Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.April.und Umstände, Rücksicht genommen. Es würde abgeschmackt seyn, wenn etwa O-Mai seinen Landsleuten erzählen wollte: in England wisse man we- nig oder nichts von Zucht und Ehrbarkeit, weil er dergleichen unter den gefälligen Nymphen in Covent-Garden, Drurylane und im Strande nicht angetroffen. Den Tag nach unsrer Ankunft hatten wir überaus trefliches Wetter. Das liederliche Gesindel, welches die vorige Nacht am Bord zugebracht Dr. Sparrmann und mein Vater kamen erst nach Sonnen-Untergang Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.April.und Umſtaͤnde, Ruͤckſicht genommen. Es wuͤrde abgeſchmackt ſeyn, wenn etwa O-Mai ſeinen Landsleuten erzaͤhlen wollte: in England wiſſe man we- nig oder nichts von Zucht und Ehrbarkeit, weil er dergleichen unter den gefaͤlligen Nymphen in Covent-Garden, Drurylane und im Strande nicht angetroffen. Den Tag nach unſrer Ankunft hatten wir uͤberaus trefliches Wetter. Das liederliche Geſindel, welches die vorige Nacht am Bord zugebracht Dr. Sparrmann und mein Vater kamen erſt nach Sonnen-Untergang <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0054" n="42"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/> April.</note>und Umſtaͤnde, Ruͤckſicht genommen. Es wuͤrde abgeſchmackt ſeyn, wenn<lb/> etwa <hi rendition="#fr"><persName>O-Mai</persName></hi> ſeinen Landsleuten erzaͤhlen wollte: in <placeName>England</placeName> wiſſe man we-<lb/> nig oder nichts von Zucht und Ehrbarkeit, weil er dergleichen unter den gefaͤlligen<lb/> Nymphen in <hi rendition="#fr">Covent-Garden, <placeName>Drurylane</placeName></hi> und im <hi rendition="#fr">Strande</hi> nicht angetroffen.</p><lb/> <p>Den Tag nach unſrer Ankunft hatten wir uͤberaus trefliches Wetter.<lb/> Es kamen daher viele von den Eingebohrnen zu uns an Bord. Ich fuhr<lb/> ans Land und verſuchte es nach den Zelten zu gehen, war aber kaum<lb/> 50 Schritte fortgekrochen, als ich umkehren und mich niederſetzen mußte, um<lb/> nicht ohnmaͤchtig zu werden. An dem Ort, wo ich ſaß, brachte man unter an-<lb/> dern auch Aepfel zum Verkauf: dieſe ſahen ſo reizend aus, daß ich, dem aus-<lb/> druͤcklichen Verbot meines Arztes zuwider, es auf die Gefahr ankommen ließ,<lb/> und einen zu mir nahm. Hierauf gieng ich wieder an Bord. Waͤhrend dieſer Zeit<lb/> hatten unſre Leute, gegen Naͤgel, Meſſer und andere Kleinigkeiten, funfzig Stuͤck<lb/> große Bonniten, imgleichen eine Menge von Fruͤchten eingetauſcht, ſo daß recht reich-<lb/> liche Portionen davon, unter die Mannſchaft ausgetheilt werden konnten. Einem<lb/> von unſern Tahitiſchen Gaͤſten war mittlerweile die Luſt angekommen, etliche<lb/> Naͤgel vom Schiffe zu ſtehlen. Dieſen fand ich bey meiner Zuruͤckkunft in Ketten;<lb/> weil aber viele angeſehene Perſonen Fuͤrbitten fuͤr ihn einlegten, und eine ziemlich<lb/> betraͤchtliche Anzahl Bonniten zu geben verſprachen, wenn man ihn loslaſſen<lb/> wollte, ſo wurde er bald wieder in Freyheit geſetzt, jedoch mit der Verwarnung,<lb/> daß er ſich inskuͤnftige, fuͤr dergleichen Diebereyen, in Acht nehmen moͤgte.</p><lb/> <p>Das liederliche Geſindel, welches die vorige Nacht am Bord zugebracht<lb/> hatte, war dieſen Abend zeitig wieder da, und hatte noch ſo viel andere von<lb/> eben dem Gelichter mit ſich gebracht, daß jeder Matroſe ſeine eigne Dirne haben<lb/> konnte. Das war ihnen eben recht; ſie hatten gerade heut das St. Georgen-<lb/> Feſt, nach altem Brauch gefeyert, das heißt, dem Schutzheiligen ihres Landes<lb/> zu Ehren, ſich tapfer bezecht. Nach Endigung der Bachanalien brachten ſie nun<lb/> noch die ganze, ſchoͤne, mondenhelle Nacht im Dienſt Cytherens hin!