Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

thätigkeit dazusitzen, nichts sagend und nichts
denkend, als: Mein Gott, nimmt denn der
Cotillon nimals ein Ende! oder, solch ein
Fest ist doch eine rechte Geduldsprobe für
die arme Mütter! weit entfernt sich einer
trockenen und unfruchtbaren Pflichterfüllung
aufzuopfern, bewegten sie sich frei und leicht
in ihrer Welt! spielten oder redeten, gingen
hin und her, bildeten Kreise um sich, fixir-
ten diese in irgend einem bequem gebliebe-
nen Zimmer, wußten etwas zu sagen, wur-
den gehört und hörten wieder, bewahrten den
angebornen und erworbenen Tackt für jede
zartere Abschaltung der Verhältnisse in ei-
nem Maaße, daß ihnen auf halbem Blicke
nichts von dem entging, was jetzt eine stets
begleitende Aufmerksamkeit zu fordern scheint.
Jeder, auch der leiseste Verstoß ward schnell
bemerkt und streng gerügt. Man schien da-
zu weder Augen noch Ohren zu bedürfen.
Die Begriffe von Schicklichkeit waren so
sehr in das Gefühl übergegangen, daß es
mehr Sache der Empfindung, als der Be-
obachtung war, was entschied. Das vor-

thaͤtigkeit dazuſitzen, nichts ſagend und nichts
denkend, als: Mein Gott, nimmt denn der
Cotillon nimals ein Ende! oder, ſolch ein
Feſt iſt doch eine rechte Geduldsprobe fuͤr
die arme Muͤtter! weit entfernt ſich einer
trockenen und unfruchtbaren Pflichterfuͤllung
aufzuopfern, bewegten ſie ſich frei und leicht
in ihrer Welt! ſpielten oder redeten, gingen
hin und her, bildeten Kreiſe um ſich, fixir-
ten dieſe in irgend einem bequem gebliebe-
nen Zimmer, wußten etwas zu ſagen, wur-
den gehoͤrt und hoͤrten wieder, bewahrten den
angebornen und erworbenen Tackt fuͤr jede
zartere Abſchaltung der Verhaͤltniſſe in ei-
nem Maaße, daß ihnen auf halbem Blicke
nichts von dem entging, was jetzt eine ſtets
begleitende Aufmerkſamkeit zu fordern ſcheint.
Jeder, auch der leiſeſte Verſtoß ward ſchnell
bemerkt und ſtreng geruͤgt. Man ſchien da-
zu weder Augen noch Ohren zu beduͤrfen.
Die Begriffe von Schicklichkeit waren ſo
ſehr in das Gefuͤhl uͤbergegangen, daß es
mehr Sache der Empfindung, als der Be-
obachtung war, was entſchied. Das vor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0131" n="127"/>
tha&#x0364;tigkeit dazu&#x017F;itzen, nichts &#x017F;agend und nichts<lb/>
denkend, als: Mein Gott, nimmt denn der<lb/>
Cotillon nimals ein Ende! oder, &#x017F;olch ein<lb/>
Fe&#x017F;t i&#x017F;t doch eine rechte Geduldsprobe fu&#x0364;r<lb/>
die arme Mu&#x0364;tter! weit entfernt &#x017F;ich einer<lb/>
trockenen und unfruchtbaren Pflichterfu&#x0364;llung<lb/>
aufzuopfern, bewegten &#x017F;ie &#x017F;ich frei und leicht<lb/>
in ihrer Welt! &#x017F;pielten oder redeten, gingen<lb/>
hin und her, bildeten Krei&#x017F;e um &#x017F;ich, fixir-<lb/>
ten die&#x017F;e in irgend einem bequem gebliebe-<lb/>
nen Zimmer, wußten etwas zu &#x017F;agen, wur-<lb/>
den geho&#x0364;rt und ho&#x0364;rten wieder, bewahrten den<lb/>
angebornen und erworbenen Tackt fu&#x0364;r jede<lb/>
zartere Ab&#x017F;chaltung der Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e in ei-<lb/>
nem Maaße, daß ihnen auf halbem Blicke<lb/>
nichts von dem entging, was jetzt eine &#x017F;tets<lb/>
begleitende Aufmerk&#x017F;amkeit zu fordern &#x017F;cheint.<lb/>
Jeder, auch der lei&#x017F;e&#x017F;te Ver&#x017F;toß ward &#x017F;chnell<lb/>
bemerkt und &#x017F;treng geru&#x0364;gt. Man &#x017F;chien da-<lb/>
zu weder Augen noch Ohren zu bedu&#x0364;rfen.<lb/>
Die Begriffe von Schicklichkeit waren &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr in das Gefu&#x0364;hl u&#x0364;bergegangen, daß es<lb/>
mehr Sache der Empfindung, als der Be-<lb/>
obachtung war, was ent&#x017F;chied. Das vor-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0131] thaͤtigkeit dazuſitzen, nichts ſagend und nichts denkend, als: Mein Gott, nimmt denn der Cotillon nimals ein Ende! oder, ſolch ein Feſt iſt doch eine rechte Geduldsprobe fuͤr die arme Muͤtter! weit entfernt ſich einer trockenen und unfruchtbaren Pflichterfuͤllung aufzuopfern, bewegten ſie ſich frei und leicht in ihrer Welt! ſpielten oder redeten, gingen hin und her, bildeten Kreiſe um ſich, fixir- ten dieſe in irgend einem bequem gebliebe- nen Zimmer, wußten etwas zu ſagen, wur- den gehoͤrt und hoͤrten wieder, bewahrten den angebornen und erworbenen Tackt fuͤr jede zartere Abſchaltung der Verhaͤltniſſe in ei- nem Maaße, daß ihnen auf halbem Blicke nichts von dem entging, was jetzt eine ſtets begleitende Aufmerkſamkeit zu fordern ſcheint. Jeder, auch der leiſeſte Verſtoß ward ſchnell bemerkt und ſtreng geruͤgt. Man ſchien da- zu weder Augen noch Ohren zu beduͤrfen. Die Begriffe von Schicklichkeit waren ſo ſehr in das Gefuͤhl uͤbergegangen, daß es mehr Sache der Empfindung, als der Be- obachtung war, was entſchied. Das vor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/131
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/131>, abgerufen am 25.11.2024.