werden, ist es ohngefähr dasselbe. Die Jllusion, daß der Beruf, gegen alle ur- sprüngliche Natur, ein ganz besonderer, für die eigenthümliche Organisation eines Jndi- viduums, und für dieses vorher bestimmt sein solle, verliert alle Kraft mit dem Wech- sel der Ansichten und Stimmungen jener ge- rühmten Originale. Sie wird nicht älter, als die Veranlassung, welche sie erzeugte.
Wäre hierin Wahrheit, so würde diese etwas Bleibendes schaffen. Wir kennen aber wenige, oder vielleicht gar kein vollstän- diges Kunstwerk, das unmittelbar dem weiblichen Genie entsprungen wäre. Jn der bildenden Kunst zählt nur die Mahlerei Schülerinnen, und diese zeichnen sich höch- stens durch Coppieen aus. -- Musicalische Eompositionen nennen keinen, oder mir un- bekannten, Frauennamen.
Poesie, solche, die elegisch oder idyllisch dem Herzen entströmt, gehört auch dem Her- zen, und wird eben so natürlich empfunden als gesprochen. Das Maaß innerhalb, wel- chem sie sich gestaltet, ist der weichern und
werden, iſt es ohngefaͤhr daſſelbe. Die Jlluſion, daß der Beruf, gegen alle ur- ſpruͤngliche Natur, ein ganz beſonderer, fuͤr die eigenthuͤmliche Organiſation eines Jndi- viduums, und fuͤr dieſes vorher beſtimmt ſein ſolle, verliert alle Kraft mit dem Wech- ſel der Anſichten und Stimmungen jener ge- ruͤhmten Originale. Sie wird nicht aͤlter, als die Veranlaſſung, welche ſie erzeugte.
Waͤre hierin Wahrheit, ſo wuͤrde dieſe etwas Bleibendes ſchaffen. Wir kennen aber wenige, oder vielleicht gar kein vollſtaͤn- diges Kunſtwerk, das unmittelbar dem weiblichen Genie entſprungen waͤre. Jn der bildenden Kunſt zaͤhlt nur die Mahlerei Schuͤlerinnen, und dieſe zeichnen ſich hoͤch- ſtens durch Coppieen aus. — Muſicaliſche Eompoſitionen nennen keinen, oder mir un- bekannten, Frauennamen.
Poeſie, ſolche, die elegiſch oder idylliſch dem Herzen entſtroͤmt, gehoͤrt auch dem Her- zen, und wird eben ſo natuͤrlich empfunden als geſprochen. Das Maaß innerhalb, wel- chem ſie ſich geſtaltet, iſt der weichern und
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werden, iſt es ohngefaͤhr daſſelbe. Die
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ſpruͤngliche Natur, ein ganz beſonderer, fuͤr
die eigenthuͤmliche Organiſation eines Jndi-
viduums, und fuͤr dieſes vorher beſtimmt
ſein ſolle, verliert alle Kraft mit dem Wech-
ſel der Anſichten und Stimmungen jener ge-
ruͤhmten Originale. Sie wird nicht aͤlter,
als die Veranlaſſung, welche ſie erzeugte.
Waͤre hierin Wahrheit, ſo wuͤrde dieſe
etwas Bleibendes ſchaffen. Wir kennen
aber wenige, oder vielleicht gar kein vollſtaͤn-
diges Kunſtwerk, das unmittelbar dem
weiblichen Genie entſprungen waͤre. Jn der
bildenden Kunſt zaͤhlt nur die Mahlerei
Schuͤlerinnen, und dieſe zeichnen ſich hoͤch-
ſtens durch Coppieen aus. — Muſicaliſche
Eompoſitionen nennen keinen, oder mir un-
bekannten, Frauennamen.
Poeſie, ſolche, die elegiſch oder idylliſch
dem Herzen entſtroͤmt, gehoͤrt auch dem Her-
zen, und wird eben ſo natuͤrlich empfunden
als geſprochen. Das Maaß innerhalb, wel-
chem ſie ſich geſtaltet, iſt der weichern und
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/254>, abgerufen am 16.02.2025.
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