Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.und belebt vor sie hinzutreten, so daß die beiden Gestalten sich auf eine ängstende Weise in ihrer Phantasie verschmolzen. Die Worte der Baronin sollten nun einmal auf alle Weise ihre Unruhe vermehren. Alles was sie von Julius Mutter hörte, ihre Liebe und ihre Leiden, der ganze herbe Kampf ihres Lebens, alles erwachte in ihr. Als sie allein war, warf sie sich auf ein Ruhebett, das Viola besonders liebte, und den Kopf in die Kissen verbergend, dachte sie, wie viel tausend Thränen mögen hier geflossen sein, wie oft mag das arme Herz hier umsonst Ruhe gesucht haben. Sie bemühete sich, das Bild der Gräfin festzuhalten; allein Fernando trat unaufhörlich dazwischen. O warum, warum! rief sie aufspringend, warum diese unglückliche Aehnlichkeit! bedurfte es dieser Täuschung noch? Sie wollte sich so gern überreden, daß die Baronin falsch gesehen und sie mit in den Irrthum befangen habe, daher eilte sie, nach dem elfenbeinernen Kästchen zu fragen, das sie bis dahin vergessen hatte; allein es fand sich, daß es in den Zimmern ihrer Mutter stehn geblieben war, welche niemand wieder nach deren Tode betreten hatte. Diese Erinnrungen, das Andenken an den ernsten, furchtbarsten Moment ihres Lebens, weckten andre Vorstellungen in Luisens Seele. Sie weinte still vor sich hin, weich und hingebend, ohne eigentlichen und belebt vor sie hinzutreten, so daß die beiden Gestalten sich auf eine ängstende Weise in ihrer Phantasie verschmolzen. Die Worte der Baronin sollten nun einmal auf alle Weise ihre Unruhe vermehren. Alles was sie von Julius Mutter hörte, ihre Liebe und ihre Leiden, der ganze herbe Kampf ihres Lebens, alles erwachte in ihr. Als sie allein war, warf sie sich auf ein Ruhebett, das Viola besonders liebte, und den Kopf in die Kissen verbergend, dachte sie, wie viel tausend Thränen mögen hier geflossen sein, wie oft mag das arme Herz hier umsonst Ruhe gesucht haben. Sie bemühete sich, das Bild der Gräfin festzuhalten; allein Fernando trat unaufhörlich dazwischen. O warum, warum! rief sie aufspringend, warum diese unglückliche Aehnlichkeit! bedurfte es dieser Täuschung noch? Sie wollte sich so gern überreden, daß die Baronin falsch gesehen und sie mit in den Irrthum befangen habe, daher eilte sie, nach dem elfenbeinernen Kästchen zu fragen, das sie bis dahin vergessen hatte; allein es fand sich, daß es in den Zimmern ihrer Mutter stehn geblieben war, welche niemand wieder nach deren Tode betreten hatte. Diese Erinnrungen, das Andenken an den ernsten, furchtbarsten Moment ihres Lebens, weckten andre Vorstellungen in Luisens Seele. Sie weinte still vor sich hin, weich und hingebend, ohne eigentlichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0125" n="117"/> und belebt vor sie hinzutreten, so daß die beiden Gestalten sich auf eine ängstende Weise in ihrer Phantasie verschmolzen. Die Worte der Baronin sollten nun einmal auf alle Weise ihre Unruhe vermehren. Alles was sie von Julius Mutter hörte, ihre Liebe und ihre Leiden, der ganze herbe Kampf ihres Lebens, alles erwachte in ihr. Als sie allein war, warf sie sich auf ein Ruhebett, das Viola besonders liebte, und den Kopf in die Kissen verbergend, dachte sie, wie viel tausend Thränen mögen hier geflossen sein, wie oft mag das arme Herz hier umsonst Ruhe gesucht haben. Sie bemühete sich, das Bild der Gräfin festzuhalten; allein Fernando trat unaufhörlich dazwischen. O warum, warum! rief sie aufspringend, warum diese unglückliche Aehnlichkeit! bedurfte es dieser Täuschung noch? Sie wollte sich so gern überreden, daß die Baronin falsch gesehen und sie mit in den Irrthum befangen habe, daher eilte sie, nach dem elfenbeinernen Kästchen zu fragen, das sie bis dahin vergessen hatte; allein es fand sich, daß es in den Zimmern ihrer Mutter stehn geblieben war, welche niemand wieder nach deren Tode betreten hatte. Diese Erinnrungen, das Andenken an den ernsten, furchtbarsten Moment ihres Lebens, weckten andre Vorstellungen in Luisens Seele. Sie weinte still vor sich hin, weich und hingebend, ohne eigentlichen </p> </div> </body> </text> </TEI> [117/0125]
und belebt vor sie hinzutreten, so daß die beiden Gestalten sich auf eine ängstende Weise in ihrer Phantasie verschmolzen. Die Worte der Baronin sollten nun einmal auf alle Weise ihre Unruhe vermehren. Alles was sie von Julius Mutter hörte, ihre Liebe und ihre Leiden, der ganze herbe Kampf ihres Lebens, alles erwachte in ihr. Als sie allein war, warf sie sich auf ein Ruhebett, das Viola besonders liebte, und den Kopf in die Kissen verbergend, dachte sie, wie viel tausend Thränen mögen hier geflossen sein, wie oft mag das arme Herz hier umsonst Ruhe gesucht haben. Sie bemühete sich, das Bild der Gräfin festzuhalten; allein Fernando trat unaufhörlich dazwischen. O warum, warum! rief sie aufspringend, warum diese unglückliche Aehnlichkeit! bedurfte es dieser Täuschung noch? Sie wollte sich so gern überreden, daß die Baronin falsch gesehen und sie mit in den Irrthum befangen habe, daher eilte sie, nach dem elfenbeinernen Kästchen zu fragen, das sie bis dahin vergessen hatte; allein es fand sich, daß es in den Zimmern ihrer Mutter stehn geblieben war, welche niemand wieder nach deren Tode betreten hatte. Diese Erinnrungen, das Andenken an den ernsten, furchtbarsten Moment ihres Lebens, weckten andre Vorstellungen in Luisens Seele. Sie weinte still vor sich hin, weich und hingebend, ohne eigentlichen
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/125>, abgerufen am 18.07.2024. |