Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.und schritt auf mich zu. Ich wollte fliehen; allein sie faßte mich, und als ich recht hinsehen mußte, erblickte ich zwei wunderschöne Knaben an ihrer Hand, wovon der eine, wie eben geschoßnes Wild, stark an der rechten Seite blutete. In dem Augenblick öffnete sich die Pforte, mir war, als hörte ich eine bekannte Stimme, und ich stürzte mit dem blutenden Knaben heraus. Der Traum ließ einen Eindruck zurück, den die Gewißheit, aufs neue Mutter zu werden, mit jedem Tage schärfte. Du kannst nun begreifen, wie mich die Erzählung des Grafen, die mir erst den rechten Aufschluß gab, erschüttern mußte. Liebe Viola, sagte ich fast so bewegt als sie, Dein Zustand führt ganz naturlich schwere Träume und düstre Vorstellungen mit sich. Das darf Dich weiter nicht befremden, laß sie nur nicht so unbeschränkt über Dich herrschen, Du wirst das alles sicher in Kurzem leichter ansehn, und die Erste sein, die darüber lacht. Viola blieb indeß still und sinnend. Von da an konnte sie nichts zerstreuen, und ich weiß nicht, ob es ein Glück zu nennen ist, daß sie, durch innre Qualen zerstört und aufgerieben, vor ihrer Niederkunft an einem Nervenfieber starb. O gewiß, gewiß, fiel Luise schnell ein, denn so etwas, das unaufhörlich im Innern drückt und nagt, ist zehnfacher Tod. Das kennst Du doch wohl schwerlich aus Erfahrung, sagte die Mutter. Nein, und schritt auf mich zu. Ich wollte fliehen; allein sie faßte mich, und als ich recht hinsehen mußte, erblickte ich zwei wunderschöne Knaben an ihrer Hand, wovon der eine, wie eben geschoßnes Wild, stark an der rechten Seite blutete. In dem Augenblick öffnete sich die Pforte, mir war, als hörte ich eine bekannte Stimme, und ich stürzte mit dem blutenden Knaben heraus. Der Traum ließ einen Eindruck zurück, den die Gewißheit, aufs neue Mutter zu werden, mit jedem Tage schärfte. Du kannst nun begreifen, wie mich die Erzählung des Grafen, die mir erst den rechten Aufschluß gab, erschüttern mußte. Liebe Viola, sagte ich fast so bewegt als sie, Dein Zustand führt ganz naturlich schwere Träume und düstre Vorstellungen mit sich. Das darf Dich weiter nicht befremden, laß sie nur nicht so unbeschränkt über Dich herrschen, Du wirst das alles sicher in Kurzem leichter ansehn, und die Erste sein, die darüber lacht. Viola blieb indeß still und sinnend. Von da an konnte sie nichts zerstreuen, und ich weiß nicht, ob es ein Glück zu nennen ist, daß sie, durch innre Qualen zerstört und aufgerieben, vor ihrer Niederkunft an einem Nervenfieber starb. O gewiß, gewiß, fiel Luise schnell ein, denn so etwas, das unaufhörlich im Innern drückt und nagt, ist zehnfacher Tod. Das kennst Du doch wohl schwerlich aus Erfahrung, sagte die Mutter. Nein, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033" n="25"/> und schritt auf mich zu. Ich wollte fliehen; allein sie faßte mich, und als ich recht hinsehen mußte, erblickte ich zwei wunderschöne Knaben an ihrer Hand, wovon der eine, wie eben geschoßnes Wild, stark an der rechten Seite blutete. In dem Augenblick öffnete sich die Pforte, mir war, als hörte ich eine bekannte Stimme, und ich stürzte mit dem blutenden Knaben heraus. Der Traum ließ einen Eindruck zurück, den die Gewißheit, aufs neue Mutter zu werden, mit jedem Tage schärfte. Du kannst nun begreifen, wie mich die Erzählung des Grafen, die mir erst den rechten Aufschluß gab, erschüttern mußte. Liebe Viola, sagte ich fast so bewegt als sie, Dein Zustand führt ganz naturlich schwere Träume und düstre Vorstellungen mit sich. Das darf Dich weiter nicht befremden, laß sie nur nicht so unbeschränkt über Dich herrschen, Du wirst das alles sicher in Kurzem leichter ansehn, und die Erste sein, die darüber lacht. Viola blieb indeß still und sinnend. Von da an konnte sie nichts zerstreuen, und ich weiß nicht, ob es ein Glück zu nennen ist, daß sie, durch innre Qualen zerstört und aufgerieben, vor ihrer Niederkunft an einem Nervenfieber starb.</p> <p>O gewiß, gewiß, fiel Luise schnell ein, denn so etwas, das unaufhörlich im Innern drückt und nagt, ist zehnfacher Tod. Das kennst Du doch wohl schwerlich aus Erfahrung, sagte die Mutter. Nein, </p> </div> </body> </text> </TEI> [25/0033]
und schritt auf mich zu. Ich wollte fliehen; allein sie faßte mich, und als ich recht hinsehen mußte, erblickte ich zwei wunderschöne Knaben an ihrer Hand, wovon der eine, wie eben geschoßnes Wild, stark an der rechten Seite blutete. In dem Augenblick öffnete sich die Pforte, mir war, als hörte ich eine bekannte Stimme, und ich stürzte mit dem blutenden Knaben heraus. Der Traum ließ einen Eindruck zurück, den die Gewißheit, aufs neue Mutter zu werden, mit jedem Tage schärfte. Du kannst nun begreifen, wie mich die Erzählung des Grafen, die mir erst den rechten Aufschluß gab, erschüttern mußte. Liebe Viola, sagte ich fast so bewegt als sie, Dein Zustand führt ganz naturlich schwere Träume und düstre Vorstellungen mit sich. Das darf Dich weiter nicht befremden, laß sie nur nicht so unbeschränkt über Dich herrschen, Du wirst das alles sicher in Kurzem leichter ansehn, und die Erste sein, die darüber lacht. Viola blieb indeß still und sinnend. Von da an konnte sie nichts zerstreuen, und ich weiß nicht, ob es ein Glück zu nennen ist, daß sie, durch innre Qualen zerstört und aufgerieben, vor ihrer Niederkunft an einem Nervenfieber starb.
O gewiß, gewiß, fiel Luise schnell ein, denn so etwas, das unaufhörlich im Innern drückt und nagt, ist zehnfacher Tod. Das kennst Du doch wohl schwerlich aus Erfahrung, sagte die Mutter. Nein,
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/33>, abgerufen am 16.07.2024. |