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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

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ihm dort Violas Tod so gewiß geworden sei, daß er nie mehr daran gezweifelt habe. Ein Eid, sagte er, den Violas Eltern ihn abgedrungen, sich nur in höchst entscheidenden Momenten, wo es das Leben des Einen oder Andern gelte, als Vater des Kindes zu erkennen zu geben, habe ihn immer von Fernando entfernt gehalten. Aber, fuhr er fort, des Menschen Vorsicht ist eitel, der Himmel macht sie meist zu Schanden. Wie lebendig, hub er nach einer Weile auf's neue an, steht hier immer die Jugendzeit meiner Liebe vor mir! Es ist Violas Geist, der so wunderlich, so bunt und ernst in dem Schmuck und Zierrath der Zimmer lebt. Es ist, als sähe sie aus den übrigen dunklen Umgebungen, wie aus dem Grabe, nach mir hin. Er redete noch viel von ihr, und seine junge Freundinnen hörten ihm theilnehmend zu, als ein heftiger Knall im Zimmer sie alle aufschreckte. Wie sie sich umsahen, nahmen sie einen großen Riß in der Tapete wahr, die, an zwei Stellen geplatzt, sich weit auseinander rollte. Minchen trat mit einem Lichte näher. Seht doch! rief sie, wie seltsam! Sie fanden ein hohes, schwarzes Cruzifix, das in die Wand eingelassen war. Daneben sah man auf hölzernen Feldern Heiligen- und Märtyrerbilder, im ältesten Styl gemalt. Bei genauer Besichtigung entdeckten sie unterhalb einen kleinen eingemauerten Schrein, dessen Thüren sich

ihm dort Violas Tod so gewiß geworden sei, daß er nie mehr daran gezweifelt habe. Ein Eid, sagte er, den Violas Eltern ihn abgedrungen, sich nur in höchst entscheidenden Momenten, wo es das Leben des Einen oder Andern gelte, als Vater des Kindes zu erkennen zu geben, habe ihn immer von Fernando entfernt gehalten. Aber, fuhr er fort, des Menschen Vorsicht ist eitel, der Himmel macht sie meist zu Schanden. Wie lebendig, hub er nach einer Weile auf’s neue an, steht hier immer die Jugendzeit meiner Liebe vor mir! Es ist Violas Geist, der so wunderlich, so bunt und ernst in dem Schmuck und Zierrath der Zimmer lebt. Es ist, als sähe sie aus den übrigen dunklen Umgebungen, wie aus dem Grabe, nach mir hin. Er redete noch viel von ihr, und seine junge Freundinnen hörten ihm theilnehmend zu, als ein heftiger Knall im Zimmer sie alle aufschreckte. Wie sie sich umsahen, nahmen sie einen großen Riß in der Tapete wahr, die, an zwei Stellen geplatzt, sich weit auseinander rollte. Minchen trat mit einem Lichte näher. Seht doch! rief sie, wie seltsam! Sie fanden ein hohes, schwarzes Cruzifix, das in die Wand eingelassen war. Daneben sah man auf hölzernen Feldern Heiligen- und Märtyrerbilder, im ältesten Styl gemalt. Bei genauer Besichtigung entdeckten sie unterhalb einen kleinen eingemauerten Schrein, dessen Thüren sich

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[175/0177] ihm dort Violas Tod so gewiß geworden sei, daß er nie mehr daran gezweifelt habe. Ein Eid, sagte er, den Violas Eltern ihn abgedrungen, sich nur in höchst entscheidenden Momenten, wo es das Leben des Einen oder Andern gelte, als Vater des Kindes zu erkennen zu geben, habe ihn immer von Fernando entfernt gehalten. Aber, fuhr er fort, des Menschen Vorsicht ist eitel, der Himmel macht sie meist zu Schanden. Wie lebendig, hub er nach einer Weile auf’s neue an, steht hier immer die Jugendzeit meiner Liebe vor mir! Es ist Violas Geist, der so wunderlich, so bunt und ernst in dem Schmuck und Zierrath der Zimmer lebt. Es ist, als sähe sie aus den übrigen dunklen Umgebungen, wie aus dem Grabe, nach mir hin. Er redete noch viel von ihr, und seine junge Freundinnen hörten ihm theilnehmend zu, als ein heftiger Knall im Zimmer sie alle aufschreckte. Wie sie sich umsahen, nahmen sie einen großen Riß in der Tapete wahr, die, an zwei Stellen geplatzt, sich weit auseinander rollte. Minchen trat mit einem Lichte näher. Seht doch! rief sie, wie seltsam! Sie fanden ein hohes, schwarzes Cruzifix, das in die Wand eingelassen war. Daneben sah man auf hölzernen Feldern Heiligen- und Märtyrerbilder, im ältesten Styl gemalt. Bei genauer Besichtigung entdeckten sie unterhalb einen kleinen eingemauerten Schrein, dessen Thüren sich

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/177>, abgerufen am 05.12.2024.