten im Leben einmal in
ihrer Wurzel aufgefunden, so kann auch
länger keine Streitfrage über die Form ihrer
Ausübung entstehen. Ueberdem, wenn gerade
dadurch, daß alles und jedes in's Bewußtsein
treten muß, dem Unwillkührlichen, im Sein
und Empfinden, der allerschlimmste Zwang
aufgelegt ward, und, statt warmem, freiem
Entgegenkommen, unabsichtlichen Reden, be-
scheidenem Urtheilen, nur inneres Zerfallen
aus den peinlichen Zergliedern der Begriffe

das Recht, ihn mehr in Anſpruch zu neh-
men, als die Pflicht. Jetzt will man von
Allem die Bedeutung wiſſen; bis auf die
Neigung des Kopfes oder der Knie fragt
man: „warum gerade das?‟ Es haͤngt
hiermit, wie mit jedem, was in der Zeit
entſteht, und eine Gewalt uͤber die Gemuͤther
uͤbt, vielerlei zuſammen. Ueberdem iſt es
einmal da! es kann nicht weggewiſcht und
weggezweifelt werden. Gleichwohl duͤrfte
vielleicht die herrſchende Richtung ſelbſt gerade
zu dem zuruͤckfuͤhren, von wo ſie ſich zu
entfernen ſtrebt. Sind die Geſetze gegenſei-
tiger Verbindlichkeiten im Leben einmal in
ihrer Wurzel aufgefunden, ſo kann auch
laͤnger keine Streitfrage uͤber die Form ihrer
Ausuͤbung entſtehen. Ueberdem, wenn gerade
dadurch, daß alles und jedes in’s Bewußtſein
treten muß, dem Unwillkuͤhrlichen, im Sein
und Empfinden, der allerſchlimmſte Zwang
aufgelegt ward, und, ſtatt warmem, freiem
Entgegenkommen, unabſichtlichen Reden, be-
ſcheidenem Urtheilen, nur inneres Zerfallen
aus den peinlichen Zergliedern der Begriffe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0026" n="22"/>
das Recht, ihn mehr in An&#x017F;pruch zu neh-<lb/>
men, als die Pflicht. Jetzt will man von<lb/>
Allem die Bedeutung wi&#x017F;&#x017F;en; bis auf die<lb/>
Neigung des Kopfes oder der Knie fragt<lb/>
man: &#x201E;warum gerade das?&#x201F; Es ha&#x0364;ngt<lb/>
hiermit, wie mit jedem, was in der Zeit<lb/>
ent&#x017F;teht, und eine Gewalt u&#x0364;ber die Gemu&#x0364;ther<lb/>
u&#x0364;bt, vielerlei zu&#x017F;ammen. Ueberdem i&#x017F;t es<lb/>
einmal <hi rendition="#g">da!</hi> es kann nicht weggewi&#x017F;cht und<lb/>
weggezweifelt werden. Gleichwohl du&#x0364;rfte<lb/>
vielleicht die herr&#x017F;chende Richtung &#x017F;elb&#x017F;t gerade<lb/>
zu <hi rendition="#g">dem</hi> zuru&#x0364;ckfu&#x0364;hren, von wo &#x017F;ie &#x017F;ich zu<lb/>
entfernen &#x017F;trebt. Sind die Ge&#x017F;etze gegen&#x017F;ei-<lb/>
tiger Verbindlichkeiten im Leben einmal in<lb/>
ihrer Wurzel aufgefunden, &#x017F;o kann auch<lb/>
la&#x0364;nger keine Streitfrage u&#x0364;ber die Form ihrer<lb/>
Ausu&#x0364;bung ent&#x017F;tehen. Ueberdem, wenn gerade<lb/>
dadurch, daß alles und jedes in&#x2019;s Bewußt&#x017F;ein<lb/>
treten muß, dem Unwillku&#x0364;hrlichen, im Sein<lb/>
und Empfinden, der aller&#x017F;chlimm&#x017F;te Zwang<lb/>
aufgelegt ward, und, &#x017F;tatt warmem, freiem<lb/>
Entgegenkommen, unab&#x017F;ichtlichen Reden, be-<lb/>
&#x017F;cheidenem Urtheilen, nur inneres Zerfallen<lb/>
aus den peinlichen Zergliedern der Begriffe<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0026] das Recht, ihn mehr in Anſpruch zu neh- men, als die Pflicht. Jetzt will man von Allem die Bedeutung wiſſen; bis auf die Neigung des Kopfes oder der Knie fragt man: „warum gerade das?‟ Es haͤngt hiermit, wie mit jedem, was in der Zeit entſteht, und eine Gewalt uͤber die Gemuͤther uͤbt, vielerlei zuſammen. Ueberdem iſt es einmal da! es kann nicht weggewiſcht und weggezweifelt werden. Gleichwohl duͤrfte vielleicht die herrſchende Richtung ſelbſt gerade zu dem zuruͤckfuͤhren, von wo ſie ſich zu entfernen ſtrebt. Sind die Geſetze gegenſei- tiger Verbindlichkeiten im Leben einmal in ihrer Wurzel aufgefunden, ſo kann auch laͤnger keine Streitfrage uͤber die Form ihrer Ausuͤbung entſtehen. Ueberdem, wenn gerade dadurch, daß alles und jedes in’s Bewußtſein treten muß, dem Unwillkuͤhrlichen, im Sein und Empfinden, der allerſchlimmſte Zwang aufgelegt ward, und, ſtatt warmem, freiem Entgegenkommen, unabſichtlichen Reden, be- ſcheidenem Urtheilen, nur inneres Zerfallen aus den peinlichen Zergliedern der Begriffe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/26
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/26>, abgerufen am 21.11.2024.