Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.in den Jahren 1772 bis 1775. serordentlicher Achtung, und sah ihn in mehr denn einer Absicht, für ein rech-1774.April. tes Meerwunder an; man bewirthete ihn mit den ausgesuchtesten Speisen; er bekam unterschiedliche Kleider geschenkt, und indem er unter den Nym- phen des Landes herumschwärmte, fand er nicht selten Gelegenheit, auch jene Art des Vergnügens zu schmecken, die er zur See schlechterdings hatte ent- behren müssen. Empfindlich für jede sinnliche Lust, wie alle Kinder der Natur, aber lange des Anblicks seiner hübschen Landsmänninnen beraubt, und durch den Umgang mit unsern Seeleuten vielleicht noch etwas mehr, als sonst, zur Sinnlichkeit gestimmt, mußte ihm die Gelegenheit, sich auch hierinnen einmal ein gewisses Genüge zu thun, natürlicher Weise sehr will- kommen seyn. Er hatte also von allen Seiten Ursach, sichs auf dieser rei- zenden Insel ganz wohl gefallen, und durch den Umgang mit seinen schönen Landsmänninnen sich fesseln zu lassen. Ueberdem konnte in einem so war- men Clima das Schiff freylich kein angenehmes Nachtquartier für ihn seyn; warum hätte er sich in eine enge, vielleicht auch übel riechende Cajütte ein- sperren sollen, da er am Lande die reinste Luft, den Wohlgeruch der Blu- men einathmen konnte, und überdies von dem sanften Abendwinde die an- genehmste Kühlung zu gewarten hatte? -- -- So glücklich aber auch, in Rücksicht auf diese Umstände, Maheinens Loos, am Lande seyn mog- te, so gab es doch auch an Bord, Leute, die sich in ihrer Lage für recht beneidenswerth hielten! Gleich am ersten Abend kamen nemlich unterschied- liche Frauenspersonen aufs Schiff, mit welchen die ganze Nacht hindurch, alle mögliche Ausschweiffungen getrieben wurden. Ich habe schon bey einer andern Gelegenheit angemerkt, daß die hiesigen liederlichen Weibspersonen von der gemeinsten oder niedrigsten Classe sind; das bestätigte sich jetzt noch augenscheinlicher, weil diese Personen gerade dieselbigen waren, die sich be- reits bey unserm ersten Aufenthalt zu Tahiti, in so ausgelassene Sittenlo- sigkeiten, mit unsern Seeleuten einliessen. Dies beweiset meines Er- achtens offenbar, daß die H. ... hier zu Lande ebenfalls eine beson- dere Classe ausmachen. Sie ist jedoch bey weitem so zahlreich, und das Sittenverderben lange so allgemein nicht, als unsre Vorgänger solches viel- leicht zu verstehen geben. Mich dünkt, sie haben dabey zu wenig auf Ort Forster's Reise u. d. W. zweyter Th. F
in den Jahren 1772 bis 1775. ſerordentlicher Achtung, und ſah ihn in mehr denn einer Abſicht, fuͤr ein rech-1774.April. tes Meerwunder an; man bewirthete ihn mit den ausgeſuchteſten Speiſen; er bekam unterſchiedliche Kleider geſchenkt, und indem er unter den Nym- phen des Landes herumſchwaͤrmte, fand er nicht ſelten Gelegenheit, auch jene Art des Vergnuͤgens zu ſchmecken, die er zur See ſchlechterdings hatte ent- behren muͤſſen. Empfindlich fuͤr jede ſinnliche Luſt, wie alle Kinder der Natur, aber lange des Anblicks ſeiner huͤbſchen Landsmaͤnninnen beraubt, und durch den Umgang mit unſern Seeleuten vielleicht noch etwas mehr, als ſonſt, zur Sinnlichkeit geſtimmt, mußte ihm die Gelegenheit, ſich auch hierinnen einmal ein gewiſſes Genuͤge zu thun, natuͤrlicher Weiſe ſehr will- kommen ſeyn. Er hatte alſo von allen Seiten Urſach, ſichs auf dieſer rei- zenden Inſel ganz wohl gefallen, und durch den Umgang mit ſeinen ſchoͤnen Landsmaͤnninnen ſich feſſeln zu laſſen. Ueberdem konnte in einem ſo war- men Clima das Schiff freylich kein angenehmes Nachtquartier fuͤr ihn ſeyn; warum haͤtte er ſich in eine enge, vielleicht auch uͤbel riechende Cajuͤtte ein- ſperren ſollen, da er am Lande die reinſte Luft, den Wohlgeruch der Blu- men