Beyde Halb-Inseln sind in drey und vierzig Districte eingetheilt. Wir1774. April. nahmen im Durchschnitt an, daß jeder District zwanzig Krieges-Canots ausrüsten könne, und daß jedes nur mit 35 Mann besetzt sey. Die Bemannung der ganzen Flotte, die dazu gehörenden Boote nicht mitgerechnet, würde folglich nicht we- niger als 30,000 Mann betragen; und diese lassen sich für den vierten Theil der ganzen Nation annehmen. Vorstehende Berechnung ist in aller Absicht sehr ge- ring, denn ich setze dabey Voraus, daß es außer jenen 30,000 Männern gar keine andre wehrhafte Leute auf der Insel gebe, welches doch nicht wahrscheinlich ist; andrer Seits schlage ich das Verhältniß der Wehrhaften gegen die Unwehr- haften, nur wie eins zu vier an, da gleichwohl, in allen europäischen Ländern die Zahl der letzteren, gegen jene gerechnet, weit beträchtlicher ist.
Capitain Cook gieng des Nachmittages abermals mit uns nach O-Parre: Die Flotte war aber schon abgefahren und die Canots hatten sich zerstreuet; da- gegen trafen wir den König O-Tu an und wurden sehr wohl von ihm aufgenom- men. Er führte uns nach einigen seiner Häuser, dahin der Weg durch eine Landschaft gieng, die überall einem Garten ähnlich sahe. Schattige Fruchtbäume, wohlriechendes blühendes Buschwerk und Bäche, deren jeder ein Crystallspie- gel zu seyn schien, wechselten in dieser angenehmen Gegend mit einander ab. Die Häuser waren alle in der besten Ordnung. Einige hatten Seitenwände von Rohr; andre waren, gleich den Wohnungen des gemeinen Mannes, rund herum offen. Wir brachten einige Stunden in des Königs Gesellschaft zu, und seine Verwandten und vornehmsten Bedienten thaten alles Mögliche, uns ihre Freundschaft zu bezeigen. Obgleich die Unterredung noch nicht viel Zusammenhang hatte, ward sie doch sehr lebhaft unterhalten; vornemlich lach- ten und plauderten die Damen mit ausnehmend guter Laune. Oft neckten und unterhielten sie sich mit Wortspielen; zuweilen mit wirklich witzigen und drolligen Einfällen. Unter diesem Zeitvertreibe verstrich der Nachmittag so unvermerkt, daß wir erst bey Untergang der Sonne an Bord zurückkehrten. Diesmal hatten nun auch wir etwas von der eigenthümlichen Glückseligkeit genossen, welche die Natur den Bewohnern dieser Insel hat zu Theil werden lassen. Der ruhige vergnügte Zustand dieser guten Leute, ihre einfache Lebensart, die Schönheit der Landschaft, das vortrefliche Clima, die Menge gesunder wohlschmeckender
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Beyde Halb-Inſeln ſind in drey und vierzig Diſtricte eingetheilt. Wir1774. April. nahmen im Durchſchnitt an, daß jeder Diſtrict zwanzig Krieges-Canots ausruͤſten koͤnne, und daß jedes nur mit 35 Mann beſetzt ſey. Die Bemannung der ganzen Flotte, die dazu gehoͤrenden Boote nicht mitgerechnet, wuͤrde folglich nicht we- niger als 30,000 Mann betragen; und dieſe laſſen ſich fuͤr den vierten Theil der ganzen Nation annehmen. Vorſtehende Berechnung iſt in aller Abſicht ſehr ge- ring, denn ich ſetze dabey Voraus, daß es außer jenen 30,000 Maͤnnern gar keine andre wehrhafte Leute auf der Inſel gebe, welches doch nicht wahrſcheinlich iſt; andrer Seits ſchlage ich das Verhaͤltniß der Wehrhaften gegen die Unwehr- haften, nur wie eins zu vier an, da gleichwohl, in allen europaͤiſchen Laͤndern die Zahl der letzteren, gegen jene gerechnet, weit betraͤchtlicher iſt.
