Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.aufs neue an, Sie forderten mich auf; ich kann nicht anders als wahr sein. Nun denn, erwiederte Auguste, auf alles gefaßt, so sagen Sie nur was Sie denken. Ich denke, fuhr jener fort, was Ihrem Scharfsinn bei näherer Betrachtung nicht entgehen kann, wenn der erste Eindruck mancher anziehenden Verhältnisse verwischt sein wird. Es ist in dem Buche nicht sowohl die Rede von der Nichtigkeit des menschlichen Thun und Treibens in seinen verworrenen Richtungen, sondern ein völlig abwärts gehendes Streben bei früh erkanntem Ziel. Der Sündenfall nach der Erkenntniß. Rosalie personifizirt das Ganze, absichtlicher Wahnsinn. Alle sind klug, besonnen, ermessen und prüfen, heben sich über sich selbst hinaus, und neigen sich am Ende zur gemeinen Alltäglichkeit herab. Das kann ich so strenge nicht tadeln, sagte Werner, das bezeichnet eine Ansicht wie eine Seite des Lebens; warum soll die nicht ausgesprochen werden? Störender ist mir, daß das Buch weder ein Roman, noch eine Novelle oder ein Mährchen ist; diese äußerliche Unvollkommenheit verrückt alle Augenblick den Standpunkt, aus welchem man es betrachten soll, und verwirrt es in sich selbst. Noch bemerke ich, daß die sogenannten poetischen Situationen gekünstelt und absichtlich erscheinen, und die einzige Wahrheit des Gefühls in der anspruchlosen aufs neue an, Sie forderten mich auf; ich kann nicht anders als wahr sein. Nun denn, erwiederte Auguste, auf alles gefaßt, so sagen Sie nur was Sie denken. Ich denke, fuhr jener fort, was Ihrem Scharfsinn bei näherer Betrachtung nicht entgehen kann, wenn der erste Eindruck mancher anziehenden Verhältnisse verwischt sein wird. Es ist in dem Buche nicht sowohl die Rede von der Nichtigkeit des menschlichen Thun und Treibens in seinen verworrenen Richtungen, sondern ein völlig abwärts gehendes Streben bei früh erkanntem Ziel. Der Sündenfall nach der Erkenntniß. Rosalie personifizirt das Ganze, absichtlicher Wahnsinn. Alle sind klug, besonnen, ermessen und prüfen, heben sich über sich selbst hinaus, und neigen sich am Ende zur gemeinen Alltäglichkeit herab. Das kann ich so strenge nicht tadeln, sagte Werner, das bezeichnet eine Ansicht wie eine Seite des Lebens; warum soll die nicht ausgesprochen werden? Störender ist mir, daß das Buch weder ein Roman, noch eine Novelle oder ein Mährchen ist; diese äußerliche Unvollkommenheit verrückt alle Augenblick den Standpunkt, aus welchem man es betrachten soll, und verwirrt es in sich selbst. Noch bemerke ich, daß die sogenannten poetischen Situationen gekünstelt und absichtlich erscheinen, und die einzige Wahrheit des Gefühls in der anspruchlosen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="70"/> aufs neue an, Sie forderten mich auf; ich kann nicht anders als wahr sein. Nun denn, erwiederte Auguste, auf alles gefaßt, so sagen Sie nur was Sie denken. Ich denke, fuhr jener fort, was Ihrem Scharfsinn bei näherer Betrachtung nicht entgehen kann, wenn der erste Eindruck mancher anziehenden Verhältnisse verwischt sein wird. Es ist in dem Buche nicht sowohl die Rede von der Nichtigkeit des menschlichen Thun und Treibens in seinen verworrenen Richtungen, sondern ein völlig abwärts gehendes Streben bei früh erkanntem Ziel. Der Sündenfall <hi rendition="#g">nach der</hi> Erkenntniß. Rosalie personifizirt das Ganze, absichtlicher Wahnsinn. Alle sind klug, besonnen, ermessen und prüfen, heben sich über sich selbst hinaus, und neigen sich am Ende zur gemeinen Alltäglichkeit herab. Das kann ich so strenge nicht tadeln, sagte Werner, das bezeichnet eine Ansicht wie eine Seite des Lebens; warum soll die nicht ausgesprochen werden? Störender ist mir, daß das Buch weder ein Roman, noch eine Novelle oder ein Mährchen ist; diese äußerliche Unvollkommenheit verrückt alle Augenblick den Standpunkt, aus welchem man es betrachten soll, und verwirrt es in sich selbst. Noch bemerke ich, daß die sogenannten poetischen Situationen gekünstelt und absichtlich erscheinen, und die einzige Wahrheit des Gefühls in der anspruchlosen </p> </div> </body> </text> </TEI> [70/0078]
aufs neue an, Sie forderten mich auf; ich kann nicht anders als wahr sein. Nun denn, erwiederte Auguste, auf alles gefaßt, so sagen Sie nur was Sie denken. Ich denke, fuhr jener fort, was Ihrem Scharfsinn bei näherer Betrachtung nicht entgehen kann, wenn der erste Eindruck mancher anziehenden Verhältnisse verwischt sein wird. Es ist in dem Buche nicht sowohl die Rede von der Nichtigkeit des menschlichen Thun und Treibens in seinen verworrenen Richtungen, sondern ein völlig abwärts gehendes Streben bei früh erkanntem Ziel. Der Sündenfall nach der Erkenntniß. Rosalie personifizirt das Ganze, absichtlicher Wahnsinn. Alle sind klug, besonnen, ermessen und prüfen, heben sich über sich selbst hinaus, und neigen sich am Ende zur gemeinen Alltäglichkeit herab. Das kann ich so strenge nicht tadeln, sagte Werner, das bezeichnet eine Ansicht wie eine Seite des Lebens; warum soll die nicht ausgesprochen werden? Störender ist mir, daß das Buch weder ein Roman, noch eine Novelle oder ein Mährchen ist; diese äußerliche Unvollkommenheit verrückt alle Augenblick den Standpunkt, aus welchem man es betrachten soll, und verwirrt es in sich selbst. Noch bemerke ich, daß die sogenannten poetischen Situationen gekünstelt und absichtlich erscheinen, und die einzige Wahrheit des Gefühls in der anspruchlosen
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/78>, abgerufen am 16.07.2024. |