Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.leise hinein an das Bett der Kranken, die grünseidnen Vorhänge waren zugezogen, sie konnte nichts sehen, hörte indeß schnell und hohl athmen. Mit zitternder Hand theilte sie ein wenig die Gardine, und sah die geliebte Mutter mit zurückgebognem Kopf und halboffnen Augen im ängstigendsten Fieberschlaf daliegen. Luise beugte sich über sie hin und bemerkte mit Entsetzen ein innres Zucken der Nerven, das wie ein Blitz über das Gesicht hinfuhr. Zum erstenmal in ihrem Leben traten die Schrecken des Todes vor sie hin, zum erstenmal fühlte sie deutlich, daß das treueste, liebevollste Herz sich von dem ihren losreißen werde. Sie stürzte, halb bewußtlos, aus dem Zimmer und rief wiederholt: den Arzt, um Gotteswillen den Arzt. Man traf alle Anstalten; allein die nächste Stadt war über zwei Meilen. Der Doktor, oft verreist, kam erst am andern Morgen, nachdem Luise die Nacht unter den heftigsten Qualen an Mathildens Bett zugebracht hatte. Es war ein kleiner, wohlbeleibter Mann; voller Kenntniß, allein unaufhörlich mit sich selbst beschäftigt, so lange die dringendste Noth nicht seine ungetheilte Aufmerksamkeit forderte. Daher unterhielt er Luisen zuerst mit vielen Worten von seinem eignen Uebelbefinden in den letztern Tagen, und trat ganz sorglos zu der Kranken, die, sich etwas ermunternd, voll leise hinein an das Bett der Kranken, die grünseidnen Vorhänge waren zugezogen, sie konnte nichts sehen, hörte indeß schnell und hohl athmen. Mit zitternder Hand theilte sie ein wenig die Gardine, und sah die geliebte Mutter mit zurückgebognem Kopf und halboffnen Augen im ängstigendsten Fieberschlaf daliegen. Luise beugte sich über sie hin und bemerkte mit Entsetzen ein innres Zucken der Nerven, das wie ein Blitz über das Gesicht hinfuhr. Zum erstenmal in ihrem Leben traten die Schrecken des Todes vor sie hin, zum erstenmal fühlte sie deutlich, daß das treueste, liebevollste Herz sich von dem ihren losreißen werde. Sie stürzte, halb bewußtlos, aus dem Zimmer und rief wiederholt: den Arzt, um Gotteswillen den Arzt. Man traf alle Anstalten; allein die nächste Stadt war über zwei Meilen. Der Doktor, oft verreist, kam erst am andern Morgen, nachdem Luise die Nacht unter den heftigsten Qualen an Mathildens Bett zugebracht hatte. Es war ein kleiner, wohlbeleibter Mann; voller Kenntniß, allein unaufhörlich mit sich selbst beschäftigt, so lange die dringendste Noth nicht seine ungetheilte Aufmerksamkeit forderte. Daher unterhielt er Luisen zuerst mit vielen Worten von seinem eignen Uebelbefinden in den letztern Tagen, und trat ganz sorglos zu der Kranken, die, sich etwas ermunternd, voll <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0040" n="32"/> leise hinein an das Bett der Kranken, die grünseidnen Vorhänge waren zugezogen, sie konnte nichts sehen, hörte indeß schnell und hohl athmen. Mit zitternder Hand theilte sie ein wenig die Gardine, und sah die geliebte Mutter mit zurückgebognem Kopf und halboffnen Augen im ängstigendsten Fieberschlaf daliegen. Luise beugte sich über sie hin und bemerkte mit Entsetzen ein innres Zucken der Nerven, das wie ein Blitz über das Gesicht hinfuhr. Zum erstenmal in ihrem Leben traten die Schrecken des Todes vor sie hin, zum erstenmal fühlte sie deutlich, daß das treueste, liebevollste Herz sich von dem ihren losreißen werde. Sie stürzte, halb bewußtlos, aus dem Zimmer und rief wiederholt: den Arzt, um Gotteswillen den Arzt. Man traf alle Anstalten; allein die nächste Stadt war über zwei Meilen. Der Doktor, oft verreist, kam erst am andern Morgen, nachdem Luise die Nacht unter den heftigsten Qualen an Mathildens Bett zugebracht hatte. Es war ein kleiner, wohlbeleibter Mann; voller Kenntniß, allein unaufhörlich mit sich selbst beschäftigt, so lange die dringendste Noth nicht seine ungetheilte Aufmerksamkeit forderte. Daher unterhielt er Luisen zuerst mit vielen Worten von seinem eignen Uebelbefinden in den letztern Tagen, und trat ganz sorglos zu der Kranken, die, sich etwas ermunternd, voll </p> </div> </body> </text> </TEI> [32/0040]
leise hinein an das Bett der Kranken, die grünseidnen Vorhänge waren zugezogen, sie konnte nichts sehen, hörte indeß schnell und hohl athmen. Mit zitternder Hand theilte sie ein wenig die Gardine, und sah die geliebte Mutter mit zurückgebognem Kopf und halboffnen Augen im ängstigendsten Fieberschlaf daliegen. Luise beugte sich über sie hin und bemerkte mit Entsetzen ein innres Zucken der Nerven, das wie ein Blitz über das Gesicht hinfuhr. Zum erstenmal in ihrem Leben traten die Schrecken des Todes vor sie hin, zum erstenmal fühlte sie deutlich, daß das treueste, liebevollste Herz sich von dem ihren losreißen werde. Sie stürzte, halb bewußtlos, aus dem Zimmer und rief wiederholt: den Arzt, um Gotteswillen den Arzt. Man traf alle Anstalten; allein die nächste Stadt war über zwei Meilen. Der Doktor, oft verreist, kam erst am andern Morgen, nachdem Luise die Nacht unter den heftigsten Qualen an Mathildens Bett zugebracht hatte. Es war ein kleiner, wohlbeleibter Mann; voller Kenntniß, allein unaufhörlich mit sich selbst beschäftigt, so lange die dringendste Noth nicht seine ungetheilte Aufmerksamkeit forderte. Daher unterhielt er Luisen zuerst mit vielen Worten von seinem eignen Uebelbefinden in den letztern Tagen, und trat ganz sorglos zu der Kranken, die, sich etwas ermunternd, voll
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/40>, abgerufen am 16.07.2024. |