Capitain Cook gieng des Nachmittages abermals mit uns nach O-Parre: Die Flotte war aber ſchon abgefahren und die Canots hatten ſich zerſtreuet; da- gegen trafen wir den Koͤnig O-Tu an und wurden ſehr wohl von ihm aufgenom- men. Er fuͤhrte uns nach einigen ſeiner Haͤuſer, dahin der Weg durch eine Landſchaft gieng, die uͤberall einem Garten aͤhnlich ſahe. Schattige Fruchtbaͤume, wohlriechendes bluͤhendes Buſchwerk und Baͤche, deren jeder ein Cryſtallſpie- gel zu ſeyn ſchien, wechſelten in dieſer angenehmen Gegend mit einander ab. Die Haͤuſer waren alle in der beſten Ordnung. Einige hatten Seitenwaͤnde von Rohr; andre waren, gleich den Wohnungen des gemeinen Mannes, rund herum offen. Wir brachten einige Stunden in des Koͤnigs Geſellſchaft zu, und ſeine Verwandten und vornehmſten Bedienten thaten alles Moͤgliche, uns ihre Freundſchaft zu bezeigen. Obgleich die Unterredung noch nicht viel Zuſammenhang hatte, ward ſie doch ſehr lebhaft unterhalten; vornemlich lach- ten und plauderten die Damen mit ausnehmend guter Laune. Oft neckten und unterhielten ſie ſich mit Wortſpielen; zuweilen mit wirklich witzigen und drolligen Einfaͤllen. Unter dieſem Zeitvertreibe verſtrich der Nachmittag ſo unvermerkt, daß wir erſt bey Untergang der Sonne an Bord zuruͤckkehrten. Diesmal hatten nun auch wir etwas von der eigenthuͤmlichen Gluͤckſeligkeit genoſſen, welche die Natur den Bewohnern dieſer Inſel hat zu Theil werden laſſen. Der ruhige vergnuͤgte Zuſtand dieſer guten Leute, ihre einfache Lebensart, die Schoͤnheit der Landſchaft, das vortrefliche Clima, die Menge geſunder wohlſchmeckender
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[51/0063]
in den Jahren 1772 bis 1775.
Beyde Halb-Inſeln ſind in drey und vierzig Diſtricte eingetheilt. Wir
nahmen im Durchſchnitt an, daß jeder Diſtrict zwanzig Krieges-Canots ausruͤſten
koͤnne, und daß jedes nur mit 35 Mann beſetzt ſey. Die Bemannung der ganzen
Flotte, die dazu gehoͤrenden Boote nicht mitgerechnet, wuͤrde folglich nicht we-
niger als 30,000 Mann betragen; und dieſe laſſen ſich fuͤr den vierten Theil der
ganzen Nation annehmen. Vorſtehende Berechnung iſt in aller Abſicht ſehr ge-
ring, denn ich ſetze dabey Voraus, daß es außer jenen 30,000 Maͤnnern gar
keine andre wehrhafte Leute auf der Inſel gebe, welches doch nicht wahrſcheinlich
iſt; andrer Seits ſchlage ich das Verhaͤltniß der Wehrhaften gegen die Unwehr-
haften, nur wie eins zu vier an, da gleichwohl, in allen europaͤiſchen Laͤndern die
Zahl der letzteren, gegen jene gerechnet, weit betraͤchtlicher iſt.
1774.
April.
Capitain Cook gieng des Nachmittages abermals mit uns nach O-Parre:
Die Flotte war aber ſchon abgefahren und die Canots hatten ſich zerſtreuet; da-
gegen trafen wir den Koͤnig O-Tu an und wurden ſehr wohl von ihm aufgenom-
men. Er fuͤhrte uns nach einigen ſeiner Haͤuſer, dahin der Weg durch eine
Landſchaft gieng, die uͤberall einem Garten aͤhnlich ſahe. Schattige Fruchtbaͤume,
wohlriechendes bluͤhendes Buſchwerk und Baͤche, deren jeder ein Cryſtallſpie-
gel zu ſeyn ſchien, wechſelten in dieſer angenehmen Gegend mit einander ab.
Die Haͤuſer waren alle in der beſten Ordnung. Einige hatten Seitenwaͤnde
von Rohr; andre waren, gleich den Wohnungen des gemeinen Mannes, rund
herum offen. Wir brachten einige Stunden in des Koͤnigs Geſellſchaft zu,
und ſeine Verwandten und vornehmſten Bedienten thaten alles Moͤgliche,
uns ihre Freundſchaft zu bezeigen. Obgleich die Unterredung noch nicht viel
Zuſammenhang hatte, ward ſie doch ſehr lebhaft unterhalten; vornemlich lach-
ten und plauderten die Damen mit ausnehmend guter Laune. Oft neckten und
unterhielten ſie ſich mit Wortſpielen; zuweilen mit wirklich witzigen und drolligen
Einfaͤllen. Unter dieſem Zeitvertreibe verſtrich der Nachmittag ſo unvermerkt, daß
wir erſt bey Untergang der Sonne an Bord zuruͤckkehrten. Diesmal hatten
nun auch wir etwas von der eigenthuͤmlichen Gluͤckſeligkeit genoſſen, welche die
Natur den Bewohnern dieſer Inſel hat zu Theil werden laſſen. Der ruhige
vergnuͤgte Zuſtand dieſer guten Leute, ihre einfache Lebensart, die Schoͤnheit
der Landſchaft, das vortrefliche Clima, die Menge geſunder wohlſchmeckender
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/63>, abgerufen am 27.11.2024.
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