Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.Was ist denn auch so Unerhörtes geschehn, das den Fluch des Himmels herabzöge! Die Natur ist mächtiger als alle menschliche Weisheit, daher verspottet sie jene kränkliche Verträge, die man ein Band der Gesellschaft nennt. Meine Luise, sei stärker als die Zeit in der Du lebst; gestehe Dir's nur, Du gehörst mir, mir, keinem Andern! O wie viel Jammer hätte uns meine Mutter erspart, wenn sie, die Formen verachtend, freier, ja freimüthiger handelte. Sieh, was davon herkommt, geselligen Verträgen zu Lieb, sich selbst und die Wahrheit seiner Gefühle aufzuopfern! Schone sie, schmeichle Du ihnen jetzt immerhin, Du bist doch mit ihnen zerfallen. Die Welt verdammt Dich, Julius ist für Dich todt. Luise schauderte schmerzlich zusammen, ein tiefer Seufzer drang aus ihrer Brust; sie fühlte es wohl, sie war verloren. Wie eine abgerißne Blüthe hing sie in der frechen Hand, die sie um alle Hoffnungen des Lebens betrog. Unfähig, zu reden, lehnte sie den Kopf abwärts an das kleine Fenster, und die Stirn fest an die kalten Scheiben drückend, starrte sie hinaus in die Nacht. Fernando neigte sich vertraulich zu ihr, so daß der warme Hauch seiner Lippen sie wie ein leiser Kuß berührte. Wie Musik umspielte sie dabei das weiche Flüstern seiner Stimme, das unwillkührlich ihre Thränen hervorlockte. Du weinst, Luise? fragte er sanft; Du Was ist denn auch so Unerhörtes geschehn, das den Fluch des Himmels herabzöge! Die Natur ist mächtiger als alle menschliche Weisheit, daher verspottet sie jene kränkliche Verträge, die man ein Band der Gesellschaft nennt. Meine Luise, sei stärker als die Zeit in der Du lebst; gestehe Dir’s nur, Du gehörst mir, mir, keinem Andern! O wie viel Jammer hätte uns meine Mutter erspart, wenn sie, die Formen verachtend, freier, ja freimüthiger handelte. Sieh, was davon herkommt, geselligen Verträgen zu Lieb, sich selbst und die Wahrheit seiner Gefühle aufzuopfern! Schone sie, schmeichle Du ihnen jetzt immerhin, Du bist doch mit ihnen zerfallen. Die Welt verdammt Dich, Julius ist für Dich todt. Luise schauderte schmerzlich zusammen, ein tiefer Seufzer drang aus ihrer Brust; sie fühlte es wohl, sie war verloren. Wie eine abgerißne Blüthe hing sie in der frechen Hand, die sie um alle Hoffnungen des Lebens betrog. Unfähig, zu reden, lehnte sie den Kopf abwärts an das kleine Fenster, und die Stirn fest an die kalten Scheiben drückend, starrte sie hinaus in die Nacht. Fernando neigte sich vertraulich zu ihr, so daß der warme Hauch seiner Lippen sie wie ein leiser Kuß berührte. Wie Musik umspielte sie dabei das weiche Flüstern seiner Stimme, das unwillkührlich ihre Thränen hervorlockte. Du weinst, Luise? fragte er sanft; Du <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0051" n="49"/> Was ist denn auch so Unerhörtes geschehn, das den Fluch des Himmels herabzöge! Die Natur ist mächtiger als alle menschliche Weisheit, daher verspottet sie jene kränkliche Verträge, die man ein Band der Gesellschaft nennt. Meine Luise, sei stärker als die Zeit in der Du lebst; gestehe Dir’s nur, Du gehörst mir, mir, keinem Andern! O wie viel Jammer hätte uns meine Mutter erspart, wenn sie, die Formen verachtend, freier, ja freimüthiger handelte. Sieh, was davon herkommt, geselligen Verträgen zu Lieb, sich selbst und die Wahrheit seiner Gefühle aufzuopfern! Schone sie, schmeichle Du ihnen jetzt immerhin, Du bist doch mit ihnen zerfallen. Die Welt verdammt Dich, Julius ist für Dich todt. Luise schauderte schmerzlich zusammen, ein tiefer Seufzer drang aus ihrer Brust; sie fühlte es wohl, sie war verloren. Wie eine abgerißne Blüthe hing sie in der frechen Hand, die sie um alle Hoffnungen des Lebens betrog. Unfähig, zu reden, lehnte sie den Kopf abwärts an das kleine Fenster, und die Stirn fest an die kalten Scheiben drückend, starrte sie hinaus in die Nacht. Fernando neigte sich vertraulich zu ihr, so daß der warme Hauch seiner Lippen sie wie ein leiser Kuß berührte. Wie Musik umspielte sie dabei das weiche Flüstern seiner Stimme, das unwillkührlich ihre Thränen hervorlockte. Du weinst, Luise? fragte er sanft; Du </p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0051]
Was ist denn auch so Unerhörtes geschehn, das den Fluch des Himmels herabzöge! Die Natur ist mächtiger als alle menschliche Weisheit, daher verspottet sie jene kränkliche Verträge, die man ein Band der Gesellschaft nennt. Meine Luise, sei stärker als die Zeit in der Du lebst; gestehe Dir’s nur, Du gehörst mir, mir, keinem Andern! O wie viel Jammer hätte uns meine Mutter erspart, wenn sie, die Formen verachtend, freier, ja freimüthiger handelte. Sieh, was davon herkommt, geselligen Verträgen zu Lieb, sich selbst und die Wahrheit seiner Gefühle aufzuopfern! Schone sie, schmeichle Du ihnen jetzt immerhin, Du bist doch mit ihnen zerfallen. Die Welt verdammt Dich, Julius ist für Dich todt. Luise schauderte schmerzlich zusammen, ein tiefer Seufzer drang aus ihrer Brust; sie fühlte es wohl, sie war verloren. Wie eine abgerißne Blüthe hing sie in der frechen Hand, die sie um alle Hoffnungen des Lebens betrog. Unfähig, zu reden, lehnte sie den Kopf abwärts an das kleine Fenster, und die Stirn fest an die kalten Scheiben drückend, starrte sie hinaus in die Nacht. Fernando neigte sich vertraulich zu ihr, so daß der warme Hauch seiner Lippen sie wie ein leiser Kuß berührte. Wie Musik umspielte sie dabei das weiche Flüstern seiner Stimme, das unwillkührlich ihre Thränen hervorlockte. Du weinst, Luise? fragte er sanft; Du
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/51>, abgerufen am 16.07.2024. |