sammen, aber sie verständigt nicht immer, sie scheuet oft das genauere Eingehen auf das Unverstandene, aus Gründen, die ihrer ängstlichen Gewöhnung eigen sind. Kinder verschließen sich, Mütter forschen nicht, man läßt unberührt, was ohne innere Begleitung zusammengezogen, doch nie ineinander über- gehend, gedacht werden kann.
Welche Einwirkung findet aber da statt, wo kein höheres Vertrauen obwaltet? --
Was hat man denn davon, die anver- traueteten Pfänder nicht einen Augenblick aus den Händen gelassen zu haben, wenn unvermerkt die Bande fesselnder Bedürftig- keit sich lösen, Geist und Seele davon flie- gen, und das Herz nur dankbare Erinne- rungen hegt?
Was ist es für eine Liebe, deren Schwin- gen nicht wachsen, nicht durch alle Räume des Daseins, durch alle Himmel des Ent- zückens, in die Tiefen des Schmerzens be- gleitend tragen können? Muß sie irgendwo zurückbleiben, so hat sie sich selbst um ihr göttliches Vorrecht betrogen.
ſammen, aber ſie verſtaͤndigt nicht immer, ſie ſcheuet oft das genauere Eingehen auf das Unverſtandene, aus Gruͤnden, die ihrer aͤngſtlichen Gewoͤhnung eigen ſind. Kinder verſchließen ſich, Muͤtter forſchen nicht, man laͤßt unberuͤhrt, was ohne innere Begleitung zuſammengezogen, doch nie ineinander uͤber- gehend, gedacht werden kann.
Welche Einwirkung findet aber da ſtatt, wo kein hoͤheres Vertrauen obwaltet? —
Was hat man denn davon, die anver- traueteten Pfaͤnder nicht einen Augenblick aus den Haͤnden gelaſſen zu haben, wenn unvermerkt die Bande feſſelnder Beduͤrftig- keit ſich loͤſen, Geiſt und Seele davon flie- gen, und das Herz nur dankbare Erinne- rungen hegt?
Was iſt es fuͤr eine Liebe, deren Schwin- gen nicht wachſen, nicht durch alle Raͤume des Daſeins, durch alle Himmel des Ent- zuͤckens, in die Tiefen des Schmerzens be- gleitend tragen koͤnnen? Muß ſie irgendwo zuruͤckbleiben, ſo hat ſie ſich ſelbſt um ihr goͤttliches Vorrecht betrogen.
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ſammen, aber ſie verſtaͤndigt nicht immer,
ſie ſcheuet oft das genauere Eingehen auf
das Unverſtandene, aus Gruͤnden, die ihrer
aͤngſtlichen Gewoͤhnung eigen ſind. Kinder
verſchließen ſich, Muͤtter forſchen nicht, man
laͤßt unberuͤhrt, was ohne innere Begleitung
zuſammengezogen, doch nie ineinander uͤber-
gehend, gedacht werden kann.
Welche Einwirkung findet aber da ſtatt,
wo kein hoͤheres Vertrauen obwaltet? —
Was hat man denn davon, die anver-
traueteten Pfaͤnder nicht einen Augenblick
aus den Haͤnden gelaſſen zu haben, wenn
unvermerkt die Bande feſſelnder Beduͤrftig-
keit ſich loͤſen, Geiſt und Seele davon flie-
gen, und das Herz nur dankbare Erinne-
rungen hegt?
Was iſt es fuͤr eine Liebe, deren Schwin-
gen nicht wachſen, nicht durch alle Raͤume
des Daſeins, durch alle Himmel des Ent-
zuͤckens, in die Tiefen des Schmerzens be-
gleitend tragen koͤnnen? Muß ſie irgendwo
zuruͤckbleiben, ſo hat ſie ſich ſelbſt um ihr
goͤttliches Vorrecht betrogen.
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/238>, abgerufen am 16.07.2024.
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