Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.Um's Reis der süßen Minne, Das welkend mir verblich. Umsonst! Im stillen Sinne Verzehrt mein Sehnen mich. -- -- Emilie reichte mit ihrer gewohnten Gutmüthigkeit, Reinhold, nachdem er geendet, die Hand, und ließ ganz rücksichtslos die Rührung blicken, welche jene Worte in ihr erregten. So viel Theilnahme überraschte ihn. Er drückte die schönen Finger an seine Lippen, während er, über ihren Stuhl gelehnt, einen langen, fragenden Blick auf sie richtete. Luisens Herz klopfte unwillkürlich. Eine seltsam dunkle Ahndung stieg in ihr auf, ihr Athem stockte, helle Thränen drangen aus ihren Augen; da unterbrach Werner die augenblickliche Stille mit einem lauten Gelächter und zeigte auf den Professor, der in einer Ecke des Sophas in guter Ruhe schlief. Geschwind, Herr Professor, rief Auguste, geschwind eine Vorlesung über die Trägheit der Menschen. Der kleine Mann rieb sich die Augen, sprang mit einem Satze auf, als treibe ihn angeborne Schnellkraft, während er sich mit zusammengebißnen Zähnen die Sporen gab, setzte sich mitten ins Zimmer und hub dann mit einer Stimme, die noch heiser vom Schlafe war, folgendermaßen an. "Keine Gefahr steht dem Menschen näher, als zu jener trägen Dumpfheit herabzusinken, die, indem Um’s Reis der süßen Minne, Das welkend mir verblich. Umsonst! Im stillen Sinne Verzehrt mein Sehnen mich. — — Emilie reichte mit ihrer gewohnten Gutmüthigkeit, Reinhold, nachdem er geendet, die Hand, und ließ ganz rücksichtslos die Rührung blicken, welche jene Worte in ihr erregten. So viel Theilnahme überraschte ihn. Er drückte die schönen Finger an seine Lippen, während er, über ihren Stuhl gelehnt, einen langen, fragenden Blick auf sie richtete. Luisens Herz klopfte unwillkürlich. Eine seltsam dunkle Ahndung stieg in ihr auf, ihr Athem stockte, helle Thränen drangen aus ihren Augen; da unterbrach Werner die augenblickliche Stille mit einem lauten Gelächter und zeigte auf den Professor, der in einer Ecke des Sophas in guter Ruhe schlief. Geschwind, Herr Professor, rief Auguste, geschwind eine Vorlesung über die Trägheit der Menschen. Der kleine Mann rieb sich die Augen, sprang mit einem Satze auf, als treibe ihn angeborne Schnellkraft, während er sich mit zusammengebißnen Zähnen die Sporen gab, setzte sich mitten ins Zimmer und hub dann mit einer Stimme, die noch heiser vom Schlafe war, folgendermaßen an. »Keine Gefahr steht dem Menschen näher, als zu jener trägen Dumpfheit herabzusinken, die, indem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg> <pb facs="#f0084" n="76"/> <l>Um’s Reis der süßen Minne,</l> <l>Das welkend mir verblich.</l> <l>Umsonst! Im stillen Sinne</l> <l>Verzehrt mein Sehnen mich. — —</l> </lg><lb/> <p>Emilie reichte mit ihrer gewohnten Gutmüthigkeit, Reinhold, nachdem er geendet, die Hand, und ließ ganz rücksichtslos die Rührung blicken, welche jene Worte in ihr erregten. So viel Theilnahme überraschte ihn. Er drückte die schönen Finger an seine Lippen, während er, über ihren Stuhl gelehnt, einen langen, fragenden Blick auf sie richtete. Luisens Herz klopfte unwillkürlich. Eine seltsam dunkle Ahndung stieg in ihr auf, ihr Athem stockte, helle Thränen drangen aus ihren Augen; da unterbrach Werner die augenblickliche Stille mit einem lauten Gelächter und zeigte auf den Professor, der in einer Ecke des Sophas in guter Ruhe schlief. Geschwind, Herr Professor, rief Auguste, geschwind eine Vorlesung über die Trägheit der Menschen. Der kleine Mann rieb sich die Augen, sprang mit einem Satze auf, als treibe ihn angeborne Schnellkraft, während er sich mit zusammengebißnen Zähnen die Sporen gab, setzte sich mitten ins Zimmer und hub dann mit einer Stimme, die noch heiser vom Schlafe war, folgendermaßen an.</p> <p>»Keine Gefahr steht dem Menschen näher, als zu jener trägen Dumpfheit herabzusinken, die, indem </p> </div> </body> </text> </TEI> [76/0084]
Um’s Reis der süßen Minne, Das welkend mir verblich. Umsonst! Im stillen Sinne Verzehrt mein Sehnen mich. — —
Emilie reichte mit ihrer gewohnten Gutmüthigkeit, Reinhold, nachdem er geendet, die Hand, und ließ ganz rücksichtslos die Rührung blicken, welche jene Worte in ihr erregten. So viel Theilnahme überraschte ihn. Er drückte die schönen Finger an seine Lippen, während er, über ihren Stuhl gelehnt, einen langen, fragenden Blick auf sie richtete. Luisens Herz klopfte unwillkürlich. Eine seltsam dunkle Ahndung stieg in ihr auf, ihr Athem stockte, helle Thränen drangen aus ihren Augen; da unterbrach Werner die augenblickliche Stille mit einem lauten Gelächter und zeigte auf den Professor, der in einer Ecke des Sophas in guter Ruhe schlief. Geschwind, Herr Professor, rief Auguste, geschwind eine Vorlesung über die Trägheit der Menschen. Der kleine Mann rieb sich die Augen, sprang mit einem Satze auf, als treibe ihn angeborne Schnellkraft, während er sich mit zusammengebißnen Zähnen die Sporen gab, setzte sich mitten ins Zimmer und hub dann mit einer Stimme, die noch heiser vom Schlafe war, folgendermaßen an.
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/84>, abgerufen am 16.07.2024. |