einathmen konnte, und uͤberdies von dem ſanften Abendwinde die an- genehmſte Kuͤhlung zu gewarten hatte? — — So gluͤcklich aber auch, in Ruͤckſicht auf dieſe Umſtaͤnde, Maheinens Loos, am Lande ſeyn mog- te, ſo gab es doch auch an Bord, Leute, die ſich in ihrer Lage fuͤr recht beneidenswerth hielten! Gleich am erſten Abend kamen nemlich unterſchied- liche Frauensperſonen aufs Schiff, mit welchen die ganze Nacht hindurch, alle moͤgliche Ausſchweiffungen getrieben wurden. Ich habe ſchon bey einer andern Gelegenheit angemerkt, daß die hieſigen liederlichen Weibsperſonen von der gemeinſten oder niedrigſten Claſſe ſind; das beſtaͤtigte ſich jetzt noch augenſcheinlicher, weil dieſe Perſonen gerade dieſelbigen waren, die ſich be- reits bey unſerm erſten Aufenthalt zu Tahiti, in ſo ausgelaſſene Sittenlo- ſigkeiten, mit unſern Seeleuten einlieſſen. Dies beweiſet meines Er- achtens offenbar, daß die H. … hier zu Lande ebenfalls eine beſon- dere Claſſe ausmachen. Sie iſt jedoch bey weitem ſo zahlreich, und das Sittenverderben lange ſo allgemein nicht, als unſre Vorgaͤnger ſolches viel- leicht zu verſtehen geben. Mich duͤnkt, ſie haben dabey zu wenig auf Ort Forſter’s Reiſe u. d. W. zweyter Th. F
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in den Jahren 1772 bis 1775.
ſerordentlicher Achtung, und ſah ihn in mehr denn einer Abſicht, fuͤr ein rech-
tes Meerwunder an; man bewirthete ihn mit den ausgeſuchteſten Speiſen;
er bekam unterſchiedliche Kleider geſchenkt, und indem er unter den Nym-
phen des Landes herumſchwaͤrmte, fand er nicht ſelten Gelegenheit, auch
jene Art des Vergnuͤgens zu ſchmecken, die er zur See ſchlechterdings hatte ent-
behren muͤſſen. Empfindlich fuͤr jede ſinnliche Luſt, wie alle Kinder der
Natur, aber lange des Anblicks ſeiner huͤbſchen Landsmaͤnninnen beraubt,
und durch den Umgang mit unſern Seeleuten vielleicht noch etwas mehr,
als ſonſt, zur Sinnlichkeit geſtimmt, mußte ihm die Gelegenheit, ſich auch
hierinnen einmal ein gewiſſes Genuͤge zu thun, natuͤrlicher Weiſe ſehr will-
kommen ſeyn. Er hatte alſo von allen Seiten Urſach, ſichs auf dieſer rei-
zenden Inſel ganz wohl gefallen, und durch den Umgang mit ſeinen ſchoͤnen
Landsmaͤnninnen ſich feſſeln zu laſſen. Ueberdem konnte in einem ſo war-
men Clima das Schiff freylich kein angenehmes Nachtquartier fuͤr ihn ſeyn;
warum haͤtte er ſich in eine enge, vielleicht auch uͤbel riechende Cajuͤtte ein-
ſperren ſollen, da er am Lande die reinſte Luft, den Wohlgeruch der Blu-
men einathmen konnte, und uͤberdies von dem ſanften Abendwinde die an-
genehmſte Kuͤhlung zu gewarten hatte? — — So gluͤcklich aber auch,
in Ruͤckſicht auf dieſe Umſtaͤnde, Maheinens Loos, am Lande ſeyn mog-
te, ſo gab es doch auch an Bord, Leute, die ſich in ihrer Lage fuͤr recht
beneidenswerth hielten! Gleich am erſten Abend kamen nemlich unterſchied-
liche Frauensperſonen aufs Schiff, mit welchen die ganze Nacht hindurch, alle
moͤgliche Ausſchweiffungen getrieben wurden. Ich habe ſchon bey einer
andern Gelegenheit angemerkt, daß die hieſigen liederlichen Weibsperſonen
von der gemeinſten oder niedrigſten Claſſe ſind; das beſtaͤtigte ſich jetzt noch
augenſcheinlicher, weil dieſe Perſonen gerade dieſelbigen waren, die ſich be-
reits bey unſerm erſten Aufenthalt zu Tahiti, in ſo ausgelaſſene Sittenlo-
ſigkeiten, mit unſern Seeleuten einlieſſen. Dies beweiſet meines Er-
achtens offenbar, daß die H. … hier zu Lande ebenfalls eine beſon-
dere Claſſe ausmachen. Sie iſt jedoch bey weitem ſo zahlreich, und das
Sittenverderben lange ſo allgemein nicht, als unſre Vorgaͤnger ſolches viel-
leicht zu verſtehen geben. Mich duͤnkt, ſie haben dabey zu wenig auf Ort
1774.
April.
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