Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.plötzlich hervorbricht und sie hin und her treibt, daß sie nach allen Seiten faßt und greift und zwischen Himmel und Hölle schwebt. Hier zwar wird nun der Kampf nicht lange unentschieden sein, denn die ganze Richtung des Gemüthes spricht sich bei der schönen Frau in Gestalt und Wesen aus. Sie erscheint recht wie eine erhabene Sünderin, die im stolzen, kühnen Fluge hinaufstrebt und durch die Eigenthümlichkeit ihrer Natur alle Augenblicke einmal das edle Haupt senkt und sich von den irdischen Banden umstricken läßt. Daher ist auch ein eigner Streit von Stolz und Hingebung in ihrem äußren Erscheinen, und ich bin sehr überzeugt, daß in diesem Streit ihr ganzes Leben hinfließen wird. Sie haben eine ordentliche Freude, sagte Stein, an solcher innren Verwirrung. Nein, entgegnete Werner; allein ich muß so lange forschen und beobachten, bis ich einen jeden auf den Platz gestellt habe, wo er eigentlich stehen muß, sonst bin ich in mir selbst unsicher. Beide gingen hierauf weiter. Luise saß lange Zeit in dumpfer Betäubung da. Endlich raffte sie sich auf, und eilte, ohne den Saal zu betreten, durch einen Umweg dem Schlosse zu. Sie mußte, um zu ihren Zimmern zu gelangen, durch einen langen, schmalen Gang, an dessen Wänden mehrere Familiengemälde hingen. Der Mond schien hell plötzlich hervorbricht und sie hin und her treibt, daß sie nach allen Seiten faßt und greift und zwischen Himmel und Hölle schwebt. Hier zwar wird nun der Kampf nicht lange unentschieden sein, denn die ganze Richtung des Gemüthes spricht sich bei der schönen Frau in Gestalt und Wesen aus. Sie erscheint recht wie eine erhabene Sünderin, die im stolzen, kühnen Fluge hinaufstrebt und durch die Eigenthümlichkeit ihrer Natur alle Augenblicke einmal das edle Haupt senkt und sich von den irdischen Banden umstricken läßt. Daher ist auch ein eigner Streit von Stolz und Hingebung in ihrem äußren Erscheinen, und ich bin sehr überzeugt, daß in diesem Streit ihr ganzes Leben hinfließen wird. Sie haben eine ordentliche Freude, sagte Stein, an solcher innren Verwirrung. Nein, entgegnete Werner; allein ich muß so lange forschen und beobachten, bis ich einen jeden auf den Platz gestellt habe, wo er eigentlich stehen muß, sonst bin ich in mir selbst unsicher. Beide gingen hierauf weiter. Luise saß lange Zeit in dumpfer Betäubung da. Endlich raffte sie sich auf, und eilte, ohne den Saal zu betreten, durch einen Umweg dem Schlosse zu. Sie mußte, um zu ihren Zimmern zu gelangen, durch einen langen, schmalen Gang, an dessen Wänden mehrere Familiengemälde hingen. Der Mond schien hell <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0136" n="128"/> plötzlich hervorbricht und sie hin und her treibt, daß sie nach allen Seiten faßt und greift und zwischen Himmel und Hölle schwebt. Hier zwar wird nun der Kampf nicht lange unentschieden sein, denn die ganze Richtung des Gemüthes spricht sich bei der schönen Frau in Gestalt und Wesen aus. Sie erscheint recht wie eine erhabene Sünderin, die im stolzen, kühnen Fluge hinaufstrebt und durch die Eigenthümlichkeit ihrer Natur alle Augenblicke einmal das edle Haupt senkt und sich von den irdischen Banden umstricken läßt. Daher ist auch ein eigner Streit von Stolz und Hingebung in ihrem äußren Erscheinen, und ich bin sehr überzeugt, daß in diesem Streit ihr ganzes Leben hinfließen wird. Sie haben eine ordentliche Freude, sagte Stein, an solcher innren Verwirrung. Nein, entgegnete Werner; allein ich muß so lange forschen und beobachten, bis ich einen jeden auf den Platz gestellt habe, wo er eigentlich stehen muß, sonst bin ich in mir selbst unsicher. Beide gingen hierauf weiter. Luise saß lange Zeit in dumpfer Betäubung da. Endlich raffte sie sich auf, und eilte, ohne den Saal zu <choice><sic>berühren</sic><corr>betreten</corr></choice>, durch einen Umweg dem Schlosse zu. Sie mußte, um zu ihren Zimmern zu gelangen, durch einen langen, schmalen Gang, an dessen Wänden mehrere Familiengemälde hingen. Der Mond schien hell </p> </div> </body> </text> </TEI> [128/0136]
plötzlich hervorbricht und sie hin und her treibt, daß sie nach allen Seiten faßt und greift und zwischen Himmel und Hölle schwebt. Hier zwar wird nun der Kampf nicht lange unentschieden sein, denn die ganze Richtung des Gemüthes spricht sich bei der schönen Frau in Gestalt und Wesen aus. Sie erscheint recht wie eine erhabene Sünderin, die im stolzen, kühnen Fluge hinaufstrebt und durch die Eigenthümlichkeit ihrer Natur alle Augenblicke einmal das edle Haupt senkt und sich von den irdischen Banden umstricken läßt. Daher ist auch ein eigner Streit von Stolz und Hingebung in ihrem äußren Erscheinen, und ich bin sehr überzeugt, daß in diesem Streit ihr ganzes Leben hinfließen wird. Sie haben eine ordentliche Freude, sagte Stein, an solcher innren Verwirrung. Nein, entgegnete Werner; allein ich muß so lange forschen und beobachten, bis ich einen jeden auf den Platz gestellt habe, wo er eigentlich stehen muß, sonst bin ich in mir selbst unsicher. Beide gingen hierauf weiter. Luise saß lange Zeit in dumpfer Betäubung da. Endlich raffte sie sich auf, und eilte, ohne den Saal zu betreten, durch einen Umweg dem Schlosse zu. Sie mußte, um zu ihren Zimmern zu gelangen, durch einen langen, schmalen Gang, an dessen Wänden mehrere Familiengemälde hingen. Der Mond schien hell
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/136>, abgerufen am 17.07.2024. |