Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

man Hühner und Gänse rupft, auch dem
Gedanken die Schwungfedern auszuziehn, und
ihn in kurzen muntern Sprüngen seine Ca-
priolen auf ebner Erde machen zu lassen.
Träfe es sich auch, daß ein und dem an-
dern Hochgesinnten nach einem weitern und
stillern Lichtkreise verlangte, als ihm in der
Nähe seiner Erdensonne geworden ist, wollte
er den Nacken wie den Blick erheben, es
giebt zwar kleine und zierliche, aber so un-
ermüdliche Finger, die immer auf derselben
Stelle ticken, daß das Gefühl durch alle
Nerven geht, diese endlich abgespannt zu-
sammensinken, und der gebrochene Wille den
Kopf demüthig auf die Brust fallen läßt.

So viel vermögen die alltäglichen Wie-
genlieder, und der einschläfernde Dunst häus-
licher Atmosphäre, wenn der Geist die
Flamme auf dem Altare verlöschen läßt,
und das heilige Feuer nur ein Kamin oder
auch wohl gar ein Küchenfeuer wird.

Unter tausend Männerherzen geht jetzt
gewiß kein einziges in einer heftigen Leiden-
schaft verloren, allein unzählige welken in

man Huͤhner und Gaͤnſe rupft, auch dem
Gedanken die Schwungfedern auszuziehn, und
ihn in kurzen muntern Spruͤngen ſeine Ca-
priolen auf ebner Erde machen zu laſſen.
Traͤfe es ſich auch, daß ein und dem an-
dern Hochgeſinnten nach einem weitern und
ſtillern Lichtkreiſe verlangte, als ihm in der
Naͤhe ſeiner Erdenſonne geworden iſt, wollte
er den Nacken wie den Blick erheben, es
giebt zwar kleine und zierliche, aber ſo un-
ermuͤdliche Finger, die immer auf derſelben
Stelle ticken, daß das Gefuͤhl durch alle
Nerven geht, dieſe endlich abgeſpannt zu-
ſammenſinken, und der gebrochene Wille den
Kopf demuͤthig auf die Bruſt fallen laͤßt.

So viel vermoͤgen die alltaͤglichen Wie-
genlieder, und der einſchlaͤfernde Dunſt haͤus-
licher Atmosphaͤre, wenn der Geiſt die
Flamme auf dem Altare verloͤſchen laͤßt,
und das heilige Feuer nur ein Kamin oder
auch wohl gar ein Kuͤchenfeuer wird.

Unter tauſend Maͤnnerherzen geht jetzt
gewiß kein einziges in einer heftigen Leiden-
ſchaft verloren, allein unzaͤhlige welken in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0185" n="181"/>
man Hu&#x0364;hner und Ga&#x0364;n&#x017F;e rupft, auch dem<lb/>
Gedanken die Schwungfedern auszuziehn, und<lb/>
ihn in kurzen muntern Spru&#x0364;ngen &#x017F;eine Ca-<lb/>
priolen auf ebner Erde machen zu la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Tra&#x0364;fe es &#x017F;ich auch, daß ein und dem an-<lb/>
dern Hochge&#x017F;innten nach einem weitern und<lb/>
&#x017F;tillern Lichtkrei&#x017F;e verlangte, als ihm in der<lb/>
Na&#x0364;he &#x017F;einer Erden&#x017F;onne geworden i&#x017F;t, wollte<lb/>
er den Nacken wie den Blick erheben, es<lb/>
giebt zwar kleine und zierliche, aber &#x017F;o un-<lb/>
ermu&#x0364;dliche Finger, die immer auf der&#x017F;elben<lb/>
Stelle ticken, daß das Gefu&#x0364;hl durch alle<lb/>
Nerven geht, die&#x017F;e endlich abge&#x017F;pannt zu-<lb/>
&#x017F;ammen&#x017F;inken, und der gebrochene Wille den<lb/>
Kopf demu&#x0364;thig auf die Bru&#x017F;t fallen la&#x0364;ßt.</p><lb/>
          <p>So viel vermo&#x0364;gen die allta&#x0364;glichen Wie-<lb/>
genlieder, und der ein&#x017F;chla&#x0364;fernde Dun&#x017F;t ha&#x0364;us-<lb/>
licher Atmospha&#x0364;re, wenn der <hi rendition="#g">Gei&#x017F;t</hi> die<lb/>
Flamme auf dem Altare verlo&#x0364;&#x017F;chen la&#x0364;ßt,<lb/>
und das heilige Feuer nur ein Kamin oder<lb/>
auch wohl gar ein Ku&#x0364;chenfeuer wird.</p><lb/>
          <p>Unter tau&#x017F;end Ma&#x0364;nnerherzen geht jetzt<lb/>
gewiß kein einziges in einer heftigen Leiden-<lb/>
&#x017F;chaft verloren, allein unza&#x0364;hlige welken in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0185] man Huͤhner und Gaͤnſe rupft, auch dem Gedanken die Schwungfedern auszuziehn, und ihn in kurzen muntern Spruͤngen ſeine Ca- priolen auf ebner Erde machen zu laſſen. Traͤfe es ſich auch, daß ein und dem an- dern Hochgeſinnten nach einem weitern und ſtillern Lichtkreiſe verlangte, als ihm in der Naͤhe ſeiner Erdenſonne geworden iſt, wollte er den Nacken wie den Blick erheben, es giebt zwar kleine und zierliche, aber ſo un- ermuͤdliche Finger, die immer auf derſelben Stelle ticken, daß das Gefuͤhl durch alle Nerven geht, dieſe endlich abgeſpannt zu- ſammenſinken, und der gebrochene Wille den Kopf demuͤthig auf die Bruſt fallen laͤßt. So viel vermoͤgen die alltaͤglichen Wie- genlieder, und der einſchlaͤfernde Dunſt haͤus- licher Atmosphaͤre, wenn der Geiſt die Flamme auf dem Altare verloͤſchen laͤßt, und das heilige Feuer nur ein Kamin oder auch wohl gar ein Kuͤchenfeuer wird. Unter tauſend Maͤnnerherzen geht jetzt gewiß kein einziges in einer heftigen Leiden- ſchaft verloren, allein unzaͤhlige welken in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/185
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/185>, abgerufen am 23.11.2024.