Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.selbst zurückzugehn, wird über die kunstreichen Wiegenlieder erstaunen, mit denen man sich selbst in träge Ruhe singt. Das ist es aber eben, erwiederte der Professor, was fast ein jeder scheut. Das Denken ist dem ungeübten Denker wirklich eine Last. Wie sich die dunkle Fluth von Ahndungen, Begriffen, Empfindungen und Ideen regt, reißt sie das blöde Auge mit sich fort, bis es sich angstvoll verschließt und nur den gewohnten Kreisen eröffnet. Ohne gewaltsamen äußren Stoß wiederholt selten jemand ähnliche Versuche, bis die innre Beweglichkeit immer mehr stockt und der Geist zuletzt nur noch bang an die enge Klause anpocht und sich durch ein gespenstisches Rauschen verkündet. Das gilt doch nur von einzelnen Augenblicken, sagte Reinhold, in andren regt sich in eines jeden Brust irgend ein Laut, der sein innerstes Wesen kund giebt. Bei dem Tode eines geliebten Freundes, oder beim Erwachen der Natur durchzieht ihn ein wehmüthiger Ruf, den er versteht, wie man Gott fühlt und empfindet, ohne eigentliche Worte für dies Gefühl zu haben. Werner, dem jene Rührung in Luisens Seele nicht entgangen war, hatte sich indeß zu ihr gestellt und fragte sie um ihre Meinung über den eben behandelten Gegenstand. Sie dachte an ihre Mutter und die Bibel, und sagte mit bewegter selbst zurückzugehn, wird über die kunstreichen Wiegenlieder erstaunen, mit denen man sich selbst in träge Ruhe singt. Das ist es aber eben, erwiederte der Professor, was fast ein jeder scheut. Das Denken ist dem ungeübten Denker wirklich eine Last. Wie sich die dunkle Fluth von Ahndungen, Begriffen, Empfindungen und Ideen regt, reißt sie das blöde Auge mit sich fort, bis es sich angstvoll verschließt und nur den gewohnten Kreisen eröffnet. Ohne gewaltsamen äußren Stoß wiederholt selten jemand ähnliche Versuche, bis die innre Beweglichkeit immer mehr stockt und der Geist zuletzt nur noch bang an die enge Klause anpocht und sich durch ein gespenstisches Rauschen verkündet. Das gilt doch nur von einzelnen Augenblicken, sagte Reinhold, in andren regt sich in eines jeden Brust irgend ein Laut, der sein innerstes Wesen kund giebt. Bei dem Tode eines geliebten Freundes, oder beim Erwachen der Natur durchzieht ihn ein wehmüthiger Ruf, den er versteht, wie man Gott fühlt und empfindet, ohne eigentliche Worte für dies Gefühl zu haben. Werner, dem jene Rührung in Luisens Seele nicht entgangen war, hatte sich indeß zu ihr gestellt und fragte sie um ihre Meinung über den eben behandelten Gegenstand. Sie dachte an ihre Mutter und die Bibel, und sagte mit bewegter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0087" n="79"/> selbst zurückzugehn, wird über die kunstreichen Wiegenlieder erstaunen, mit denen man sich selbst in träge Ruhe singt. Das ist es aber eben, erwiederte der Professor, was fast ein jeder scheut. Das Denken ist dem ungeübten Denker wirklich eine Last. Wie sich die dunkle Fluth von Ahndungen, Begriffen, Empfindungen und Ideen regt, reißt sie das blöde Auge mit sich fort, bis es sich angstvoll verschließt und nur den gewohnten Kreisen eröffnet. Ohne gewaltsamen äußren Stoß wiederholt selten jemand ähnliche Versuche, bis die innre Beweglichkeit immer mehr stockt und der Geist zuletzt nur noch bang an die enge Klause anpocht und sich durch ein gespenstisches Rauschen verkündet. Das gilt doch nur von einzelnen Augenblicken, sagte Reinhold, in andren regt sich in eines jeden Brust irgend ein Laut, der sein innerstes Wesen kund giebt. Bei dem Tode eines geliebten Freundes, oder beim Erwachen der Natur durchzieht ihn ein wehmüthiger Ruf, <choice><sic>denn</sic><corr>den</corr></choice> er versteht, wie man Gott fühlt und empfindet, ohne eigentliche Worte für dies Gefühl zu haben.</p> <p>Werner, dem jene Rührung in Luisens Seele nicht entgangen war, hatte sich indeß zu ihr gestellt und fragte sie um ihre Meinung über den eben behandelten Gegenstand. Sie dachte an ihre Mutter und die Bibel, und sagte mit bewegter </p> </div> </body> </text> </TEI> [79/0087]
selbst zurückzugehn, wird über die kunstreichen Wiegenlieder erstaunen, mit denen man sich selbst in träge Ruhe singt. Das ist es aber eben, erwiederte der Professor, was fast ein jeder scheut. Das Denken ist dem ungeübten Denker wirklich eine Last. Wie sich die dunkle Fluth von Ahndungen, Begriffen, Empfindungen und Ideen regt, reißt sie das blöde Auge mit sich fort, bis es sich angstvoll verschließt und nur den gewohnten Kreisen eröffnet. Ohne gewaltsamen äußren Stoß wiederholt selten jemand ähnliche Versuche, bis die innre Beweglichkeit immer mehr stockt und der Geist zuletzt nur noch bang an die enge Klause anpocht und sich durch ein gespenstisches Rauschen verkündet. Das gilt doch nur von einzelnen Augenblicken, sagte Reinhold, in andren regt sich in eines jeden Brust irgend ein Laut, der sein innerstes Wesen kund giebt. Bei dem Tode eines geliebten Freundes, oder beim Erwachen der Natur durchzieht ihn ein wehmüthiger Ruf, den er versteht, wie man Gott fühlt und empfindet, ohne eigentliche Worte für dies Gefühl zu haben.
Werner, dem jene Rührung in Luisens Seele nicht entgangen war, hatte sich indeß zu ihr gestellt und fragte sie um ihre Meinung über den eben behandelten Gegenstand. Sie dachte an ihre Mutter und die Bibel, und sagte mit bewegter
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/87>, abgerufen am 16.07.2024. |