Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.ihre Hand wird sie nie mehr öffnen! Sie drückte sich fest in die Ecke des Wagens und weinte, von erwachenden Schmerzen ergriffen. Julius bemühete sich, ihr etwas Tröstliches zu sagen; allein er fürchtete jetzt, wie so oft, das Rechte zu verfehlen und ihr Gefühl durch irgend ein gewagtes Wort zu verletzen, daher schwieg er ganz und überließ sie ihren eignen Vorstellungen. Sie fuhren lange Zeit über weiten Ebnen zwischen vollen Kornfeldern hin, die, außer dem behaglichen Gefuhl des reichen Gewinnes, die Sinne unbeschäftigt lassen. Da trabte ein junger, blonder Mann auf einem schönen Pferde vorbei; ihm folgte in einiger Entfernung ein Knabe in grüner Livree, der einen kleinen türkischen Schimmel ritt. Luise blickte unwillkürlich auf; das feine kindliche Figürchen auf dem weißen Pferde sah fast weiblich aus und erweckte in ihr die Lust zu reiten, die sie schon längst hegte, ohne sie in ihrer abgeschloßnen Lage befriedigen zu können. Julius bemerkte nicht so bald das flüchtige Wohlgefallen auf ihrem Gesicht, als er, die Veranlassung errathend, sogleich ein erheiterndes Gespräch anstimmte, und ihr selbst Gelegenheit gab, ihre kleinen Wünsche laut werden zu lassen. Der Knabe, sagte er, erinnert mich, im Vorübereilen, an eine junge Italienerin, die ihren Geliebten, in ähnlicher Tracht, ihre Hand wird sie nie mehr öffnen! Sie drückte sich fest in die Ecke des Wagens und weinte, von erwachenden Schmerzen ergriffen. Julius bemühete sich, ihr etwas Tröstliches zu sagen; allein er fürchtete jetzt, wie so oft, das Rechte zu verfehlen und ihr Gefühl durch irgend ein gewagtes Wort zu verletzen, daher schwieg er ganz und überließ sie ihren eignen Vorstellungen. Sie fuhren lange Zeit über weiten Ebnen zwischen vollen Kornfeldern hin, die, außer dem behaglichen Gefuhl des reichen Gewinnes, die Sinne unbeschäftigt lassen. Da trabte ein junger, blonder Mann auf einem schönen Pferde vorbei; ihm folgte in einiger Entfernung ein Knabe in grüner Livree, der einen kleinen türkischen Schimmel ritt. Luise blickte unwillkürlich auf; das feine kindliche Figürchen auf dem weißen Pferde sah fast weiblich aus und erweckte in ihr die Lust zu reiten, die sie schon längst hegte, ohne sie in ihrer abgeschloßnen Lage befriedigen zu können. Julius bemerkte nicht so bald das flüchtige Wohlgefallen auf ihrem Gesicht, als er, die Veranlassung errathend, sogleich ein erheiterndes Gespräch anstimmte, und ihr selbst Gelegenheit gab, ihre kleinen Wünsche laut werden zu lassen. Der Knabe, sagte er, erinnert mich, im Vorübereilen, an eine junge Italienerin, die ihren Geliebten, in ähnlicher Tracht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050" n="42"/> ihre Hand wird sie nie mehr öffnen! Sie drückte sich fest in die Ecke des Wagens und weinte, von erwachenden Schmerzen ergriffen. Julius bemühete sich, ihr etwas Tröstliches zu sagen; allein er fürchtete jetzt, wie so oft, das Rechte zu verfehlen und ihr Gefühl durch irgend ein gewagtes Wort zu verletzen, daher schwieg er ganz und überließ sie ihren eignen Vorstellungen.</p> <p>Sie fuhren lange Zeit über weiten Ebnen zwischen vollen Kornfeldern hin, die, außer dem behaglichen Gefuhl des <choice><sic>reinen Genusses</sic><corr>reichen Gewinnes</corr></choice>, die Sinne unbeschäftigt lassen. Da trabte ein junger, blonder Mann auf einem schönen Pferde vorbei; ihm folgte in einiger Entfernung ein Knabe in grüner Livree, der einen kleinen türkischen Schimmel ritt. Luise blickte unwillkürlich auf; das feine kindliche Figürchen auf dem weißen Pferde sah fast weiblich aus und erweckte in ihr die Lust zu reiten, die sie schon längst hegte, ohne sie in ihrer abgeschloßnen Lage befriedigen zu können. Julius bemerkte nicht so bald das flüchtige Wohlgefallen auf ihrem Gesicht, als er, die Veranlassung errathend, sogleich ein erheiterndes Gespräch anstimmte, und ihr selbst Gelegenheit gab, ihre kleinen Wünsche laut werden zu lassen. Der Knabe, sagte er, erinnert mich, im Vorübereilen, an eine junge Italienerin, die ihren Geliebten, in ähnlicher Tracht, </p> </div> </body> </text> </TEI> [42/0050]
ihre Hand wird sie nie mehr öffnen! Sie drückte sich fest in die Ecke des Wagens und weinte, von erwachenden Schmerzen ergriffen. Julius bemühete sich, ihr etwas Tröstliches zu sagen; allein er fürchtete jetzt, wie so oft, das Rechte zu verfehlen und ihr Gefühl durch irgend ein gewagtes Wort zu verletzen, daher schwieg er ganz und überließ sie ihren eignen Vorstellungen.
Sie fuhren lange Zeit über weiten Ebnen zwischen vollen Kornfeldern hin, die, außer dem behaglichen Gefuhl des reichen Gewinnes, die Sinne unbeschäftigt lassen. Da trabte ein junger, blonder Mann auf einem schönen Pferde vorbei; ihm folgte in einiger Entfernung ein Knabe in grüner Livree, der einen kleinen türkischen Schimmel ritt. Luise blickte unwillkürlich auf; das feine kindliche Figürchen auf dem weißen Pferde sah fast weiblich aus und erweckte in ihr die Lust zu reiten, die sie schon längst hegte, ohne sie in ihrer abgeschloßnen Lage befriedigen zu können. Julius bemerkte nicht so bald das flüchtige Wohlgefallen auf ihrem Gesicht, als er, die Veranlassung errathend, sogleich ein erheiterndes Gespräch anstimmte, und ihr selbst Gelegenheit gab, ihre kleinen Wünsche laut werden zu lassen. Der Knabe, sagte er, erinnert mich, im Vorübereilen, an eine junge Italienerin, die ihren Geliebten, in ähnlicher Tracht,
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/50>, abgerufen am 16.02.2025. |