Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.Luise ward im Hereintreten seltsam von einer Gestalt ergriffen, die ihr das helle Kaminfeuer in unsichrem, flackernden Lichte zeigte. Es war ein alter, sehr bleicher Bergmann, der, der Flamme gegenüber, eine Cither im Arm, mit geschloßnen Augen, fast regungslos da saß. Zu seinen Füßen spielte die kleine Marie, die, in die Händchen klopfend, wiederholt rief: mehr, mehr singen! worauf der Alte die Saiten rührte, und, die erstorbnen Lippen öffnend, folgende Worte sang: Im Tannenschatten ganz allein Den Berg hinan auf öden Wegen, Wenn Sterne seh'n zum Wald herein, Zu Hauf' in Wolken zeucht der Regen, Da mag ich doch zum liebsten sein. Ich klopf' an' Berg, ich sag' ein Wort Davor sich's regt in seinem Herzen. Mein Bub' erwacht am dunklen Ort Und ruft nach mir, und will mich herzen, Nur will die Steinwand noch nicht fort. Mußt fort zuletzt, du Stein, so hart; Mein Spruch kann härtre Ding' erweichen. Horch! wie der Bub' schon drinnen scharrt. Er wird den seltnen Schatz mir reichen, Der ihm im Berg' zu Theile ward. Luise ward im Hereintreten seltsam von einer Gestalt ergriffen, die ihr das helle Kaminfeuer in unsichrem, flackernden Lichte zeigte. Es war ein alter, sehr bleicher Bergmann, der, der Flamme gegenüber, eine Cither im Arm, mit geschloßnen Augen, fast regungslos da saß. Zu seinen Füßen spielte die kleine Marie, die, in die Händchen klopfend, wiederholt rief: mehr, mehr singen! worauf der Alte die Saiten rührte, und, die erstorbnen Lippen öffnend, folgende Worte sang: Im Tannenschatten ganz allein Den Berg hinan auf öden Wegen, Wenn Sterne seh’n zum Wald herein, Zu Hauf’ in Wolken zeucht der Regen, Da mag ich doch zum liebsten sein. Ich klopf’ an’ Berg, ich sag’ ein Wort Davor sich’s regt in seinem Herzen. Mein Bub’ erwacht am dunklen Ort Und ruft nach mir, und will mich herzen, Nur will die Steinwand noch nicht fort. Mußt fort zuletzt, du Stein, so hart; Mein Spruch kann härtre Ding’ erweichen. Horch! wie der Bub’ schon drinnen scharrt. Er wird den seltnen Schatz mir reichen, Der ihm im Berg’ zu Theile ward. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0044" n="42"/> <p> Luise ward im Hereintreten seltsam von einer Gestalt ergriffen, die ihr das helle Kaminfeuer in unsichrem, flackernden Lichte zeigte. Es war ein alter, sehr bleicher Bergmann, der, der Flamme gegenüber, eine Cither im Arm, mit geschloßnen Augen, fast regungslos da saß. Zu seinen Füßen spielte die kleine Marie, die, in die Händchen klopfend, wiederholt rief: mehr, mehr singen! worauf der Alte die Saiten rührte, und, die erstorbnen Lippen öffnend, folgende Worte sang:</p><lb/> <lg> <l>Im Tannenschatten ganz allein</l><lb/> <l>Den Berg hinan auf öden Wegen,</l><lb/> <l>Wenn Sterne seh’n zum Wald herein,</l><lb/> <l>Zu Hauf’ in Wolken zeucht der Regen,</l><lb/> <l>Da mag ich doch zum liebsten sein.</l><lb/> </lg> <lg><lb/> <l>Ich klopf’ an’ Berg, ich sag’ ein Wort</l><lb/> <l>Davor sich’s regt in seinem Herzen.</l><lb/> <l>Mein Bub’ erwacht am dunklen Ort</l><lb/> <l>Und ruft nach mir, und will mich herzen,</l><lb/> <l>Nur will die Steinwand noch nicht fort.</l><lb/> </lg> <lg><lb/> <l>Mußt fort zuletzt, du Stein, so hart;</l><lb/> <l>Mein Spruch kann härtre Ding’ erweichen.</l><lb/> <l>Horch! wie der Bub’ schon drinnen scharrt.</l><lb/> <l>Er wird den seltnen Schatz mir reichen,</l><lb/> <l>Der ihm im Berg’ zu Theile ward.</l><lb/> </lg> <lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [42/0044]
Luise ward im Hereintreten seltsam von einer Gestalt ergriffen, die ihr das helle Kaminfeuer in unsichrem, flackernden Lichte zeigte. Es war ein alter, sehr bleicher Bergmann, der, der Flamme gegenüber, eine Cither im Arm, mit geschloßnen Augen, fast regungslos da saß. Zu seinen Füßen spielte die kleine Marie, die, in die Händchen klopfend, wiederholt rief: mehr, mehr singen! worauf der Alte die Saiten rührte, und, die erstorbnen Lippen öffnend, folgende Worte sang:
Im Tannenschatten ganz allein
Den Berg hinan auf öden Wegen,
Wenn Sterne seh’n zum Wald herein,
Zu Hauf’ in Wolken zeucht der Regen,
Da mag ich doch zum liebsten sein.
Ich klopf’ an’ Berg, ich sag’ ein Wort
Davor sich’s regt in seinem Herzen.
Mein Bub’ erwacht am dunklen Ort
Und ruft nach mir, und will mich herzen,
Nur will die Steinwand noch nicht fort.
Mußt fort zuletzt, du Stein, so hart;
Mein Spruch kann härtre Ding’ erweichen.
Horch! wie der Bub’ schon drinnen scharrt.
Er wird den seltnen Schatz mir reichen,
Der ihm im Berg’ zu Theile ward.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI von TextGrid
(2013-03-15T15:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus TextGrid entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-03-15T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-03-15T15:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |