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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

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entrissen habe. Von da an wich jede stillere Ergebung, alle Süßigkeit sanfter, auflösender Schmerzen aus ihrer Seele. Verzweifelnd sträubte sie sich gegen die Hand des Schicksals, die fremde Gewalten vernichtend auf sie gelegt. Jener einzige Blick in eine hellere Welt zog ihre Umgebungen so eng zusammen, daß sie oft schreiend aus der gepreßten Brust athmete. Einzig beruhigte es sie, sich augenblicklich in die von der Markise flüchtig angedeuteten Verhältnisse zu versetzen. Die bange Zeit zurückdrängend, ging sie, ein glückliches Kind, spielend an Fernandos Hand, dem weiten Meer entlang, das so lockend und sehnsüchtig aus der Ferne herübersah. Leicht bewimpelte Fahrzeuge segelten vorüber, auf ihnen, Männer in fremder Tracht, oder leicht verschleierte Frauen. Von der Landseite beugten sich hohe Orangen zu ihnen herüber; Fernando wand sich behend den schlanken Stamm hinan und ließ die glühenden Früchte in ihren Schoos fallen. Zwischen hin erschien die Markise, eine milde weibliche Gestalt, an deren Herzen beide ohne Schmerz und ohne Störung heranwuchsen und vereint die erweiterten Kreise einer geahndeten, unaussprechlich reizenden Welt betraten. Wie anders! rief sie dann, von der nackten, dürren Gegenwart aufgeschreckt, wie anders wär' es so gekommen! Und warum durft' es nicht so sein? - Sie konnte über

entrissen habe. Von da an wich jede stillere Ergebung, alle Süßigkeit sanfter, auflösender Schmerzen aus ihrer Seele. Verzweifelnd sträubte sie sich gegen die Hand des Schicksals, die fremde Gewalten vernichtend auf sie gelegt. Jener einzige Blick in eine hellere Welt zog ihre Umgebungen so eng zusammen, daß sie oft schreiend aus der gepreßten Brust athmete. Einzig beruhigte es sie, sich augenblicklich in die von der Markise flüchtig angedeuteten Verhältnisse zu versetzen. Die bange Zeit zurückdrängend, ging sie, ein glückliches Kind, spielend an Fernandos Hand, dem weiten Meer entlang, das so lockend und sehnsüchtig aus der Ferne herübersah. Leicht bewimpelte Fahrzeuge segelten vorüber, auf ihnen, Männer in fremder Tracht, oder leicht verschleierte Frauen. Von der Landseite beugten sich hohe Orangen zu ihnen herüber; Fernando wand sich behend den schlanken Stamm hinan und ließ die glühenden Früchte in ihren Schoos fallen. Zwischen hin erschien die Markise, eine milde weibliche Gestalt, an deren Herzen beide ohne Schmerz und ohne Störung heranwuchsen und vereint die erweiterten Kreise einer geahndeten, unaussprechlich reizenden Welt betraten. Wie anders! rief sie dann, von der nackten, dürren Gegenwart aufgeschreckt, wie anders wär’ es so gekommen! Und warum durft’ es nicht so sein? – Sie konnte über

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entrissen habe. Von da an wich jede stillere Ergebung, alle Süßigkeit sanfter, auflösender Schmerzen aus ihrer Seele. Verzweifelnd sträubte sie sich gegen die Hand des Schicksals, die fremde Gewalten vernichtend auf sie gelegt. Jener einzige Blick in eine hellere Welt zog ihre Umgebungen so eng zusammen, daß sie oft schreiend aus der gepreßten Brust athmete. Einzig beruhigte es sie, sich augenblicklich in die von der Markise flüchtig angedeuteten Verhältnisse zu versetzen. Die bange Zeit zurückdrängend, ging sie, ein glückliches Kind, spielend an Fernandos Hand, dem weiten Meer entlang, das so lockend und sehnsüchtig aus der Ferne herübersah. Leicht bewimpelte Fahrzeuge segelten vorüber, auf ihnen, Männer in fremder Tracht, oder leicht verschleierte Frauen. Von der Landseite beugten sich hohe Orangen zu ihnen herüber; Fernando wand sich behend den schlanken Stamm hinan und ließ die glühenden Früchte in ihren Schoos fallen. Zwischen hin erschien die Markise, eine milde weibliche Gestalt, an deren Herzen beide ohne Schmerz und ohne Störung heranwuchsen und vereint die erweiterten Kreise einer geahndeten, unaussprechlich reizenden Welt betraten. Wie anders! rief sie dann, von der nackten, dürren Gegenwart aufgeschreckt, wie anders wär&#x2019; es so gekommen! Und warum durft&#x2019; es nicht so sein? &#x2013; Sie konnte über
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[65/0067] entrissen habe. Von da an wich jede stillere Ergebung, alle Süßigkeit sanfter, auflösender Schmerzen aus ihrer Seele. Verzweifelnd sträubte sie sich gegen die Hand des Schicksals, die fremde Gewalten vernichtend auf sie gelegt. Jener einzige Blick in eine hellere Welt zog ihre Umgebungen so eng zusammen, daß sie oft schreiend aus der gepreßten Brust athmete. Einzig beruhigte es sie, sich augenblicklich in die von der Markise flüchtig angedeuteten Verhältnisse zu versetzen. Die bange Zeit zurückdrängend, ging sie, ein glückliches Kind, spielend an Fernandos Hand, dem weiten Meer entlang, das so lockend und sehnsüchtig aus der Ferne herübersah. Leicht bewimpelte Fahrzeuge segelten vorüber, auf ihnen, Männer in fremder Tracht, oder leicht verschleierte Frauen. Von der Landseite beugten sich hohe Orangen zu ihnen herüber; Fernando wand sich behend den schlanken Stamm hinan und ließ die glühenden Früchte in ihren Schoos fallen. Zwischen hin erschien die Markise, eine milde weibliche Gestalt, an deren Herzen beide ohne Schmerz und ohne Störung heranwuchsen und vereint die erweiterten Kreise einer geahndeten, unaussprechlich reizenden Welt betraten. Wie anders! rief sie dann, von der nackten, dürren Gegenwart aufgeschreckt, wie anders wär’ es so gekommen! Und warum durft’ es nicht so sein? – Sie konnte über

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/67>, abgerufen am 05.12.2024.