Man schämt sich weniger vor dem Be- wußtsein, als dem Geständniß jener Erb- sünde, die man nur tiefer in sich hinein- drückt, um nichts davon merken zu lassen, wodurch sie dem Herzen erst recht lieb und, ohne alle Scheu, eins mit ihm wird.
Die große Wichtigkeit, welche auf solche Weise den äußern Abirrungen beigelegt ist, beweist an sich schon, was den Menschen groß oder klein erscheint. Das Opfer von dem Vergänglichsten, was der Augenblick giebt und nimmt, dies Opfer dünkt der Phantasie so ungeheuer, daß der bloße Schein davon eine Angelegenheit des Le- bens wird. Wie müssen die frivolen Ge- nüsse im Werthe steigen, wenn es solch Ver- dienst ist, ihnen zu entsagen!
Und hier ist es, wo ich die junge Welt erwarte. Hier ist neben der drohendsten Ge- fahr zugleich ein tüchtiger Halt.
Leugne niemand, was nicht zu leugnen ist. Eigenliebe und Weltliebe drohen die Einbildungskraft erst mit nichtigen, dann mit
zu geſtehen, daß Eitelkeit, Eitelkeit ſei! —
Man ſchaͤmt ſich weniger vor dem Be- wußtſein, als dem Geſtaͤndniß jener Erb- ſuͤnde, die man nur tiefer in ſich hinein- druͤckt, um nichts davon merken zu laſſen, wodurch ſie dem Herzen erſt recht lieb und, ohne alle Scheu, eins mit ihm wird.
Die große Wichtigkeit, welche auf ſolche Weiſe den aͤußern Abirrungen beigelegt iſt, beweiſt an ſich ſchon, was den Menſchen groß oder klein erſcheint. Das Opfer von dem Vergaͤnglichſten, was der Augenblick giebt und nimmt, dies Opfer duͤnkt der Phantaſie ſo ungeheuer, daß der bloße Schein davon eine Angelegenheit des Le- bens wird. Wie muͤſſen die frivolen Ge- nuͤſſe im Werthe ſteigen, wenn es ſolch Ver- dienſt iſt, ihnen zu entſagen!
Und hier iſt es, wo ich die junge Welt erwarte. Hier iſt neben der drohendſten Ge- fahr zugleich ein tuͤchtiger Halt.
Leugne niemand, was nicht zu leugnen iſt. Eigenliebe und Weltliebe drohen die Einbildungskraft erſt mit nichtigen, dann mit
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zu geſtehen, daß Eitelkeit, Eitelkeit ſei! —
Man ſchaͤmt ſich weniger vor dem Be-
wußtſein, als dem Geſtaͤndniß jener Erb-
ſuͤnde, die man nur tiefer in ſich hinein-
druͤckt, um nichts davon merken zu laſſen,
wodurch ſie dem Herzen erſt recht lieb und,
ohne alle Scheu, eins mit ihm wird.
Die große Wichtigkeit, welche auf ſolche
Weiſe den aͤußern Abirrungen beigelegt iſt,
beweiſt an ſich ſchon, was den Menſchen
groß oder klein erſcheint. Das Opfer von
dem Vergaͤnglichſten, was der Augenblick
giebt und nimmt, dies Opfer duͤnkt der
Phantaſie ſo ungeheuer, daß der bloße
Schein davon eine Angelegenheit des Le-
bens wird. Wie muͤſſen die frivolen Ge-
nuͤſſe im Werthe ſteigen, wenn es ſolch Ver-
dienſt iſt, ihnen zu entſagen!
Und hier iſt es, wo ich die junge Welt
erwarte. Hier iſt neben der drohendſten Ge-
fahr zugleich ein tuͤchtiger Halt.
Leugne niemand, was nicht zu leugnen
iſt. Eigenliebe und Weltliebe drohen die
Einbildungskraft erſt mit nichtigen, dann mit
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/106>, abgerufen am 27.07.2024.
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