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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

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Wie sie zu Wilhelminen kam, fand sie diese mit dem Kranze beschäftigt. Die beiden Kinder standen vor ihr und spielten mit der kleinen Fahne von Zittergold, worauf eben Riekchens Nahme eingeschnitten war. Luise sah den blaßgrünen Roßmarin in einander flechten, und drüber hin in den spitzen Blättern flockige Purpurseide, wie den letzten Stral des sinkenden Abendroths spielen. Ach Minchen! rief sie bewegt, an ihre Brust sinkend, Todtenkronen und Brautkleider gehen durch Deine Hände, Du umwindest Dir selbst den Pfeil, den Du so immer tiefer in die wunde Brust drückst.

Dies also, dachte sie im Gehen, ist nun aller Lohn und aller Genuß des Lebens? Schmerzenslust! Wonne unter blutigen Thränen! Wer sieht euer doppeltes Antlitz und bebt nicht vor seinem eignen Loose zurück! Ein lautes Geräusch weckte sie indeß aus ihren Betrachtungen. Sie sah einen stattlichen Reisewagen an sich vorüber in ihren Hof fahren. Halb erfreut, halb verlegen, beflügelte sie die Schritte und trat fast zugleich mit zwei Damen in das Haus, in denen sie nicht ohne Erstaunen Augusten und Emilien erkannte Die Erstere ging ihr etwas feierlich entgegen, und sagte mit gehaltnem Ton, wie die kurze Bekanntschaft keinesweges ein so unerwartetes Erscheinen rechtfertige wohl aber die innigste Theilnahme, die ein Band sei, welches über Zeit

Wie sie zu Wilhelminen kam, fand sie diese mit dem Kranze beschäftigt. Die beiden Kinder standen vor ihr und spielten mit der kleinen Fahne von Zittergold, worauf eben Riekchens Nahme eingeschnitten war. Luise sah den blaßgrünen Roßmarin in einander flechten, und drüber hin in den spitzen Blättern flockige Purpurseide, wie den letzten Stral des sinkenden Abendroths spielen. Ach Minchen! rief sie bewegt, an ihre Brust sinkend, Todtenkronen und Brautkleider gehen durch Deine Hände, Du umwindest Dir selbst den Pfeil, den Du so immer tiefer in die wunde Brust drückst.

Dies also, dachte sie im Gehen, ist nun aller Lohn und aller Genuß des Lebens? Schmerzenslust! Wonne unter blutigen Thränen! Wer sieht euer doppeltes Antlitz und bebt nicht vor seinem eignen Loose zurück! Ein lautes Geräusch weckte sie indeß aus ihren Betrachtungen. Sie sah einen stattlichen Reisewagen an sich vorüber in ihren Hof fahren. Halb erfreut, halb verlegen, beflügelte sie die Schritte und trat fast zugleich mit zwei Damen in das Haus, in denen sie nicht ohne Erstaunen Augusten und Emilien erkannte Die Erstere ging ihr etwas feierlich entgegen, und sagte mit gehaltnem Ton, wie die kurze Bekanntschaft keinesweges ein so unerwartetes Erscheinen rechtfertige wohl aber die innigste Theilnahme, die ein Band sei, welches über Zeit

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[72/0074] Wie sie zu Wilhelminen kam, fand sie diese mit dem Kranze beschäftigt. Die beiden Kinder standen vor ihr und spielten mit der kleinen Fahne von Zittergold, worauf eben Riekchens Nahme eingeschnitten war. Luise sah den blaßgrünen Roßmarin in einander flechten, und drüber hin in den spitzen Blättern flockige Purpurseide, wie den letzten Stral des sinkenden Abendroths spielen. Ach Minchen! rief sie bewegt, an ihre Brust sinkend, Todtenkronen und Brautkleider gehen durch Deine Hände, Du umwindest Dir selbst den Pfeil, den Du so immer tiefer in die wunde Brust drückst. Dies also, dachte sie im Gehen, ist nun aller Lohn und aller Genuß des Lebens? Schmerzenslust! Wonne unter blutigen Thränen! Wer sieht euer doppeltes Antlitz und bebt nicht vor seinem eignen Loose zurück! Ein lautes Geräusch weckte sie indeß aus ihren Betrachtungen. Sie sah einen stattlichen Reisewagen an sich vorüber in ihren Hof fahren. Halb erfreut, halb verlegen, beflügelte sie die Schritte und trat fast zugleich mit zwei Damen in das Haus, in denen sie nicht ohne Erstaunen Augusten und Emilien erkannte Die Erstere ging ihr etwas feierlich entgegen, und sagte mit gehaltnem Ton, wie die kurze Bekanntschaft keinesweges ein so unerwartetes Erscheinen rechtfertige wohl aber die innigste Theilnahme, die ein Band sei, welches über Zeit

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/74>, abgerufen am 05.12.2024.