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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.

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Nein, niemals, niemals wird mich das Entsetzen jenes Augenblickes verlassen! -- Er faßte Luisens beide Hände und bedeckte sein Gesicht, auf welchem alle Schrecken jener Erinnrung lagen. Ich fand sie todt -- sagte er nach einem augenblicklichen Schweigen, mit stockender, verhaltener Stimme, todt -- ermordet, die schönen Hände gebunden, alle Zeichen eines gewaltsamen Ueberfalls und der schändlichsten Beraubung ihrer Kostbarkeiten um sie her. Der Fremde, der Fremde, tönte es wie aus einem Munde von den Umstehenden. Ich weiß nicht, warum mich dieser Verdacht mehr als die That empörte. In der höchsten Wuth stritt ich dagegen, sank indeß bald darauf erschöpft und bewußtlos zu den Füßen meiner geliebten Freundin, von der man mich, ohne ein Zeichen des Lebens, den Gefahren einer langen Krankheit entgegenführte. Als ich endlich genas und die Erinnrungen des Vergangnen langsam wieder hervortraten, sagten mir meine Freunde, jene grauenvolle That wiederhole sich auf ähnliche Weise, fast jede Nacht, in den angesehensten Häusern Neapels. Eine ängstigende Scheu liege auf den bleichen Gesichtern der Einwohner, die still auf den Straßen hinschlichen, ohne Lust und Muth, einander anzureden. Niemand traue dem geliebtesten Freunde, die Häuser blieben verschlossen, und gleichwohl glaube man an

Nein, niemals, niemals wird mich das Entsetzen jenes Augenblickes verlassen! — Er faßte Luisens beide Hände und bedeckte sein Gesicht, auf welchem alle Schrecken jener Erinnrung lagen. Ich fand sie todt — sagte er nach einem augenblicklichen Schweigen, mit stockender, verhaltener Stimme, todt — ermordet, die schönen Hände gebunden, alle Zeichen eines gewaltsamen Ueberfalls und der schändlichsten Beraubung ihrer Kostbarkeiten um sie her. Der Fremde, der Fremde, tönte es wie aus einem Munde von den Umstehenden. Ich weiß nicht, warum mich dieser Verdacht mehr als die That empörte. In der höchsten Wuth stritt ich dagegen, sank indeß bald darauf erschöpft und bewußtlos zu den Füßen meiner geliebten Freundin, von der man mich, ohne ein Zeichen des Lebens, den Gefahren einer langen Krankheit entgegenführte. Als ich endlich genas und die Erinnrungen des Vergangnen langsam wieder hervortraten, sagten mir meine Freunde, jene grauenvolle That wiederhole sich auf ähnliche Weise, fast jede Nacht, in den angesehensten Häusern Neapels. Eine ängstigende Scheu liege auf den bleichen Gesichtern der Einwohner, die still auf den Straßen hinschlichen, ohne Lust und Muth, einander anzureden. Niemand traue dem geliebtesten Freunde, die Häuser blieben verschlossen, und gleichwohl glaube man an

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[102/0110] Nein, niemals, niemals wird mich das Entsetzen jenes Augenblickes verlassen! — Er faßte Luisens beide Hände und bedeckte sein Gesicht, auf welchem alle Schrecken jener Erinnrung lagen. Ich fand sie todt — sagte er nach einem augenblicklichen Schweigen, mit stockender, verhaltener Stimme, todt — ermordet, die schönen Hände gebunden, alle Zeichen eines gewaltsamen Ueberfalls und der schändlichsten Beraubung ihrer Kostbarkeiten um sie her. Der Fremde, der Fremde, tönte es wie aus einem Munde von den Umstehenden. Ich weiß nicht, warum mich dieser Verdacht mehr als die That empörte. In der höchsten Wuth stritt ich dagegen, sank indeß bald darauf erschöpft und bewußtlos zu den Füßen meiner geliebten Freundin, von der man mich, ohne ein Zeichen des Lebens, den Gefahren einer langen Krankheit entgegenführte. Als ich endlich genas und die Erinnrungen des Vergangnen langsam wieder hervortraten, sagten mir meine Freunde, jene grauenvolle That wiederhole sich auf ähnliche Weise, fast jede Nacht, in den angesehensten Häusern Neapels. Eine ängstigende Scheu liege auf den bleichen Gesichtern der Einwohner, die still auf den Straßen hinschlichen, ohne Lust und Muth, einander anzureden. Niemand traue dem geliebtesten Freunde, die Häuser blieben verschlossen, und gleichwohl glaube man an

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/110>, abgerufen am 22.11.2024.