</p><lb/> <p>Dr. <hi rendition="#fr"><persName>Sparrmann</persName></hi> und mein Vater kamen erſt nach Sonnen-Untergang<lb/> vom Lande an Bord zuruͤck. Sie waren uͤber <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq"><placeName>One-Tree-hill</placeName></hi></hi> nach <placeName>Parre</placeName><lb/> gegangen, hatten daſelbſt <hi rendition="#fr"><persName>Tutahah’s</persName></hi> Mutter, nebſt <hi rendition="#fr"><persName>Happai</persName></hi>, des Koͤniges<lb/> Vater, angetroffen und beyde mit einigen Geſchenken bewillkommt. Einer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [42/0054]
Forſter’s Reiſe um die Welt
und Umſtaͤnde, Ruͤckſicht genommen. Es wuͤrde abgeſchmackt ſeyn, wenn
etwa O-Mai ſeinen Landsleuten erzaͤhlen wollte: in England wiſſe man we-
nig oder nichts von Zucht und Ehrbarkeit, weil er dergleichen unter den gefaͤlligen
Nymphen in Covent-Garden, Drurylane und im Strande nicht angetroffen.
1774.
April.
Den Tag nach unſrer Ankunft hatten wir uͤberaus trefliches Wetter.
Es kamen daher viele von den Eingebohrnen zu uns an Bord. Ich fuhr
ans Land und verſuchte es nach den Zelten zu gehen, war aber kaum
50 Schritte fortgekrochen, als ich umkehren und mich niederſetzen mußte, um
nicht ohnmaͤchtig zu werden. An dem Ort, wo ich ſaß, brachte man unter an-
dern auch Aepfel zum Verkauf: dieſe ſahen ſo reizend aus, daß ich, dem aus-
druͤcklichen Verbot meines Arztes zuwider, es auf die Gefahr ankommen ließ,
und einen zu mir nahm. Hierauf gieng ich wieder an Bord. Waͤhrend dieſer Zeit
hatten unſre Leute, gegen Naͤgel, Meſſer und andere Kleinigkeiten, funfzig Stuͤck
große Bonniten, imgleichen eine Menge von Fruͤchten eingetauſcht, ſo daß recht reich-
liche Portionen davon, unter die Mannſchaft ausgetheilt werden konnten. Einem
von unſern Tahitiſchen Gaͤſten war mittlerweile die Luſt angekommen, etliche
Naͤgel vom Schiffe zu ſtehlen. Dieſen fand ich bey meiner Zuruͤckkunft in Ketten;
weil aber viele angeſehene Perſonen Fuͤrbitten fuͤr ihn einlegten, und eine ziemlich
betraͤchtliche Anzahl Bonniten zu geben verſprachen, wenn man ihn loslaſſen
wollte, ſo wurde er bald wieder in Freyheit geſetzt, jedoch mit der Verwarnung,
daß er ſich inskuͤnftige, fuͤr dergleichen Diebereyen, in Acht nehmen moͤgte.
Das liederliche Geſindel, welches die vorige Nacht am Bord zugebracht
hatte, war dieſen Abend zeitig wieder da, und hatte noch ſo viel andere von
eben dem Gelichter mit ſich gebracht, daß jeder Matroſe ſeine eigne Dirne haben
konnte. Das war ihnen eben recht; ſie hatten gerade heut das St. Georgen-
Feſt, nach altem Brauch gefeyert, das heißt, dem Schutzheiligen ihres Landes
zu Ehren, ſich tapfer bezecht. Nach Endigung der Bachanalien brachten ſie nun
noch die ganze, ſchoͤne, mondenhelle Nacht im Dienſt Cytherens hin!
Dr. Sparrmann und mein Vater kamen erſt nach Sonnen-Untergang
vom Lande an Bord zuruͤck. Sie waren uͤber One-Tree-hill nach Parre
gegangen, hatten daſelbſt Tutahah’s Mutter, nebſt Happai, des Koͤniges
Vater, angetroffen und beyde mit einigen Geſchenken bewillkommt. Einer
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