Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.Der Doktor wandte sich erschrocken zu ihr. Er glaubte sie zu sehr im Gespräch mit Carl vertieft, um auf jene rücksichtslos gesprochnen Worte zu achten. Luise begegnete seinen Blicken, die sich voll gutmüthiger Theilnahme auf sie richteten. Lassen Sie immerhin Ihr Gefühl laut werden, mein alter Freund, sagte sie gerührt, das Schweigen ist nun gebrochen; ach! und es liegt ja auch ohnehin alles so hell am Tage, mein Unglück und mein Vergehn! Der Doktor ward lebhaft von der großen Störung eines ruhig bürgerlichen Verhältnisses ergriffen, das früher unter seinen Augen entstanden und in seiner Gegenwart bestätigt war. Diese Störung mehr als das persönliche Leid in's Auge fassend, sagte er mit finsterm Ernst: mein Gott, wer hätte dies vor einem halben Jahre denken sollen, als wir alle das letztemal hier versammelt waren. Ich ahndete es lange, erwiederte der alte Geistliche, der von den Andren unbemerkt schon eine Weile im Zimmer war. Mir stellten sich recht wider Willen unheimliche Ahndungen in den Weg, und im entscheidenden Augenblick ging ich zum erstenmal im Leben zagend an meinen Beruf. Tod und Leben begegneten einander so wunderbar auf demselben Wege Die befangnen Sinne faßten alles unsicher auf, Niemand verstand sich selbst, der Schmerz Der Doktor wandte sich erschrocken zu ihr. Er glaubte sie zu sehr im Gespräch mit Carl vertieft, um auf jene rücksichtslos gesprochnen Worte zu achten. Luise begegnete seinen Blicken, die sich voll gutmüthiger Theilnahme auf sie richteten. Lassen Sie immerhin Ihr Gefühl laut werden, mein alter Freund, sagte sie gerührt, das Schweigen ist nun gebrochen; ach! und es liegt ja auch ohnehin alles so hell am Tage, mein Unglück und mein Vergehn! Der Doktor ward lebhaft von der großen Störung eines ruhig bürgerlichen Verhältnisses ergriffen, das früher unter seinen Augen entstanden und in seiner Gegenwart bestätigt war. Diese Störung mehr als das persönliche Leid in’s Auge fassend, sagte er mit finsterm Ernst: mein Gott, wer hätte dies vor einem halben Jahre denken sollen, als wir alle das letztemal hier versammelt waren. Ich ahndete es lange, erwiederte der alte Geistliche, der von den Andren unbemerkt schon eine Weile im Zimmer war. Mir stellten sich recht wider Willen unheimliche Ahndungen in den Weg, und im entscheidenden Augenblick ging ich zum erstenmal im Leben zagend an meinen Beruf. Tod und Leben begegneten einander so wunderbar auf demselben Wege Die befangnen Sinne faßten alles unsicher auf, Niemand verstand sich selbst, der Schmerz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026" n="24"/> Der Doktor wandte sich erschrocken zu ihr. Er glaubte sie zu sehr im Gespräch mit Carl vertieft, um auf jene rücksichtslos gesprochnen Worte zu achten. Luise begegnete seinen Blicken, die sich voll gutmüthiger Theilnahme auf sie richteten. Lassen Sie immerhin Ihr Gefühl laut werden, mein alter Freund, sagte sie gerührt, das Schweigen ist nun gebrochen; ach! und es liegt ja auch ohnehin alles so hell am Tage, mein Unglück und mein Vergehn!</p> <p>Der Doktor ward lebhaft von der großen Störung eines ruhig bürgerlichen Verhältnisses ergriffen, das früher unter seinen Augen entstanden und in seiner Gegenwart bestätigt war. Diese Störung mehr als das persönliche Leid in’s Auge fassend, sagte er mit finsterm Ernst: mein Gott, wer hätte dies vor einem halben Jahre denken sollen, als wir alle das letztemal hier versammelt waren. Ich ahndete es lange, erwiederte der alte Geistliche, der von den Andren unbemerkt schon eine Weile im Zimmer war. Mir stellten sich recht wider Willen unheimliche Ahndungen in den Weg, und im entscheidenden Augenblick ging ich zum erstenmal im Leben zagend an meinen Beruf. Tod und Leben begegneten einander so wunderbar auf demselben Wege Die befangnen Sinne faßten alles unsicher auf, Niemand verstand sich selbst, der Schmerz </p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0026]
Der Doktor wandte sich erschrocken zu ihr. Er glaubte sie zu sehr im Gespräch mit Carl vertieft, um auf jene rücksichtslos gesprochnen Worte zu achten. Luise begegnete seinen Blicken, die sich voll gutmüthiger Theilnahme auf sie richteten. Lassen Sie immerhin Ihr Gefühl laut werden, mein alter Freund, sagte sie gerührt, das Schweigen ist nun gebrochen; ach! und es liegt ja auch ohnehin alles so hell am Tage, mein Unglück und mein Vergehn!
Der Doktor ward lebhaft von der großen Störung eines ruhig bürgerlichen Verhältnisses ergriffen, das früher unter seinen Augen entstanden und in seiner Gegenwart bestätigt war. Diese Störung mehr als das persönliche Leid in’s Auge fassend, sagte er mit finsterm Ernst: mein Gott, wer hätte dies vor einem halben Jahre denken sollen, als wir alle das letztemal hier versammelt waren. Ich ahndete es lange, erwiederte der alte Geistliche, der von den Andren unbemerkt schon eine Weile im Zimmer war. Mir stellten sich recht wider Willen unheimliche Ahndungen in den Weg, und im entscheidenden Augenblick ging ich zum erstenmal im Leben zagend an meinen Beruf. Tod und Leben begegneten einander so wunderbar auf demselben Wege Die befangnen Sinne faßten alles unsicher auf, Niemand verstand sich selbst, der Schmerz
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/26>, abgerufen am 16.07.2024. |